Die in Österreich lebenden türkischen Staatsbürger haben auch bei der Stichwahl mit großer Mehrheit für Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan gestimmt. In Wien wurde die Wiederwahl Erdogans von dessen Fans am Sonntagabend lautstark gefeiert. Teilweise wurde auch der Straßenverkehr lahmgelegt. In der heimischen Politik hat man damit keinerlei Freude: Die Rede ist von „Parallelgesellschaften“ und auch „einem kruden Verständnis von Demokratie“.
Die Wahlbeteiligung erreichte in der zweiten Wahlrunde in Österreich mit 57,6 Prozent ein Rekordniveau. Rund 108.000 türkische Staatsbürger waren hierzulande wahlberechtigt. Abgestimmt werden konnte in Wien, Salzburg, Bregenz, Linz, Graz und Innsbruck. In der ersten Runde der Präsidentenwahl vor zwei Wochen hatten knapp 72 Prozent der Austro-Türken für Erdogan gestimmt.
Erdogan schnitt in Österreich im internationalen Vergleich besonders gut ab. Besser als in der Heimat war das Ergebnis für den Amtsinhaber auch erneut in anderen europäischen Ländern mit großen türkischen Communitys. Allen voran Deutschland, wo laut vorläufigen Ergebnissen rund 67,4 Prozent für Erdogan stimmten, Frankreich (66,6 Prozent), Niederlande (70,4 Prozent) und Belgien (74,9).
Fans zeigten verbotene „Wolfsgruß“
Zahlreiche Fans des türkischen Präsidenten feierten am Sonntagabend in Wien den Wahlsieg. Auf Videos in sozialen Netzwerken war zu sehen, wie am Reumannplatz in Wien-Favoriten lautstark Feiernde türkische Fahnen schwenkten. Durch das Einschreiten der Beamten und entsprechende Anzeigen habe sich die Lage aber gegen 23.30 Uhr wieder beruhigt. Anzeigen gab es laut Polizei aber auch nach dem „Symbolgesetz“, da - wie auch bei vorangegangenen Veranstaltungen - von einzelnen jubelnden Erdogan-Fans der verbotene „Wolfsgruß“ gezeigt wurde.
„Krudes Verständnis von Demokratie“
Die Menschenrechtssprecherin der Grünen, Berivan Aslan kritisierte die Eskalations-Nacht auf Twitter aufs Schärfste: „Von Demokratie, Grundrechten und Rechtsstaatlichkeit profitieren - aber gleichzeitig für die Verfolgung von Andersdenkenden, Rechtsextremismus und Ausgrenzung in der Türkei stimmen, zeugt von einem kruden Verständnis von Demokratie.“
Wiener FPÖ spricht von „Kalifat“
Die Wiener FPÖ nahm die Kundgebungen zum Anlass, ein „Kalifat“ zu orten. Für FPÖ-Chef Herbert Kickl ist „die Dreistigkeit der Fanatiker das Ergebnis der Schwäche von SPÖ und ÖVP und auch das Ergebnis von jahrzehntelangen Versäumnissen beim Thema Integration“.
Parallelgesellschaften schotten sich immer mehr von der österreichischen Gesellschaft ab und leben ihr Leben.
Stadtrat Karl Mahrer (ÖVP)
Auch der Wiener ÖVP-Chef Karl Mahrer äußerte sich zu den Ausschreitungen am Sonntagabend: „Wenn nach dem Sieg des umstrittenen türkischen Präsidenten Erdogan plötzlich tausende Menschen den Verkehr und die öffentliche Ordnung lahmlegen, um ´ihren´ Präsidenten zu feiern, sind wir Zeitzeugen einer weiteren Verschärfung der Situation. Parallelgesellschaften schotten sich immer mehr von der österreichischen Gesellschaft ab und leben ihr Leben. Dazu gehört offenbar auch türkische Politik mitten in Wien.“
„Importierter politischer Aktivismus“
„Importierter politischer Aktivismus und Gewalt sind auf das Schärfste zu verurteilen und mit der vollen Härte des Gesetzes zu bestrafen. Vom Ausland importierter Nationalismus ist das Gegenteil von Integration und hat bei uns keinen Platz“, beteuert Integrationsministerin Susanne Raab in einem Statement.
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