Der Hyundai Ioniq 6 hat bei den aktuellen World Car Awards voll abgeräumt, unter anderem wurde er zum World Car of the Year gekürt. Aber was kann er wirklich? Wie ist es, mit dem Auto des Jahres unterwegs zu sein? „Krone“-Motorredakteur Stephan Schätzl hat den Koreaner auf die Langstrecke geschickt. Seine Eindrücke/Erlebnisse hier im Video-Fahrbericht!
Die weltweit 100 Juroren des größten Auto Awards der Welt haben ihn zudem als World Electric Vehicle und für das beste Design des Jahres ausgezeichnet. Design ist grundsätzlich Geschmackssache, aber Fakt ist: Der Ioniq 6 fällt auf und er hat mit 0,21 einen sehr guten cW-Wert, der aktuell nur von Mercedes und vom neuen Tesla Model S unterboten wird. Und das trägt dazu bei, dass er als E-Auto so gut ist.
Eine WLTP-Reichweite von 614 Kilometer verspricht der Hersteller - mit den serienmäßigen 18-Zoll-Felgen. Die optionalen 20-Zöller kosten nicht nur 1200 Euro Aufpreis, sondern auch 69 Kilometer Normreichweite. Einen geringeren Beitrag leisten die Kameras, die die Außenspiegel ersetzen. Die 2000 Euro sollte man sich sparen, sie sind in der Praxis keine gute Lösung.
Wie weit kommt man nun tatsächlich mit dem Ioniq 6? Kommt darauf an, klar. Im Fernreise-Einsatz auf über 2000 Kilometern durch Österreich, Tschechien und Deutschland mit teils großzügig ausgelegten Tempolimits betrug die reale Reichweite rund 400 Kilometer. Mit 300 Kilometer von Ladestopp zu Ladestopp kann man kalkulieren, schließlich lädt man ja in der Regel nicht auf 100 Prozent.
Das Laden ist ein Highlight des Ioniq 6. Fährt man eine Ladestation mit aktiver Routenführung an, wird die Batterie vorkonditioniert und ermöglicht eine sehr hohe Ladeleistung. Hyundai gibt 221 kW als Maximum an, tatsächlich waren es meist 230 kW. Der offizielle Wert von 18 Minuten für ein Laden von 10 auf 80 Prozent ist kein reiner Papierwert, sondern realistisch. Wenn man etwas Pause macht, kommt man sogar an die 100 Prozent heran, weil die Ladeleistung auch über 80 Prozent nicht so stark einbricht wie bei manchen anderen Herstellern. Dazu kommt, dass dank des 800-Volt-Systems die Ladeverluste geringer sind als üblich.
Der Testwagen verfügt über den größeren der beiden verfügbaren Akkus, mit 77,4 kWh (Hyundai behauptet, das sei brutto UND netto, was aber nicht glaubhaft ist). Der E-Motor des Hecktrieblers leistet 168 kW/228 PS, damit beschleunigt das 1968 kg schwere Auto in 7,4 Sekunden von 0 auf 100. Offiziell gibt Hyundai eine Höchstgeschwindigkeit von 185 km/h an, tatsächlich sind es GPS-gemessene 190 km/h (Tacho 192 km/h).
Interieur: Geräumig, praktisch, freundlich
Der Innenraum ist ansprechend gestaltet, das Design aufgeräumt und reduziert. Gerade in Weiß wirkt das sehr freundlich. Allerdings wird hauptsächlich hartes Plastik verwendet, was nicht gerade ein Luxus-Gefühl aufkommen lässt. Das Platzangebot ist hervorragend, insbesondere auf den Rücksitzen, wo sich die 4,86 Meter Fahrzeuglänge und 2,95 Meter Radstand bemerkbar machen. Top-Beinfreiheit. Doch auch die Kopffreiheit ist ausreichend, trotz der mit 1,50 Meter recht niedrigen Höhe und der abfallenden Dachlinie.
Vorn hat man die Türverkleidungen so ausgeschnitten, dass möglichst viel Platz für die Beine bleibt. Dadurch mussten die Fensterheberschalter auf die Mittelkonsole wandern (wo sie nicht hingehören) und das Türfach wurde so schmal gestaltet, dass keine großen PET-Flaschen untergebracht werden können.
Auf dem Armaturenbrett thront eine große Glasfläche, die zwei 12,3-Zoll-Displays zusammenfasst, eines als Tacho-/Info-Display sowie einen Touchscreen für das Bediensystem. Die Menüführung ist nach etwas Eingewöhnung übersichtlich. Besonders positiv ist, dass es echte Menütasten sowie eine Bedienleiste für die Klimaautomatik gibt. Außerdem echte Lenkradtasten, die wirklich gut funktionieren, keine Touchelemente.
In den Kofferraum passen nur 401 Liter. Die werden aber ergänzt durch einen Frunk (Front-Kofferraum), der je nach Antrieb 45 oder 14,5 Liter fasst. Auf jeden Fall ausreichend für die Ladekabel.
Routenführung mit Ladestopps
Was beim Hyundai Ioniq 5 bisher schmerzlich vermisst wurde, hat der Ioniq 6 nun an Bord: eine Routenführung, die auf längeren Strecken Ladestopps vorsieht. Dieses Tool ist allerdings eher rudimentär angelegt, es ist dennoch hilfreich (Näheres siehe Video!). Im Testverlauf hat sich das System vor laufender Kamera teilweise aufgehängt. Das Problem ist In Sekundenschnelle zu lösen - wenn man weiß, wie es geht.
Apple CarPlay und Android Auto sind an Bord, funktionieren aber nur kabelgebunden.
Unterwegs besonders leise
Während der Fahrt besticht der Hyundai Ioniq 6 durch die kaum vorhandenen Geräusche im Innenraum. Der Motor ist praktisch nicht zu hören und auch der Fahrtwind meldet sich erst bei höherem Autobahntempo spürbar. Das wirkt beinahe luxuriös.
Das Fahrwerk kann bei diesem Komfort-Eindruck nicht ganz mithalten. Es ist eher straff ausgelegt, neigt dennoch in schnellen Wechselkurven zum Wanken. Die Lenkung ist recht gefühllos, was man nicht nur in Kurven, sondern auch bei Geradeausfahrt merkt.
Die Bremsen sind hervorragend abgestimmt. Das System mischt die Bremskraft aus Rekuperation und Scheibenbremsen zusammen. In der Regel wird also zuerst rekuperiert und dann kommt die Bremse dazu. Der Übergang passiert völlig unbemerkt. Man kann sogar einstellen, wie direkt die Bremsen ansprechen.
Über Lenkrad-Paddles lassen sich Rekuperationsmodi abrufen, und zwar vom Segelmodus bis zum One-Pedal-Fahren. Im Segelmodus rollt der Hyundai wegen des geringen Luftwiderstands gefühlt ewig weiter.
Reihenweise Assistenzsysteme
Bereits serienmäßig sind viele Assistenzsysteme an Bord. Dazu gehört der Adaptiv-Tempomat mit Spurfolge- und Spurhalte-Assistent ebenso wie die Notbremse mit Fußgängererkennung. Leider auch der Tempolimitassistent, der wirklich lästig ist: Wird das aktuelle Tempolimit angezeigt, piepst der Warner, sobald man es auch nur leicht überschreitet. Diese Funktion ist nach jedem Neustart aktiv. Zum Abschalten muss man tief ins Menü abtauchen - und hat dann nicht einmal mehr eine Tempolimit-Anzeige.
Der Hyundai Ioniq 6 lässt sich mit so ziemlich allem ausstatten, was relevant ist, bis hin zu Head-up-Display und LED-Matrix-Scheinwerfern.
Die Preise
Der Basispreis beträgt 55.490 Euro für die Version mit 151 PS und 53-kWh-Akku für 429 Kilometer WLTP-Reichweite. Serienmäßig sind dabei u.a. eine 230-Volt Steckdose im Fußraum der Rückbank, elektrische Heckklappe, Parksensoren, Rückfahrkamera, Adaptivtempomat mit Autobahnassistent, Regensensor, Geschwindigkeitslimitassistent, Navi, Zweizonenklima, beheizbares Lederlenkrad oder auch Sitzheizung vorn.
Der starke Hecktriebler mit 77-kWh-Batterie kostet 5000 Euro mehr. Im Fall des Testwagens kommen noch Extras und Metallic-Lackierung dazu, was sich auf 72.620 Euro summiert. Jeweils abzüglich 5400 Euro Förderung. Der Allradler mit 325 PSist ab 66.490 Euro zu haben und nicht förderfähig.
Fahrzit
Der Hyundai Ioniq 6 ist ein Stromer für die große Reise. Zwar ist er nicht im Detail ausgefeilt, aber ein guter Begleiter im Alltag. Dennoch wäre zu wünschen, dass die Navigationssoftware bald ein Update erfährt. Unterm Strich ein würdiges World Car of the Year.
Warum?
Sehr gute Reichweite
Sehr hohe reale Ladeleistung
Warum nicht?
Rudimentäre Ladestopp-Routenführung
Gefühllose Lenkung
Oder vielleicht ...
... Hyundai Ioniq 5, bei der Länge näher am Tesla Model S als am Model 3
Kommentare
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