Mehrmals täglich!
Nawalny muss Kriegslieder nach „Wagner“-Art singen
Der inhaftierte Kremlgegner Alexej Nawalny hat darüber berichtet, dass in seiner Strafkolonie den Insassen zur richtigen „Erziehung“ antisemitische und patriotische Lieder vorgespielt würden. Darunter seien auch Kompositionen, die Kritik an der russischen Militärführung enthielten - ganz im Sinne des Chefs der Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin.
In der Theorie liege der Sinn von Gefängnissen und Straflagern darin, eine Verhaltensänderung der Verbrecher herbeizuführen. Deshalb hießen die Kolonien auch „Besserungsanstalten“, bringt es Nawalny auf Telegram kurz auf den Punkt. Damit das gelinge, werde Erziehungsarbeit geleistet. Sie erfülle eine äußerst wichtige Funktion im gesamten Gefängnissystem.
In der Praxis sei sie in Russland allerdings nur eine kolossale Fiktion, betont der Kremlkritiker. Man würde den Häftlingen lediglich Videos zur „Extremismusprävention“ zeigen und patriotische Musik vorspielen. Und die Auswahl habe es in sich, so Nawalny.
Unterstützen Gefängnisse Prigoschin?
Mehrmals täglich bekämen die Insassen die Komposition „Wo beginnt das Vaterland“ des Ultranationalisten Wladimir Schirinowski zu hören. Beliebt seien auch kritische Lieder über den russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu und die „militärische Spezialoperation“, wie der Ukraine-Krieg in Russland genannt wird.
Die Rhetorik erinnert an jene von Prigoschin, der immer wieder in seinen Wutreden Schoigu, die Unfähigkeit des Verteidigungsministeriums oder das Leben in Saus und Braus der Eliten anprangert, denen es egal sei, dass das Volk an der Front verrecke.
Verteidigungsminister Schoigu durch den Kakao gezogen
In einer der Kompositionen lautet der Text wie folgt: „Erneut wurden unsere Jungs überfallen, unter schwerem Beschuss mussten sie ausharren, irgendeine Ratte treibt im Stab (hiermit dürften Schoigu und das Verteidigungsministerium gemeint sein, Anm. d. Red.) ihr Unwesen und es ist schade, dass wir sie bislang nicht erwischen.“
In einem weiteren Lied heiße es: „Während die Generäle in Moskau mit Sekt neue Siege verkünden, sterben die russischen Jungs für Russland - Mitleid mit dem Feind haben sie keines, mit einem Lächeln auf ihren Lippen.“ Regelmäßig frage Nawalny die Generäle: „Hört ihr überhaupt, was da im Häfn gespielt wird? Dafür werden sie euch selbst wegen Extremismus einsperren“, konstatiert der Politiker nüchtern. Bemerkenswert ist, wie kritisch die Texte für die Verhältnisse im heutigen Russland gehalten sind und die Gefängnisse anscheinend hinter Prigoschin stehen.
Zuvor hatte der Kremlgegner mitgeteilt, dass die Häftlinge abends in voller Lautstärke Reden des russischen Präsidenten Wladimir Putin über sich ergehen lassen müssten.
Kommt Nawalny jemals wieder frei?
Der Kremlkritiker war im Jänner 2021 bei der Rückkehr aus Deutschland in seine Heimat festgenommen und wegen Verstoßes gegen Bewährungsauflagen und Betrug verurteilt worden. Im August 2020 war er auf einem innerrussischen Flug zusammengebrochen.
Zunächst wurde er in Russland behandelt, dann in die Berliner Charité verlegt. Dort wurde eine Vergiftung mit einem Nervengift festgestellt. Die Regierung in Moskau hat Vorwürfe zurückgewiesen, russische Behörden hätten versucht, ihn zu töten. Derzeit läuft ein neuer Prozess gegen ihn. In der absurden Anklage wird ihm vorgeworfen, im Gefängnis Terroranschläge vorbereitet zu haben. Im Falle einer Verurteilung drohen ihm bis zu 30 Jahre Haft. Nawalnys Chancen, jemals wieder freizukommen, werden also immer geringer.
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