15 Jahre nach seinem ersten Soloalbum und 14 Jahre nach seinem letzten Österreich-Gig kehrte Seeed-Frontmann Peter Fox samt seinem neuen Album wieder tatkräftig zurück. Auf dem rappelvollen Open-Air-Gelände der Wiener Arena gab es 90 Minuten ungetrübte Partystimmung mit Message. Einen Nachschlag gibt es am 18. Juni beim Linzer Lido Sounds.
Gut, die Haare sind ein klein bisschen lichter geworden, doch ansonsten kommt man aus dem Staunen erst einmal nicht raus. Vor den mehr als 3000 Fans am randvollen Open-Air-Gelände der Wiener Arena steht Pierre Baigorry, besser bekannt als Peter Fox, auf der Bühne und trägt seine 51/2 Lebensjahre so juvenil vor sich hier, wie manch anderer mit zwei Dekaden weniger am Buckel. Leger in offenem Hemd, gemütlicher Jogginghose und weißen Nikes tänzelt er federleicht über die Bühne, überzeugt mit konditionell anspruchsvollen Choreografien und hält die Stimme mühelos, auch wenn der akrobatische Akt nebenher einmal ein bisschen anstrengender wird. Rock’n’Roll ist eben keine Kinderjause und wenn Mick Jagger schon den Naturgesetzen der Physik trotzt, dann kann man auch in hiesigen Breitengraden auf so einen Alterungsprozess hinstreben.
Berlin in Ton gegossen
Das Solo-Comeback des wohl wichtigsten Seeed-Mitglieds war lange Zeit eine mittlere Sensation. Sein vor geschlagenen 15 Jahren veröffentlichtes Soloalbum „Stadtaffe“ war nichts weniger als eine Revolution im deutschsprachigen Dancehall- und Reggae-Sektor. Platz eins in den österreichischen und deutschen Charts war Fox ebenso sicher, wie zahlreiche Gold-, Platin- und Silberauszeichnungen. Beim Frequency 2009 legte er einen fulminanten Auftritt auf die Bühne und für eineinhalb kurze Jahre verblasste selbst sein Hauptarbeitgeber zum Statisten. „Stadtaffe“ war nicht nur eine persönliche Hommage an Fox‘ Heimat Berlin, sondern eine in dieser Vielseitigkeit und bunten Klangausformung bis dahin nicht gekannte Liebeserklärung an die deutsche Bundeshauptstadt, die gleichermaßen Moderne und Aufbruch, wie auch Traditionen und Stillstand verkörpert.
Der Rummel um seine Person wurde Fox nach dem Überraschungserfolg aber schnell zu viel und das ohnehin nie als wirkliches Projekt geplante Projekt verschwand in der Versenkung. Die letzten Jahre von Seeed waren geprägt von einem tragischen Todesfall, kommerziellen Top-Erfolgen und richtungsweisenden Erscheinungen. Dass Fox vor wenigen Tagen mit seinem zweiten Solowerk „Love Songs“ zurückkehrte, war viele Jahre lang nicht zu erwarten und glich anfangs dem Sensationswert einer Oasis-Reunion. Doch der Albumtitel soll nicht über den Inhalt hinwegtäuschen, denn der Berliner nimmt sich wieder den kleinen und großen Problemen des Alltags an, ohne dabei auf die musikalische Leichtfüßigkeit zu verzichten, oder sich von Verbitterung herunterziehen zu lassen.
Immer Vollgas
Bei frühsommerlichen Temperaturen hat Fox mit kundiger und hoch motivierter Band die Fans sofort in seiner Hand. Die Songs „Vergessen wie“, „Ein Auge blau“ und „Weiße Fahnen“ sind nicht der schlechteste Auftakt, um gleich einmal für ordentlich Stimmung zu sorgen. Der Interpret hat großes Selbstvertrauen und bringt mit „Kopf verloren“ erst beim sechsten Track einen Klassiker aus seiner frühen Solophase an die Front. „Wir spielen Songs vom neuen Album, vom ersten Album und von Seeed, eine schöne Mischung“, gibt er während des Gigs kund und sorgt damit für großen Jubel. Die großen Seeed-Klassiker aus deren Hochzeit lässt er außen vor, mit „Lass sie gehn“, „Ticket“ und „Hale-Bopp“ findet sich nur ein geringer Teil aus dem Bandsegment im gut eineinhalbstündigen Set wieder. Im Stakkato-Takt knallt Fox mit seiner Mannschaft Songs aus dem Äther, von Pause oder Ausruhphasen ist nichts zu bemerken.
Diese ständige Hast ist, wenn man so will, auch als einziger Kritikpunkt an diesem Abend anzumerken. Natürlich bremst sich Baigorry auch mal ein, um am Keyboard melancholischere Töne anzuschlagen oder dem Balladesken etwas mehr Raum zu geben, doch in der Rückschau donnert der Song-Zug im ICE-Tempo über das Gelände und lässt keine Zeit für Reflexion. Bei „Hale-Bopp“ holt er sich noch zwei Handvoll junge Tänzerinnen und Tänzer aus dem Publikum auf die Bühne, die bis zum Showende an der Seite seiner professionellen Tänzer auf einer dafür installierten Erhöhung für Stimmung sorgen. Auch wenn der Sound hinter der Band wohl nicht optimal ist, dieses Erlebnis werden alle Beteiligten gewiss nicht so schnell vergessen. Dass Fox in den letzten Jahren wenig im Rampenlicht stand, merkt man ihm nur selten an. Gesang, Bewegungen, Mimik, Gestik und Gehabe strahlen eine beneidenswerte Selbstsicherheit aus - auch wenn im Laufe des Sets mal gepatzt wird.
Kleine Wackler sind noch vorhanden
An diesem Abend fällt das zweimal ganz besonders ins Gewicht. Beim als Abschlusssong geplanten und in einer melancholisch abgeänderten Version vorgetragenen „Haus am See“ verhaspelt er sich beim Text und schon recht früh im Programm vergaß er gleich ganz auf die neue Single „Toscana Fanboys“ - ausgerechnet der Song, für den er mit Adriano Celentano einen der wohl begehrtesten Gäste Europas gewinnen konnte. Den Fauxpas bessert er aus, indem er den Track am Ende dazukoppelt. Zeit dafür war ausreichend vorhanden, denn die Fox-Österreich-Solo-Livewiederkehr nach 14 Jahren fällt dann doch etwas kurz aus. Vielleicht hat er für das Lido Sounds in gut zwei Wochen aber noch die eine oder andere Überraschung im Köcher. Die Partysongs mit Afrobeat-Feeling beweisen jedenfalls eindrucksvoll, dass die Musik manchmal reicht und man sich für eine starke Liveshow nicht in Effekten ertränken muss. Schüttel deinen Speck, Baby!
Live im Lido Sounds
Schon am 18. Juni gibt es ein Wiedersehen mit Peter Fox und zwar als dritter und letzter Headliner beim brandneuen Lido Sounds in Linz. Unter www.oeticket.com gibt es noch Karten für das stimmungsvolle Dance-Highlight. Wer schon heute dabei war weiß ohnehin: mehr Sommer geht gar nicht.
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