Zuerst starb Freund und Drummer Taylor Hawkins, dann seine Mutter - Foo Fighters-Frontmann Dave Grohl hat das vielleicht härteste Jahr seines Lebens auf dem elften Studioalbum „But Here We Are“ verarbeitet. Mit dem stärksten Album seit mehr als 20 Jahren eröffnet er sich und der adaptieren Band ein ganz neues Kapitel.
Nach einer ersten Schreckens- und Trauerphase durch das tragische Ableben von Drummer Taylor Hawkins, meldeten sich die Foo Fighters letzten September mit zwei fulminanten Tribute-Konzerten in London und Los Angeles tatkräftig zurück. Die größte der jüngeren (wenn man so will) noch lebenden Rockbands bekam dabei Unterstützung von allem, was in diesem Geschäft Rang und Namen hat. Travis Barker, Lars Ulrich, AC/DCs Brian Johnson, Def Leppards Joe Elliott, ex-Oasis-Raubein Liam Gallagher, P!nk und sogar die Beatles-Legende Paul McCartney war dabei. Es hätte niemanden gewundert, hätten sich Led Zeppelin in diesem Rahmen für eine Reunion hergegeben ... Einerseits waren diese beiden Abende der Beweis, dass Dave Grohl wirklich „Everybody’s Darling“ ist und auf seine Freunde zählen kann, wenn es darauf ankommt. Andererseits zeigten Performance und Songs ganz klar, dass diese Band trotz Schicksalsschlag nicht einfach aufhören kann.
Doppelter Verlust
„But Here We Are“ nennt sich nun das elfte Studioalbum der Foos, das ein Dreivierteljahr nach diesen beiden Bombastshows erscheint und die Band in eine neue Ära leitet. Dave Grohl hat nicht nur seinen Drummer und privat besten Freund verloren, sondern wenig später auch seine Mutter. Jene Person, die stets als sein größter Fan galt, ihn ein Leben lang bedingungslos unterstützte und sogar seinen einst übereilten Schulaustritt goutierte, als er sich voll und ganz auf seine Rockstar-Karriere konzentrieren wollte. Hinter dem dauergrinsenden, stets gut gelaunten Mr. Nice Guy steckten schon immer prägende Tragödien. Als die 1994 weltgrößte Band Nirvana nach Kurt Cobains tragischem Freitod sich selbst und den Grunge begrub, zog sich Grohl zurück, reflektierte sein Leben und seine musikalischen Fähigkeiten und spielte im Alleingang das 1995 erschienene Debütalbum der Foo Fighters ein.
Wenig später scharrte er eine musikalisch profunde Gefolgschaft um sich, die mit den Werken „The Colour And The Shape“ (1997) und „There Is Nothing Left To Lose“ (1999) für die absoluten Höhepunkte der Bandkarriere sorgten. Auch das 2002er-Werk „One By One“ hatte Glanzmomente, doch wie bei vielen anderen Bands auch, verloren Grohl und Co. mit dem Einzug in die großen Arenen und Stadien den nötigen Biss, um weiterhin innovative und spannende Songs zu schreiben. Es ist eine tragische Fußnote des Grohl’schen Lebens und des klassischen Musikerklischees, dass aus Verlust, Trauer und Schmerz die besten Songs entstehen. „But Here We Are“ erscheint ganz ohne dazugehörige Interviews und große Erklärungen. Grohl hat weder offiziell bestätigt, noch dementiert, ob er für die Drum-Spuren auf dem Album verantwortlich ist oder doch Josh Freese, der Hawkins nun dauerhaft ersetzt. Die Musik und die Songtexte erklären sich von selbst, denn es sind zehn Kapitel, die sich um Trauer und Verarbeitung drehen, die Band aber so knackig, vorwärtsgerichtet und frei zeigt, wie seit mehr als 20 Jahren nicht mehr.
Einsam, aber nicht alleine
Frei nach dem Grohl-Prinzip, dass jedes neue Album der Foos eine direkte Antwort auf das vorhergehende ist, sollte dieses Werk eine Art Prog-Rock-Manifest werden, nachdem der Vorgänger „Medicine At Midnight“ partiell schon sehr auf die Party-Tanzfläche geschielt hat. Hawkins tragisches Ableben im März 2022 veränderte alles und warf die angestammten Pläne samt und sonders über den Haufen. Anstatt einfach das nächste Kapitel der Erfolgskarriere zu zimmern, war Grohl mit Ungewissheit, Unsicherheit und emotionaler Einsamkeit konfrontiert. All diese Gefühle bahnen sich auf „But Here We Are“ ihren Weg, zumal sich das Band-Mastermind fast wieder so alleine fühlte, wie er 1995 beim Debütalbum war. Mit dem Unterschied, dass er Freunde und Bandmitglieder und Stammproduzent Greg Kurstin als Netz und doppelten Boden hatte.
„But Here We Are“ mag für Fans und Hörer ein weiteres Kapitel im Œuvre der Foo Fighters sein, für Grohl und seine Bandkollegen ist es ein erster Schritt in eine neue, völlig anders ausgerichtete Zukunft. Die Nostalgie zieht sich auf dem neuen Werk nicht in den Klängen, sondern im Gemütszustand durch die einzelnen Lieder. Die ersten Single-Auskoppelungen „Rescued“ und „Under You“, zwei durchdringende und wundervolle Hommagen an Hawkins, begeistern mit zügelloser Frische. „Hearing Voices“ grätscht mit einem düsteren The Cure-Keyboard-Vibe in das anfänglich so herrlich unkontrollierte Geknüppel, während „Nothing At All“ nicht nur an Grohls Grunge-Vergangenheit erinnert, sondern sich auch leicht beim New Wave der 80er-Jahre bedient. Der Titeltrack ist dem ursprünglich Prog-Rock-Konzept noch am nächsten, dafür zeigt sich der Frontmann im elegischen „The Glass“ stimmlich verletzlich und überraschend offen.
Trauerszenarien verarbeiten
Um die Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu schließen, setzt Grohl beim etwas seicht dahinplätschernden „Show Me How“ auf die Stimme seiner mittlerweile 17-jährigen Tochter Violet. Textlich legt der 54-Jährige eine erstaunliche Offenheit vor. Er besingt die Leere in seinem Herzen, die Unsicherheit, ob und wie es weitergehen soll und bewegt sich durch die unterschiedlichen Verarbeitungsszenarien von Wut über Trauer und Leugnung bis hin zur Akzeptanz. Das zehnminütige „The Teacher“ erweist sich dabei als gleichermaßen opulentes wie stringent nach vor preschendes Mahnmal für Angriffslust und Motivation, während das abschließende „The Rest“ das geheime Highlight des variablen Werkes ist. Sanft plätschernd beginnend, wie einst bei Nirvanas „Something In The Way“, verwandelt sich der Track in ein Distortion-Crescendo, das Ohnmacht und Verzweiflung in eine hoffnungsfrohe Progressivität dreht. So schlimm die Todesfälle der Vergangenheit auch waren, die Foo Fighters sind mit „But Here We Are“ so lebendig, wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr. 2024 dann hoffentlich auch wieder live bei uns.
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