"pro-tier"/"Vier Pfoten": Ist Schutzhundesport Ihrer Ansicht nach zeitgemäß und vereinbar mit einem modernen Tierschutzgesetz?
Regina Binder: Aus meiner Sicht ist die Schutzhundeausbildung grundsätzlich nicht zeitgemäß. Vor allem Halter großer Hunde werden heute oftmals angefeindet, daher sollten sich eigentlich alle Hundefreunde darum bemühen, das Image der Mensch-Hund-Beziehung in der hundekritischen Öffentlichkeit zu verbessern. Man kann lange darüber diskutieren, ob bei der Schutzhundeausbildung nur der Beute- bzw. Spiel- oder doch auch der Aggressions- bzw. Wehrtrieb gefördert wird.
Fakt ist, dass der Schutzdienst ein Beißtraining beinhaltet, das am sogenannten Hetzärmel, also an einer Attrappe, die eine Hilfsperson am Arm trägt, ausgeübt wird. Der Hund lernt also sozusagen, auf Kommando anzugreifen und in den Hetzärmel zu beißen. Dieses Szenario halte ich generell für nicht geeignet, ein friedvolles Miteinander zwischen Mensch und Hund zu fördern. Zudem ist es nach dem Tierschutzgesetz grundsätzlich unzulässig, die Aggressivität und Kampfbereitschaft von Tieren zu erhöhen. Eine Ausnahme für sportliche Aktivitäten ist hier nicht vorgesehen.
Auch wenn die Schutzhundeausbildung nicht auf eine Steigerung der Aggressivität abzielt, kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese zum Beispiel bei unfachgemäßer Durchführung der Ausbildung oder durch den unkundigen Umgang mit dem ausgebildeten Hund doch erhöht wird. Der professionelle Einsatz von Hunden ist gesondert zu betrachten: Die Ausbildung von Diensthunden der Sicherheitsexekutive und des Bundesheeres, also von Polizei- und Militärhunden, unterliegt Spezialvorschriften.
"pro-tier"/"Vier Pfoten": Aus dem von Ihnen erstellten Rechtsgutachten (Anm.: Gutachten zur Schutzhundeausbildung im Auftrag der Wiener Tierschutzombudsstelle) geht hervor, dass die Schutzhundeausbildung eine "gewisse Affinität" zu illegalen Hilfsmitteln wie zum Beispiel Elektroreizgeräten hat. Können Sie das näher erörtern?
DDr. Binder: Aus der einschlägigen Literatur lässt sich unschwer erkennen, dass die Schutzhundeausbildung traditionell mit Starkzwangmethoden, das heißt mit der Anwendung von Strafreizen und zum Teil eben auch mit dem Einsatz nunmehr verbotener Hilfsmittel assoziiert wird. Das liegt auch nahe, da sie aus einer Zeit stammt, in der man noch recht wenig über das (Lern-)Verhalten von Hunden wusste und auch das Tierschutzbewusstsein noch nicht sehr ausgeprägt war. Die "besten Freunde des Menschen" wurden früher eben nicht ausgebildet oder trainiert, sondern dressiert beziehungsweise abgerichtet.
"pro-tier"/"Vier Pfoten": Schutzhundesportler argumentieren, dass sich im Training der Hunde in den letzten Jahren vieles zum Besseren gewendet hat, dass Brutalität gegenüber den Hunden nicht mehr toleriert wird, dass es nur darum geht, die Hunde freudig auszulasten. Deckt sich diese Argumentation mit Ihrem Befund?
DDr. Binder: Man kann sicher nicht alle Personen, die ihre Hunde zu Schutzhunden ausbilden lassen, über einen Kamm scheren. Viele Befürworter der Schutzhundeausbildung distanzieren sich mittlerweile ausdrücklich von der Anwendung tierschutzwidriger Methoden. Das Problem besteht aber darin, dass im Einzelnen nicht kontrolliert werden kann, welche Methoden tatsächlich zur Anwendung kommen.
Nach dem Wiener Tierhaltegesetz ist die Schutzhundeausbildung seit Mitte 2010 aus gutem Grund verboten. Zum Teil wird hier die Auffassung vertreten, dass der Schutzsport von diesem Verbot nicht erfasst wird. Aus meiner Sicht ist das allerdings rechtlich nicht gedeckt: Hat ein Hund die Schutzhundeausbildung einmal absolviert, so kann nämlich in keiner Weise sichergestellt werden, zu welchem Zweck der Hund im Laufe seines Lebens, zum Beispiel auch im Falle eines Halterwechsels, eingesetzt wird. Der Hinweis, die Ausübung des Schutzdienstes auf dem Sportplatz diene der verhaltensgerechten Auslastung der Hunde, mag zutreffen. Sicher ist aber auch, dass es viele andere, unbedenklichere Möglichkeiten gibt, Hunde verhaltensgerecht zu beschäftigen.
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