Wohin gehen wir? Wie viel im Leben kann man kontrollieren und wie viel davon ist Schicksal? Was macht uns untereinander als Menschen aus? Diese und ähnliche Fragen stellt This Is The Kit-Frontfrau Kate Stables auf ihrem neuen Album „Careful Of Your Keepers“. Eine folkig angehauchte Platte über die existenziellen Belange im Leben. Grund genug, etwas genauer nachzufragen.
Kate Stables ist die Königin der kryptischen Songtexte. Sie verpackt ihre Beobachtungen und Erlebnisse seit mittlerweile 20 Jahren in dadaistische oder metaphorische Wortkreationen, die nicht nur Raum für Eigeninterpretation lassen, sondern auch tief in das innere Empfinden der Künstlerin eintauchen. Als sich Stables aus ihrer Wahlheimat Frankreich, wo die gebürtige Britin seit 17 Jahren glücklich lebt, via Zoom zuschaltet, flüchtet sie gerade vor einem Regenguss unter eine Brücke und muss manchmal nachfragen, weil das eine oder andere Auto hinter ihr vorbeirauscht. Stables ist als Person irrsinnig quirlig, sympathisch und eloquent. In ihrem musikalischen Projekt This Is The Kit nimmt sie eine ruhigere, etwas gereifte Rolle an, ohne aber die freundliche Unschuld beiseite zu wischen.
Ode an die Zwischenmenschlichkeit
„Ich versuche in meinen Liedern menschliche Beziehungen zu analysieren oder zumindest zu durchdenken. Ich recherchiere Menschen und ihre Verhaltensweisen und lerne dabei stets selbst dazu.“ Da Stables Frontfrau und Interviewpartnerin in einem ist, gerät ihre Band schnell in den Hintergrund und man vermutet hinter This Is The Kit oft ein Soloprojekt unter einem Alias-Namen. Doch ohne ihre Mitstreiterinnen und das kollektive Auftreten wären die bislang sechs Alben niemals entstanden. „Careful Of Your Keepers“, wie sich das neue Werk nennt, dreht sich um die großen und existenziellen Fragen der Menschheit. Wie gehen wir Menschen mit uns und unserer Umwelt um? Wie fragil sind wir in Beziehungen und unterschiedlichen Situationen des Lebens? Wie geht es eigentlich weiter? „Es geht einfach um Zwischenmenschlichkeit“, kürzt Stables ab.
Die aktuelle Weltlage, das Klima-Problem und zunehmende populistische Schübe aus allen Ecken und Enden setzen auch der Britin zu. „Ich pendle meist zwischen Optimismus und Pessimismus und in der Mitte davon steckt der Realismus. Auch wenn ich zum Pessimismus tendiere, glaube ich stets an das Gute im Menschen und stecke voller Hoffnung. Aufgrund der Weltlage haben die Leute zunehmend Angst. Aus Angst entstehen Sturheit und Egoismus. Dieser Planet lässt uns ständig im Ungewissen. Das ist spannend und fordernd zugleich.“ In folkig-angehauchten, aber partiell auch gerne einmal treibenden Songs wie „Inside Outside“, „This Is When The Sky Gets Big“ oder „Doomed Or More Doomed“ machen sich This Is The Kit Gedanken über den Zustand des Seins. „Wir sind ziemlich seltsame Kreaturen. Der Planet rettet sich aber schon. Die Frage ist nur, ob er uns Menschen für seinen Heilungsprozess braucht.“
Es hat gemenschelt
Gut zwei Jahre hat Stables an dem neuen Werk gefeilt und sich dabei „wie eine Krabbe gefühlt, die sich alle paar Monate häutet, weil es so viele Phasen der Veränderung gab.“ In der Pandemie stellte sie für sich gegenüber, wie viel im Leben kontrollierbar oder reines Schicksal ist. „Sind wir dafür verantwortlich, was so alles passiert oder würde es sowieso geschehen? Die Antworten auf diese Fragen kennt niemand, aber ich glaube, dass ein bisschen von allem stimmt.“ Als Produzenten-Partner in crime fungierte Gruff Rhys von den Super Furry Animals. Stables ist dezidierter Fan seiner Band, man traf sich immer wieder auf Konzerten und Festivals, bis irgendwann das eine zum anderen führte. „Er hatte im Studio eine ganz besondere Präsenz und einen tollen Effekt auf uns alle. Mir ist das Menschliche mindestens genauso wichtig wie das Technische und das passte mit ihm hervorragend.“
Bis sich Stables auf „Careful Of Your Keepers“ einpendelte, hatte das neue Werk mit „Measuring Stick“ und „Goodbye Bite“ sogar zwei andere Arbeitstitel. Das liegt mitunter auch am chaotischen Zugang, denn die Künstlerin beim Songwriting per se hat. „Am Ende hat sich alles verändert und vom Anfang blieb wenig übrig. Bei meinen Alben passiert immer sehr viel aus dem Zufall heraus, weil ich überhaupt keine organisierte Person bin“, lacht sie laut auf, „am Ende kann es schon passieren, dass es einen konzeptionellen Unterbau gibt, aber der war sicher nicht im Voraus geplant.“ Das Songschreiben vollzieht Stables in selbstgewählter Einsamkeit. „Alles ist dunkel und die Türen sind zu. Für die Songs muss ich Dinge erleben, die nicht auf Tour passieren. Aber Niederschreiben geht nur in der Stille.“
Subjektive Wahrnehmung
Trotz der Zusammenarbeit mit Rhys und ihrer Band sieht sich Stables nur bedingt als Teamplayerin. „Ich bin das zumindest nicht im klassischen Sinne dieses Begriffs. Um mich muss sich aber niemand Sorgen machen, weil ich immer weiß, was ich tue. Durch meine Unabhängigkeit und Eigenständigkeit funktioniere ich dann auch im Team. Ich liebe meine Band und alle Leute, die mit mir zu tun haben, aber ich habe mein Leben ganz gerne alleine im Griff.“ Mit ihrem Partner und ihrer 15-jährigen Tochter lebt Stables beschaulich in Frankreich, schraubt an Liedern und geht immer wieder mal auf Tour - 2023 voraussichtlich leider nicht in Österreich. „Über die Jahre haben sich mein Musikgeschmack und die Ausrichtung der Band sicher ein bisschen verändert, aber das ist sehr subjektiv. Viele Fans würden sicher behaupten, es gäbe bei uns eine kongruente Linie. Ich kann so etwas unmöglich selbst bewerten.“
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