Staudamm-Explosion:
Größte menschengemachte Katastrophe seit Langem
„Die größte menschengemachte Katastrophe seit Jahrzehnten!“ So bezeichnete die Ukraine den Bruch des Kachowka-Staudamms im Süden der Ukraine. Das Bauwerk war 30 Meter hoch und über drei Kilometer lang. Er staut den Dnipro (russisch Dnjepr) kurz vor der Mündung ins Schwarze Meer zum riesigen Kachowkaer Stausee, der wegen seiner Größe selbst wie ein Meer wirkt.
Vom Damm bis Cherson sind es rund 85 Kilometer flussabwärts, bis zum Standort des AKW Saporischschja in dem Ort Enerhodar etwa 150 Kilometer flussaufwärts. Das AKW sei jedoch nicht in Gefahr, hieß es.
Russland und Ukraine geben sich gegenseitig die Schuld
Wer den Damm zerstört hat, ist unklar. Russland und Ukraine geben sich gegenseitig die Schuld. Ein Video, das eine Explosion zeigte, soll sich als Fälschung herausgestellt haben. Bilder und Videos zeigen jedoch, wie die immensen Wassermassen nun flussabwärts strömen. Der ukrainischen Regierung zufolge sind bis zu 80 Ortschaften am Dnipro von Überschwemmungen bedroht, laut den russischen Behörden sind es 20.000 Menschen.
Der Kachowka-Staudamm hat aus mehreren Gründen eine strategische Bedeutung. Das Wasserkraftwerk, das unter anderem mit dem Wasser aus dem See gekühlte AKW Zaporischschja und ein nahegelegenes Kohlekraftwerk produzierten 30 Prozent des in der Ukraine erzeugten Stroms.
Durch Kanäle wurde eine Trockensteppe agrarwirtschaftlich erschlossen und ein Einzugsgebiet von drei Millionen Menschen mit Trinkwasser versorgt. Und: Der Stausee war eine Barriere, welche die Stoßrichtung der russischen Invasionstruppen bestimmte.
Seit dem Verlust der Stadt Cherson gab es immer wieder Befürchtungen, die Russen - welche den Damm kontrollierten - könnten ihn sprengen. Da aber vor allem die noch von russischen Invasionstruppen kontrollierte linke Uferseite aber von Überschwemmungen mehr betroffen war, schien dies zunächst unwahrscheinlich.
Wasserpegel des Staudamms um zwei Meter gesunken
Jedoch wurde seit Beginn des Jahres 2023 von Experten festgestellt, dass der Wasserpegel des Staudamms in kurzer Zeit um zwei Meter gesunken ist. „Der Pegel ist also so niedrig wie niemals zuvor“, analysierten Igor Pylypenko und Daria Malchykova, Experten für Geografie und Ökologie von er Universität in Cherson.
Das gab Grund zu der Annahme, dass sich die russischen Truppen aus dem Gebiet links des Dnipro zurückziehen und dann den Damm sprengen, weil durch den niedrigeren Wasserstand die Flutwelle für die sich zurückziehenden Truppen nicht so verheerend sei.
Video: Selenskyj macht „russische Besatzer“ für Zerstörung verantwortlich
Trinkwasserversorgung für 400.000 Menschen in Gefahr
Die Folgen für die Ukraine sind katastrophal: Drei Kraftwerke, die vor dem Russland-Überfall ein Drittel des Stroms in der Ukraine erzeugten, fallen aus. Die Trinkwasserversorgung für 400.000 Menschen, einschließlich der Städte Melitopol und Berdjansk ist gefährdet, ebenso jene der Krim.
Die Existenzgrundlage von fast einer halben Million Menschen ist durch die Vernichtung der Agrargebiete auf Jahre zerstört. Und: Durch die Überschwemmungen verkleinert sich das mögliche Aufmarschgebiet für die ukrainische Armee für die Gegenoffensive um ein Vielfaches.
USA: Russland soll Damm zerstört haben
US-Geheimdiensterkenntnisse deuten darauf hin, dass Russland hinter der Zerstörung des Kachowka-Staudamms steckt. „Dies ist eine weitere verheerende Folge der russischen Invasion in die Ukraine“, so auch UNO-Generalsekretär António Guterres in New York. Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu beschuldigte die ukrainischen Streitkräfte, für die Zerstörung des Staudamms verantwortlich zu sein. „Der Vorfall ist ein Terroranschlag, der sich gegen zutiefst zivile Infrastruktur richtet“, heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Mitteilung der Behörde.
Von einer „unvorstellbar katastrophalen Lage“ im Gebiet Cherson nach der Zerstörung des Staudammes hat auch der zuständige römisch-katholische Diözesanbischof von Odessa, Stanislaw Szyrokoradiuk, berichtet.
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