Chemikalien im Wasser
Staudamm-Katastrophe: Situation immer gefährlicher
Durch die Sprengung des Kachowka-Staudamms wurde ein neuer Tiefpunkt in dem nicht enden wollenden russischen Angriffskrieg erreicht. Die Folgen sind fatal. Künftig könnten sich in der Ukraine ganze Landstriche in Wüsten verwandeln. Gefährliche Chemikalien gefährden die Gesundheit von Mensch und Tier. Und auch aus kriegstaktischer Sicht bringen die Wassermassen Kiew mehr Nachteile als Moskau.
Es sind erschreckende Bilder, die derzeit aus der Ukraine eintreffen. Der Krieg hat eine neue Dimension erreicht. Während sich die beiden Konfliktparteien gegenseitig die Schuld für die Katastrophe in die Schuhe schieben, zeichnet sich laut Experten ein klares Bild ab.
Russland im Vorteil
„Wenn man bedenkt, dass sich Russland in der strategischen Defensive und die Ukraine in der strategischen Offensive befindet, ist das kurzfristig auf jeden Fall ein Vorteil für Russland“, erklärt Ben Barry, Senior Fellow am International Institute for Strategic Studies. Es werde für die ukrainischen Truppen schwerer, den Dnipro zu überqueren. Die Flut werde den Einsatz schwerer Waffen wie Panzer für mindestens einen Monat verhindern, meint auch Maciej Matysiak, Sicherheitsexperte bei der Stratpoints Foundation.
Hohe Infektionsgefahr
Indes wird langsam begreifbar, was die Zerstörung des Megadammes für Mensch, Tier und Natur bedeutet. Das Gesundheitsministerium der Ukraine warnt, dass bereits gefährliche Chemikalien in das Wasser gelangt seien. Auch sei bereits Wasser aus Friedhöfen, Toiletten und Mülldeponien in die Fluten geraten - es drohen daher gefährliche Infektionskrankheiten.
Die Einwohner sind angehalten, nur Mineralwasser oder von Rettungsdiensten geliefertes Wasser zu trinken und für das Kochen zu verwenden. Man könne das dortige Wasser nicht abkochen, da dies nicht gegen die chemischen Substanzen helfe. Außerdem dürfe man keine Lebensmittel essen, die mit dem verunreinigten Wasser in Berührung gekommen seien. Auch dürfe mit den Fluten in Berührung gekommene Kleidung nicht mehr getragen werden.
Großes Fischsterben
Der Leiter des ukrainischen Präsidialamtes Andrij Jermak veröffentlichte ein Video, in dem massenhaft tote Fische zu erkennen sind. Sie dürften im Zusammenhang mit dem Dammbruch verendet sein. Der Politiker bezeichnete das Massensterben als einen „von Russland begangenen und vom Menschen verursachten Ökozid“.
Bald 50.000 Hektar Wüste?
Das ukrainische Landwirtschaftsministerium spricht davon, dass ohne den Stausee künftig 500.000 Hektar Land ohne Bewässerung seien. Sie drohten sich in Wüsten zu verwandeln. Zudem erwarten Experten, dass das Hochwasser Chemikalien und Schmierstoffe aus der Industrie in den Boden spülen und damit Ökosysteme und die Artenvielfalt dauerhaft schädigen wird. Das trifft die Landwirtschaft in der Ukraine, die als Kornkammer Europas gilt, hart. Zumal Minen und Angriffe die landwirtschaftliche Produktion auch in anderen Landesteilen behindern.
Selenskyj wirft Besatzern Untätigkeit vor
Die ukrainischen Behörden im Gebiet Cherson erwarten indes weiter steigende Wasserstände. Bis Donnerstagvormittag werde das Wasser noch um einen Meter ansteigen, sagte der Sprecher der Chersoner Militärverwaltung, Olexander Tolokonnikow, am Mittwoch im ukrainischen Fernsehen. Zugleich gab er zu bedenken, dass der Staudamm weiter breche, weshalb das Wasser noch steigen könne. Das Wasser fließt aus dem Stausee über die schwer beschädigte Staumauer ab.
„Unsere Dienste, alle, die helfen können, sind bereits im Einsatz“, schrieb der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Mittwoch im Kurznachrichtendienst Twitter. „Aber wir können nur in dem Gebiet helfen, das von der Ukraine kontrolliert wird.“ Der Großteil der Region steht unter russischer Besatzung, wo die Behörden nun den Ausnahmezustand verhängten. Selenskyj warf den Besatzern vor, sich nicht um die Not der Menschen zu kümmern.
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