Untersuchung gefordert
Selenskyj: Russland hat Folgen unterschätzt
Die Sprengung des Kachowka-Staudamms kennzeichnet einen neuen Tiefpunkt in Russlands Angriffskrieg. Moskau und Kiew schieben sich gegenseitig die Schuld zu. Während Tausende Menschen und Tiere leiden, will die Türkei nun vermitteln.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj strebt eine internationale Untersuchung des Dammbruchs an. Wenn die Ukraine die Kontrolle des Staudamms zurückerobert habe, werde sie internationale Experten einladen, den Vorfall zu untersuchen, sagte er am Mittwoch im Interview mit Zeitungen der Axel-Springer-Gruppe. Seiner Ansicht nach sei die Verantwortung Russlands für die Katastrophe erwiesen. „Das passierte in einem besetzten Gebiet.“
Selenskyj habe bereits vor einem Jahr darauf hingewiesen, dass der Damm vermint werde und das Risiko einer Sprengung hoch sei. Durch Beschuss hätte der Bruch nicht herbeigeführt werden können. Er gehe davon aus, dass Russland seine Aktion unterschätzt habe. „Sie haben nicht daran gedacht, dass sie auch ihre besetzten Gebiete fluten.“
Der Vorfall habe auch Auswirkungen auf die Gegenoffensive. „Das, was gerade passiert, ist eine Tragödie. Eine Umweltkatastrophe und eine menschliche Katastrophe. Das hilft uns nicht mit der Gegenoffensive, das erleichtert die Gegenoffensive nicht.“
Selenskyj bestritt zudem eine Beteiligung seines Landes an dem Anschlag auf die Nord-Stream-Pipeline. „Ich bin Präsident und ich gebe entsprechende Befehle. Nichts dergleichen hat die Ukraine getan. Ich würde nie so handeln“, sagte er. Selenskyj verlangte die Vorlage von Beweisen: „Wenn unser Militär das getan haben soll, dann zeigt uns Beweise.“
Putin beschuldigt Kiew
Der russische Präsident Wladimir Putin machte die Ukraine für die Explosion am Kachowka-Staudamm verantwortlich. In seiner ersten öffentlichen Stellungnahme zum Bruch des Damms in der Südukraine sprach Putin am Mittwoch von einer „barbarischen Tat“ Kiews. Dadurch sei „eine ökologische und humanitäre Katastrophe großen Ausmaßes“ verursacht worden, sagte Putin nach Angaben des Kreml in einem Telefonat mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.
Auch Erdogan schlug am Mittwoch in separaten Telefonaten mit Putin und Selenskyj eine Untersuchungskommission vor, teilte das Präsidialamt in Ankara mit. Eine solche Kommission könne mit Experten der beiden Kriegsparteien sowie mit Vertretern der Türkei und der Vereinten Nationen besetzt sein und damit ein ähnliches Format haben wie das sogenannte Getreideabkommen, hieß es.
Im Juli 2022 hatten die Vereinten Nationen und die Türkei ein Abkommen vermittelt, das die Blockade ukrainischen Getreides durch Russland beendet hatte.
„Sanitär-ökologische Katastrophe“
Laut Maxim Soroka, einem ukrainischen Umweltexperten der Nichtregierungsorganisation Dovkola Network, sind durch die Zerstörung des Staudamms mehr als 180.000 Menschen ohne sauberes Trinkwasser. Er sagte, die Konsequenz wäre eine „sanitär-ökologische Katastrophe“.
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