Trumps letzte Chance?
Das Weiße Haus als Gefängnis-frei-Karte
Donald Trump ist wieder angeklagt worden. Doch dieses Mal ist alles anders: Für den Ex-US-Präsidenten geht es aufgrund der Anklage bei der nächsten Wahl um seine persönliche Freiheit - und die Zeit läuft gegen ihn.
Donald Trump muss kommenden Dienstag vor Gericht erscheinen. Ein Umstand, der aufgrund der so zahlreich gewordenen Vorwürfe gegen den Ex-US-Präsidenten bei einem breiten Publikum nicht mehr wirklich etwas auslöst. Doch Trump und sein Team dürften sich den Termin in Miami, Florida, dick angestrichen haben.
Der Ex-US-Präsident wird dieses Mal vor ein Bundesgericht zitiert - dementsprechend drastischere Strafen drohen dem 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten. Es geht um die illegale Entnahme und Aufbewahrung von streng geheimen Dokumenten nach seiner Abwahl - und damit um seine Freiheit.
Trump hat schlechte Karten
Bei einem Fall dieser Qualität kommt es im Normalfall erst zur Anklage, wenn die Staatsanwaltschaft sicher ist, dass es auch zu einer Verurteilung kommt. Man könnte auch sagen: Seit Monaten hat Sonderermittler Jack Smith einen der heikelsten Jobs in der Justizgeschichte der Vereinigten Staaten.
Bisher ist die Anklageschrift noch nicht öffentlich. Doch Trump dürfte in sieben Punkten der Prozess gemacht werden. Darin enthalten: das vorsätzliche Zurückhalten und der widerrechtliche Besitz von staatlichen Geheimdokumenten, Falschaussagen, konspiratives Verhalten und Behinderung der Justiz. Selbst von Manipulation von Zeugen ist die Rede.
100 Jahre Gefängnis?
Das Sammeln, Übermitteln oder Verlieren von Verteidigungsinformationen fällt in den USA unter den sogenannten „Espionage Act“ und kann mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden. Es ist möglich, dass dieser Straftatbestand auf jedes der betreffenden Dokumente einzeln angewendet wird. Trump wird vorgeworfen, Hunderte Dokumente illegal in seinem Privatdomizil Mar-a-Lago gelagert zu haben. Bei einer Verurteilung in allen Anklagepunkten drohen dem erklärten „Self-made“-Mann bis zu 100 Jahre Haft.
Für Trump beginnt nun ein Wettlauf gegen die Zeit. Sollte er noch vor den Präsidentschaftswahlen im November 2024 verurteilt werden, müsste er tatsächlich eine Gefängnisstrafe antreten. Laut Verfassung würde ihn zwar weiterhin nichts daran hindern, für das Weiße Haus zu kandidieren. Die Verurteilung hätte aber vor allem praktische Hürden: In einer Zelle lässt es sich schwer wahlkämpfen.
Was sagt die US-Verfassung?
Laut US-Verfassung müssen für eine Präsidentschaftskandidatur folgende Kriterien erfüllt werden:
- Die Person muss in den USA geboren sein.
- Die Person muss älter als 35 Jahre alt sein.
- Die Person muss in den vergangenen 14 Jahren in den USA gelebt haben.
Sein juristisches Team wird nun alles daransetzen, den Prozess hinauszuzögern. Sollte Trump tatsächlich gegen Joe Biden gewinnen, während der Prozess noch läuft, würde er als „Commander in Chief“ wieder Immunität genießen. Das US-Justizministerium könnte er zudem anweisen, die Bundesprozesse gegen ihn einzustellen.
Eine weitere Möglichkeit wäre, dass er sich selbst begnadigt. Das wäre aber politisch wie juristisch - wie so vieles im Fall Trump - absolutes Neuland. Experten sind hier uneins, ob das verfassungsrechtlich möglich wäre.
Der entscheidende Faktor Zeit
Der Faktor Zeit dürfte der Staatsanwaltschaft auch bewusst sein. Darum wird Trump der Prozess in Miami gemacht. Was ihm auf den ersten Blick in die Karten spielt, da seine MAGA-Bewegung im Bundesstaat Florida besonders viel Zulauf erhält. Bei den vergangenen Präsidentschaftswahlen sprachen sich hier mehr als 50 Prozent der Wahlberechtigten für Trump aus. Dementsprechend vorteilhaft dürfte die Jury-Zusammensetzung für den 76-Jährigen ausfallen.
Doch bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass der Standort auch aus zeit-taktischen Gründen gewählt wurde. Der südliche Gerichtsbezirk von Florida ist für seine raschen Verfahren bekannt. Innerhalb von sechs Monaten sei dort mit einem Urteil zu rechnen, berichtet der Fernsehsender ABC unter Berufung auf einen früher dort tätigen Staatsanwalt - und mehr Zeit dürfte der Vorgang auch nicht in Anspruch nehmen.
Denn Trump ist vor Richterbänken ein gefragter Mann. Der New Yorker Prozess wegen Dokumentenfälschungen im Zuge von Schweigegeldzahlungen könnte den Zeitplan von Sonderermittler Smith durcheinander wirbeln. Hier ist der Termin vor einem örtlichen bereits auf Ende März 2024 datiert. Trumps Anwälte könnten argumentieren, dass es unfair wäre, den zweiten Prozess sofort im Anschluss abzuhalten, weil die nötige Vorbereitungszeit fehlen würde.
Dass die Gangart besonders aggressiv ist, scheint ein Indiz, dass die Nervosität im Trump-Lager groß sein dürfte. Noch bevor die Anklage offiziell wurde, arbeitete Trump bereits an seiner Reinwaschung. Mit einem wütenden Video-Statement auf seiner Social-Media-Plattform „Truth Social“ versuchte er, die Deutungshoheit über sein Schicksal zu erlangen: „Ich bin ein unschuldiger Mann.“
Republikaner rufen zu Protesten auf
Die republikanische Parteispitze unterwirft sich zudem weiterhin - allen Anklagen zum Trotz - ihrem „Präsidenten“ und stellt ihn sogleich über das Gesetz. Der auf dem Papier mächtigste Republikaner Kevin McCarthy spricht von einem „traurigen Tag für die Vereinigten Staaten von Amerika“. Dabei legte er in einem Tweet fälschlicherweise nahe, dass Joe Biden persönlich hinter der Anklage stecke - und spricht damit der US-Justiz ihre Unabhängigkeit ab.
„Ich und jeder Amerikaner, der an die Rechtsstaatlichkeit glaubt, stehe an der Seite von Präsident Trump gegen diese schwere Ungerechtigkeit“, erklärte McCarthy. Auch der Verschwörungszirkel um die republikanische Abgeordnete Majorie Taylor Greene beschwört eine „Hexenjagd“ gegen ihren auserkorenen Heilsbringer Trump und ruft zu Protesten auf. Die Polizei in Florida wurde bereits in Alarmbereitschaft versetzt.
Bringt Sonderermittler Jack Smith Trump zu Fall?
Mit Trumps Anklage hat sich der Einsatz für die kommende US-Wahl bedeutend erhöht. Für Trump geht es mittlerweile um nichts anderes als die eigene Freiheit. Denn in Zukunft dürfte es wegen des Kapitolsturms zu einer noch fataleren Anklage kommen (siehe Grafik oben).
Und spätestens da wäre Schicht im Schacht. Laut einem Zusatzartikel der US-Verfassung dürfte niemand, der einen Eid auf die Verfassung geleistet und sich an einem Aufruhr oder einer Rebellion gegen diese beteiligt hat, Präsident werden. Und wie es der Zufall will, hört auch hier der Sonderermittler auf den Namen Jack Smith. Trumps Aussichten könnten kaum düsterer sein.
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