Outdoor-Apps als neue „Wanderfalle“: Immer öfter muss die Bergrettung Wanderer aus einer Notlage befreien, weil sie sich durch schöne Bilder und zweifelhafte Bewertungen in Apps und Internetforen verleiten lassen. Klaus Drexel von der Bergrettung Vorarlberg beschreibt die größten Gefahrenquellen.
„Eine Rettungsaktion in dieser Dimension haben wir noch nicht erlebt“, sagte Samuel Riezler, Ortsstellenleiter der Bergrettung im Kleinwalsertal, als er mit seinen Kollegen im vergangenen Jahr in Mittelberg 99 Schüler und acht Lehrer einer Schule in Rheinland-Pfalz retten musste. 66 Personen mussten dabei mittels Hubschrauber und Tau geborgen werden.
Der Weg, auf dem sie sich befanden, war schon seit Jahren zum Teil gesperrt. An seiner gefährlichsten Passage ist der Steig gerade einmal zwei Füße breit, flankiert von steil abfallendem Gelände - ohne Erfahrung und Kenntnis ist es also grob fahrlässig, sich dort zu bewegen. Die Lehrer hatten sich auf eine Bewertung eines Users auf einer Wander-Website verlassen, der den Weg als „klassische Feierabendrunde“ beschrieb. Die Kosten des Rettungseinsatzes beliefen sich auf rund 13.000 Euro.
Nur weil eine Seilbahn auf einen Berg führt, heißt das noch lange nicht, dass man oben keine ordentliche Ausrüstung braucht!
Klaus Drexel, Bergrettung Vorarlberg
Die Bergretter erwarten auch für den heurigen Sommer jede Menge Arbeit. Seit der Pandemie und dem Revival des Urlaubs in der Heimat haben die Einsatzzahlen deutlich zugenommen. Bereits im ersten Coronajahr stiegen die Alpinunfälle um rund 40 Prozent an. 2021 mussten zwischen Juni und September 571 Menschen gerettet werden - 370 davon mit dem Hubschrauber. Im vergangenen Jahr waren es noch mehr. 708 Personen gerieten am Berg in Notlage. 475-mal musste der Rettungshubschrauber ausrücken.
„App-seits“ der gesicherten Wege
„Durch die Nutzung von diversen Outdoor-Apps trifft man Leute auf Routen an, die in offiziellen Karten gar nicht verzeichnet sind“, ortet Klaus Drexel von der Bergrettung Vorarlberg eine bedenkliche Entwicklung. Mittels Apps oder in diversen Internetforen können User zudem Bewertungen und Erfahrungsberichte weitergeben. Diese sind aber immer subjektiv: „Was für den einen eine leichte Wanderung ist, kann für den anderen zur großen Herausforderung werden“, warnt Drexel.
Oftmals würden Wanderer auf Wege geleitet, die längst aufgelassen wurden. „Das ist natürlich gefährlich. Besonders dann, wenn völlig unerfahrene Leute Wege entlang wandern, die nicht gesichert sind und wo Markierungen und Gefahrenhinweise fehlen.“ Offizielle Routen verfügen über Wegweiser, es sind Gehzeiten angegeben und der Schwierigkeitsgrad.
Kein Gespür für die Risiken im Gebirge
Der „Klassiker“ für zweifelhaftes Verhalten am Berg sind Touristen, die mit Flipflops zwischen Felsen und Geröll herumlaufen. „Das hat es leider schon immer gegeben“, beklagt Drexel die Sorglosigkeit, mit der so manche Urlauber im alpinen Gelände unterwegs sind. „Nur weil eine Seilbahn auf einen Berg führt, heißt das noch lange nicht, dass man oben keine ordentliche Ausrüstung braucht!“
In den vergangenen Jahren hat auch die am stärksten wachsende Gruppe im Bereich des Freizeitsports die Berge erobert, nämlich jene der E-Biker. Die Krux an der Sache: Dank Elektromotor kommen auch Personen auf den Berg, die ohne Antriebshilfe nie dorthin gefunden hätten. Diese können folglich die lauernden Gefahren nur schwer einschätzen.
„Das E-Bike ist deutlich schwerer als normale Mountainbikes. Wenn es abwärts geht, nimmt man zum Teil enorme Geschwindigkeiten auf. Ist der Untergrund dann uneben und holprig, sind Unfälle vorprogrammiert.“ Und diese Unfälle enden meist mit schweren Verletzungen. „Denn als Biker hast du nicht viel Schutz um dich herum.“ Drexel begrüßt grundsätzlich die neuen Möglichkeiten, sich am Berg zu bewegen, gibt jedoch zu bedenken, dass das Terrain immer Bedacht und gewisse Vorkehrungsmaßnahmen voraussetze.
Um sich auf dem Berg richtig zu verhalten, muss man im Grunde nur einer Formel mit vier Buchstaben befolgen: „PEAK“ - Planung, Einschätzung, Ausrüstung, Kontrolle (siehe Factbox). „Planung ist das Um und Auf. Es macht einen Unterschied, ob ich auf den Pfänder gehe oder eine Hochgebirgstour im Silvrettagebiet unternehme.“
Selbstüberschätzung als Sicherheitsrisiko
Der größte Fehler neben mangelhafter Planung und der falschen Ausrüstung sei Selbstüberschätzung. „Wenn man sich zu viel vornimmt, passiert es häufig, dass man ermüdet. Die Konzentration lässt nach und dann knicke ich leichter um.“
PEAK steht für
P wie Planung: Was habe ich vor? Wo will ich hin?
E wie Einschätzung: Ist diese Wanderung für mich und meine Fähigkeiten geeignet?
A wie Ausrüstung: Habe ich das Richtige dabei?
K wie Kontrolle: Passt meine Vorbereitung zu den Gegebenheiten?
Zudem werde immer wieder unterschätzt, wie wichtig regelmäßiges Trinken und Essen sei. “Oft heißt es: Die Jause gibt es dann auf dem Berggipfel! Aber wenn ich bereits Durst und Hunger verspüre, ist es eigentlich zu spät." Werden diese Punkte - zusammen mit der richtigen Kleidung und Sonnenschutz - beachtet, steht dem Vergnügen am Berg nichts mehr im Weg.
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