Vieles spricht dafür, dass russische Besatzungstruppen den Kachowka-Damm zerstört haben, die Ukraine will jetzt auch einen Beweis dafür haben. Der ukrainische Inlandsgeheimdienst SBU veröffentlichte ein mitgeschnittenes Telefonat unter Soldaten, das belegen soll, dass russische Saboteure das Wasserkraftwerk und den Staudamm in der südukrainischen Oblast Cherson gesprengt haben. Seismologische Daten stützen diesen Vorwurf.
In der eineinhalb Minuten dauernden Tonaufnahme sprechen zwei Männer auf Russisch über die Folgen des geborstenen Damms. „Sie (die Ukrainer) haben ihn nicht getroffen. Das war unsere Sabotagegruppe“, sagt einer der Männer. Er wird vom SBU als russischer Soldat beschrieben. Man habe Schrecken verbreiten wollen. „Es lief nicht nach Plan, und sie haben mehr getan, als sie geplant hatten.“
Anlage wird von Russen kontrolliert
Der Mann fügt hinzu, dass Tausende Tiere in einem Safaripark flussabwärts verendet seien. Der andere Gesprächsteilnehmer zeigt sich überrascht über die Darstellung, dass russische Truppen das Wasserkraftwerk und den Damm zerstört haben sollen. Die Anlage ist unter Kontrolle russischer Truppen. Wegen der durch die Zerstörung ausgelösten Überschwemmungen mussten Tausende Menschen aus den betroffenen Gebieten am Fluss Dnipro fliehen.
Der Telefonmitschnitt wurde unter anderem auf YouTube veröffentlicht. Die Authentizität konnte bisher nicht überprüft werden.
Russland und die Ukraine machen sich gegenseitig für die Zerstörung verantwortlich. Zu dem von der Ukraine vorgelegten Mitschnitt hat sich der Kreml noch nicht geäußert. Die Sachlage - der militärische Nutzen und die Vorgangsweise bei der Sprengung - deutet darauf hin, dass Russland hinter der Zerstörung steckt, wie zuletzt Bundesheer-Generalmajor Günther Hofbauer am Freitagabend in der „ZiB 2“ erklärte.
„Sind sicher, dass es eine Explosion gab“
Es liegen immer mehr Indizien dafür vor, dass der Staudamm bewusst zerstört wurde und nicht aufgrund von Schäden durch vorherige Bombardierungen nachgab. Das norwegische seismologische Institut Norsar stellte eine Explosion am Staudamm zum Zeitpunkt seiner Zerstörung fest. „Wir sind sicher, dass es eine Explosion gab“, sagte Norsar-Chef Ben Dando der Nachrichtenagentur AFP am Freitag.
Nach Angaben des unabhängig arbeitenden Instituts ereignete sich die Explosion am Dienstag um 02.54 Uhr Ortszeit in einem Gebiet, dessen Koordinaten sich mit denen des Staudamms am Fluss Dnipro decken. Die Stärke der Detonation habe „zwischen 1 und 2“ gelegen. „Das ist keine leichte Explosion“, erklärte Dando. Das Ereignis sei von der Bukowina-Messstation in Rumänien festgestellt worden, die etwa 620 km vom Ort der Explosion entfernt liegt.
„Von Putin entschieden“
Der Sekretär des Rats für nationale Sicherheit und Verteidigung, Oleksij Danilow, verglich die Zerstörung des Staudamms angesichts der katastrophalen Folgen mit dem „Einsatz einer taktischen Atomwaffe“. Er machte im ukrainischen Radio Kremlchef Wladimir Putin persönlich für das Kriegsverbrechen verantwortlich. „Solche Entscheidungen werden nur im Kreml getroffen und nur von Putin“, sagte Danilow. Auch die Folgen für Russland seien katastrophal, weil das Land für die Schäden werde bezahlen müssen.
Infolge der Überschwemmungen sind nach ukrainischen Angaben vier Menschen in der Region Cherson ums Leben gekommen. 13 Personen würden noch vermisst, teilte Innenminister Ihor Klymenko auf Telegram mit. 2412 Menschen seien in Sicherheit gebracht worden. Die Lage für Tausende Menschen bleibt aber bedrohlich. Die Vereinten Nationen sprachen am Freitag von mindestens 17.000 Menschen, die vom Dammbruch betroffen sind - es könnten auch bis zu 40.000 sein, hieß es in Genf.
Wasserstand sinkt
Nach ukrainischen Behördenangaben beginnt der Wasserstand in Teilen der betroffenen Gebiete unterdessen zu sinken. 35 Siedlungen auf der rechten Seite des Flusses Dnipro seien noch überflutet, mehr als 3.700 Häuser stünden unter Wasser, „aber das Wasser geht allmählich zurück“, erklärte Oleksandr Prokudin, Chef der ukrainischen Militärverwaltung in der Region Cherson, am Freitag.
Der Wasserstand in der Region sei im Laufe des Freitags von durchschnittlich rund 5,4 Metern auf nahezu fünf Meter gesunken, fuhr Prokudin fort. Sein Kollege in der Region Mykolajiw, Vitali Kim, gab ebenfalls an, dass der Pegel dort absinke.
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