Kiews Gegenoffensive

Selenskyj: „Harter Kampf, aber Sieg wird kommen!“

Ukraine-Krieg
13.06.2023 19:14

Bringt die ukrainische Gegenoffensive eine Wende im Krieg? Die Meinungen gehen weit auseinander. Während der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj seinem Land den „Sieg“ verspricht und seine Streitkräfte immer wieder stolz die blau-gelbe Flagge in den von der russischen Besatzung befreiten kleinen Ortschaften hissen, hebt Russlands Präsident Wladimir Putin den hohen Verlust von Kampffahrzeugen der ukrainischen Armee hervor. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hofft unterdessen darauf, dass die Gegenoffensive Russland an den Verhandlungstisch zwingen wird. 

Nach Darstellungen Kiews habe die Ukraine sechs Dörfer im Gebiet Donezk und einem Ort im Gebiet Saporischschja zurückerobert: „Mehr als 90 Quadratkilometer insgesamt.“ In der Nähe der südlichen Hafenstadt Berdjansk habe man eine Fläche von insgesamt drei Quadratkilometern befreit.

„Wir glauben an den Sieg“
Es seien die ersten psychologisch wichtigen „Erfolge“, die Selenskyj am Dienstag verkündete. Kämpferisch verspricht er: „Wir glauben an den Sieg, er wird kommen!“

Regen stoppt schweres Militärgerät
Selenskyj macht auch klar, dass weder Raketen noch die Flut durch die Zerstörung des Staudamms im umkämpften Gebiet Cherson die Ukraine von ihrer Großoffensive abbringen werde. Deren Hauptteil hat dem Vernehmen nach noch nicht begonnen. Selenskyj spricht von einem „harten Kampf“ - auch weil Regen im Moment die Böden aufweicht. Schweres Militärgerät kommt so kaum voran.

Ukrainische Soldaten bei Saporischschja (Bild: AFP)
Ukrainische Soldaten bei Saporischschja

Zwar liegt die Initiative nach tagelangen Offensivhandlungen des ukrainischen Militärs ganz klar bei Kiew, Moskau und die russische Armee sind in der Defensive. Aber noch sind Kiews Truppen nach Einschätzung von Experten auch nicht an die Hauptverteidigungslinie der Russen vorgedrungen. Die Ukraine versucht, mit taktischen Operationen in dem verminten Gebiet an die gut gesicherten Linien der Russen vorzustoßen und Schwachstellen zu finden, um dort einzubrechen.

(Bild: AFP)

US-Experten: „Von einem Durchbruch kann keine Rede sein“
Von einem Durchbruch könne bisher aber keine Rede sein, stellen Experten des US-Instituts für Kriegsstudien (ISW) fest. Erschwert würden die ukrainischen Vorstöße auch durch die russische Dominanz im Luftraum. Die Ukrainer erlitten Verluste gegen einige „der am besten vorbereiteten russischen Streitkräfte“, heißt es in der ISW-Analyse. „Das russische Militär bleibt gefährlich, und die ukrainischen Truppen sehen sich einem harten Kampf ausgesetzt.“ Trotzdem sei die Front - nach russischen Angaben 815 Kilometer lang - nicht überall gleich stark gesichert.

Der russische Präsident Wladimir Putin dementierte indes ukrainische Erfolge. In keinem Bereich sei die Ukraine erfolgreich gewesen, ihre Truppen hätten große Verluste hinnehmen müssen, sagte er am Dienstag. Er gehe davon aus, dass die ukrainische Armee bei der Offensive bis zu 30 Prozent der vom Westen gelieferten Kampffahrzeuge verloren habe.

Russlands Präsident Wladimir Putin (Bild: AFP)
Russlands Präsident Wladimir Putin

Putin: „Verluste der Ukraine zehnmal so hoch wie auf russischer Seite“
Die Verluste der Ukraine seien zehnmal so hoch wie auf russischer Seite. Nach seinen Angaben haben russische Einheiten 50 Panzer in den Kämpfen verloren, die Ukrainer dagegen über 160. Eine Verhängung des Kriegsrechts in Russland oder eine neue Mobilmachung bezeichnete Putin als nicht nötig. Aus dem russischen Verteidigungsministerium hieß es, die ukrainischen Angriffe bei Bachmut seien erfolgreich abgewehrt worden. 

Kiew: „Brauchen viel mehr westliche Kampfpanzer“
Die Ukraine macht indes deutlich, dass sie auch angesichts von ersten Verlusten etwa bei den von Deutschland gelieferten Panzern weitere Unterstützung und vor allem Nachschub braucht, um Erfolg zu haben. „Die ukrainische Armee braucht am dringendsten viel mehr westliche Kampfpanzer, Schützenpanzer und weitere gepanzerte Fahrzeuge“, sagte Kiews Vizeaußenminister Andrij Melnyker dem „Tagesspiegel“. 

NATO-Chef: „Ukrainische Offensive noch in Anfangstagen“
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hofft unterdessen darauf, dass die laufende ukrainische Gegenoffensive Russland an den Verhandlungstisch zwingen wird. „Je mehr Land die Ukrainer gewinnen, desto wahrscheinlicher ist es, dass Putin verstehen wird, dass er sich an den Verhandlungstisch setzen muss“, sagte Stoltenberg dem TV-Sender CNN am Dienstag. Die ukrainische Offensive befinde sich aber noch in ihren „Anfangstagen“ und sei „schwierig“.

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