In den letzten vier Jahren erlebt Queens Of The Stone Age-Frontmann Josh Homme einen Tiefschlag nach dem anderen. Das achte Studioalbum „In Times New Roman...“ ist in Klang gegossener Schmerz mit neuen Facetten. Aus diesem Werk heraus kann es eigentlich nur noch bergauf gehen.
Nein, ein einfacher Typ war Josh Homme nie. Zeit seines Lebens pendelte der Kalifornier zwischen Genialität und Skandalträchtigkeit, zwischen Gut und Böse. Mit seiner ersten Band Kyuss schuf er schon als später Teenager Stoner-Rock-Geschichte, er arbeitete von Rob Halford über Dave Grohl und Iggy Pop bis hin zu Run The Jewels mit den größten Künstlern der Welt zusammen und trägt sich mit seinen Queens Of The Stone Age seit gut 25 Jahren in die Annalen der Rockhistorie ein. Gemeinsam mit den Foo Fighters sind QOTSA so etwas wie die letzte Rock-Phalanx in einer von elektronischen Klängen und Hip-Hop-Beats dominierten Popkultur. Wenn man den grassierenden Retro-Hype von Måneskin wegrechnet, denn die Arctic Monkeys haben sich gen Dandy-Sound verabschiedet, die Strokes kommen nicht mehr richtig in die Gänge und zukunftsträchtige Bands wie Royal Blood konnten ihre famosen Debütalben nie adäquat bestätigen.
Vier Seuchenjahre
Dann muss es eben der rothaarige Homme richten, der in den letzten Jahren aber ordentlich aus dem Tritt kam. Dass er gerne tief in die hochprozentigen Gläser und Flaschen schaut, ist hinlänglich bekannt, war aber längst nicht mehr das Hauptproblem. Mitunter trat er Fotografinnen von der Bühne aus ins Gesicht, lieferte sich mit Ex-Frau Brody Dalle eine medial inszenierte Gerichtsschlammschlacht, die nur aufgrund der höheren Prominenz von Johnny Depp und Amber Heard von ebenjenen übertroffen wurde und besiegte 2022 nach einer Operation sogar einen nicht näher definierten, bislang unbekannten Krebs, wie er in seinem bislang einzig großen Interview seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie mit dem „Revolver“-Magazin zugab.
Dort ist auch von den „dunkelsten vier Jahren“ seines Lebens die Rede. Im März 2023 gab er bekannt, dass er nun das alleinige Sorgerecht für seine drei Kinder habe, Mutter Dalle darf den jüngsten Sohn nur unter Auflagen sehen. Wie in diesen Tagen üblich war die Social-Media-Vorverurteilung am schnellsten und Hommes Psyche trug bei all dem Tamtam mit Sicherheit noch weitere Schäden davon. Mit Therapien habe er es versucht, sich dann aber doch immer wieder in die Musik geflüchtet. Mit seinem stabilsten und längsten Line-Up der QOTSA-Geschichte, drei Mitglieder sind seit 2007, Drummer Jon Theodore seit 2013 an Bord, verschanzte er sich in seinen Punk Duck Studios, um all den Frust und Ärger wegzuriffen. Der Großteil der Songs auf dem achten Studioalbum „In Times New Roman…“ stand bereits im Herbst 2021, doch Homme brauchte ein ganzes weiteres Jahr, um sie auch einzusingen.
Den Sound erarbeiten
Die harten Jahre samt mentaler Ausnahmesituation sind hauptverantwortlich dafür, dass QOTSA ihren eingeschlagenen Pfad der Lockerheit verlassen haben. „…Like Clockwork“ (2013) klang noch nach hartem Aufbruch und „Villains“ (2017) war gar von tanzbarer Lockerheit durchzogen. Nicht umsonst firmiert das Werk auf Wikipedia unter der Subsparte „Boogie Rock“. Es klingt zwar nicht wie Status Quo, lud aber ähnlich konsequent zum Luftgitarrespielen und Hüftenwackeln ein. Ganz anders verhält es sich bei „In Times New Roman…“. Schon die erste Single-Auskoppelung „Emotion Sickness“ spaltete langjährige Fans und treue Wegbegleiter. Die einen mokierten sich über eine ungewohnt unzugängliche Sperrigkeit, andere bejubelten die offen zur Schau gestellte 70er-Rock-Ästhetik, die der Band auch nach vielen Jahren des Bestehens eine neue Klangfarbe beifügte. Gerade in der ersten Hälfte des Albums haben sich ein paar schwere Brocken eingeschlichen, die man sich erst hart erarbeiten muss.
Der Opener „Obscenerey“ kann sich nicht zwischen Hommes Stoner-Rock-Vergangenheit und einer Alt-Rock-Verbeugung entscheiden, das fuzzig startende „Negative Space“ verliert sich trotz prägnanter Riffs mit fortlaufender Spieldauer in Beliebigkeit und bei „Time & Space“ konterkariert man eine sommerliche 60s-Atmosphäre mit dissonant bratenden Gitarren. Rhythmen und Hooklines nehmen keinen großen Raum ein, nur das sich für einen Live-Show-Opener anbietende „Paper Machete“ erinnert mit seiner Leichtfüßigkeit an die direkten Vorgänger. Nun war es gewiss nicht Hommes Anspruch, in seiner Lebensrealität auf fröhliche Atmosphäre zu setzen, doch die Langatmigkeit eines Songs wie „Made To Parade“ ist fast schon schmerzhaft. Eine solche Nummer hätten QOTSA vor 15 Jahren noch nicht einmal als B-Seite verwendet. Mit der Jam-lastigen 70s-Rock-Verbeugung „Carnavoyeur“ (sie merken, Homme hatte wieder große Lust auf Wortspiele) biegt „In Times New Roman…“ aber doch noch spät in ein versöhnliches Finish ein.
Auf zu neuen Ufern
Neben „Emotion Sickness“ sticht vor allem das sludgige „Sicily“ heraus, das von einem prägnanten Basslauf bestimmt wird und immer wieder monarchisch-schöne Melodiebögen aufweist. Wie selten zuvor gelingt es der Band mit extrem reduzierter Instrumentierung, die hohe und bewusst fragil eingesetzte Stimme Hommes zu einem wühlenden Klang-Mahlstrom zu verknüpfen. Ähnlich wie die Foo Fighters beenden auch QOTSA ihre Platte mit einem überlangen Meisterstück. Das neunminütige „Straight Jacket Fitting“ versucht sich in einer staubige Hymnenhaftigkeit und kommt den schlankeren Vorgängeralben noch am nächsten. Vielleicht ein bewusst gewähltes Statement und ein Ausblick darauf, dass beim nächsten Werk wieder mehr Lichtstrahlen in Hommes Leben scheinen. Die Düsternis auf „In Times New Roman…“ steht ihm auch gut, kann aber nicht mit der Qualität der letzten Alben mithalten. Im Herbst folgt übrigens eine Tour - Österreich-Termin ist wieder einmal keiner dabei.
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