Mittelmeer-Drama
Kinder und Frauen schafften es nicht mehr an Deck
Neun Männer sind nach der Schiffskatastrophe vor Griechenland festgenommen worden. Überlebende berichten von einer Massenpanik an Bord - und von Frauen und Kindern, die es offenbar nicht mehr an Deck geschafft haben.
Nach dem Untergang eines Schlepper-Schiffs im Mittelmeer haben die griechischen Behörden einem Insider zufolge neun Personen festgenommen.
Wie der staatliche Rundfunk (ERT) am Donnerstagabend berichtete, wird den aus Ägypten stammenden Männern unter anderem die Bildung einer kriminellen Organisation vorgeworfen. Sie sollen dem Staatsanwalt der Hafenstadt Kalamata vorgeführt werden. Dieser werde entscheiden, wie es weitergehe.
Es wird befürchtet, dass beim Untergang des Fischkutters am Mittwoch rund 50 Seemeilen südwestlich der griechischen Halbinsel Peloponnes Hunderte Migranten ums Leben gekommen sind. Die Küstenwache konnte 104 Menschen retten. Die Befragung der Überlebenden durch Ermittler der Küstenwache dauert an.
Frauen und Kinder unter Deck vermutet
Doch die Schilderungen der Geretteten zeichnen ein Bild des Grauens. Der britische Sender „BBC“ zitiert beispielsweise einen Arzt aus Kalamata, wo die Menschen hingebracht wurden: „Die Überlebenden berichten uns, dass im Inneren des Schiffs Kinder gewesen seien. Kinder und Frauen“, so Manolis Makaris.
Sie seien unter Deck zusammengepfercht gewesen. Die Angaben würden zwischen 50 und 100 liegen, berichtet der Arzt in Bezug auf die Anzahl der Kinder. Aufnahmen der griechischen Küstenwache zeigen das Fischerboot vor dem Untergang. Das Deck ist komplett voller Menschen, die Innenräume sind aber nicht zu erkennen.
Um es einfach auszudrücken: Sie sind schwimmende Särge.
Nikos Spanos, pensonierter Admiral der Küstenwache, über den Fischkutter
Medienberichten zufolge soll es an Bord zur Massenpanik gekommen sein, als die Maschinen des alten Kutters ausfielen.
Das übervolle Schiff sei daraufhin aus dem Gleichgewicht gekommen, gekentert und sofort gesunken. Überlebende gaben an, dass viele Passagiere nicht schwimmen konnten und kaum jemand eine Schwimmweste trug. Die Menschen unter Deck - wo sich offenbar Frauen und Kinder aufhielten - hätten sich nicht ins Freie retten können.
Den Großteil der Passagiere scheint der rostige, gut 30 Meter lange Fischkutter mit sich in die Tiefe gerissen zu haben. Nikos Spanos, ein pensionierter Admiral der griechischen Küstenwache, erklärte dem Sender „ERT“: „Wir haben solche alten Fischerboote schon in Libyen gesehen. Sie sind überhaupt nicht seetüchtig. Um es einfach auszudrücken: Sie sind schwimmende Särge.“
Die verzweifelte Suche von Hinterbliebenen
In der griechischen Hafenstadt Kalamata spielen sich derweil tragische Szenen ab. Viele der 104 überlebenden Migranten suchen nach ihren Angehörigen. Verzweifelt halten sie den Hilfskräften Handyfotos der Betreffenden vor, meist ohne Erfolg.
Am Donnerstag trafen auch aus anderen Staaten Europas Verwandte der Vermissten ein. Sie versuchten von den Behörden und den Überlebenden ebenfalls etwas über das Schicksal ihrer Angehörigen zu erfahren, berichteten Reporter vor Ort.
Nach neuesten Erkenntnissen sei der Fischkutter vor einigen Tagen aus Ägypten gestartet, habe dann einen Stopp im libyschen Tobruk gemacht und weitere Menschen aufgenommen. Danach nahmen die Schlepper Kurs auf Italien.
Kritik an griechischer Küstenwache
Doch bereits Stunden vor dem Untergang des Schiffs sind auf veröffentlichten Luftaufnahmen verzweifelte Menschen auf dem Oberdeck des Schiffes zu erkennen, die offenbar mit ausgestreckten Armen um Hilfe rufen. Dennoch griff die Küstenwache zu diesem Zeitpunkt nicht ein. Hilfe sei abgelehnt worden, behaupten griechische Offizielle.
Ein Netzwerk von Aktivisten gab jedoch an, dass sie während dieser Zeit wiederholt Notrufe von dem Schiff erhalten haben. Der griechische Abgeordnete Kriton Arsenis sprach nach eigenen Angaben mit Überlebenden, die behaupten, das Schiff sei kurz vor dem Untergang von der griechischen Küstenwache abgeschleppt worden, was die Behörde bestreitet. Sie hätten den Kutter „begleitet“.
Dem Vernehmen nach haben die Passagiere zwischen 5000 und 6000 Euro für ihre Fahrt in den Tod gezahlt.
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