Der Rechnungshof (RH) übt Kritik am Vorgehen der Regierung bei der Beschaffung von Covid-19-Impfstoffen. So sei zunächst „freiwillig“ auf Impfdosen verzichtet worden. Die spätere Bestellmenge über dem nach der Einwohnerzahl vorgesehenen Kontingent habe dagegen möglicherweise zu einem „Verwurf“ von Impfstoff geführt, heißt es in einem aktuellen Sonderbericht. Das Gesundheitsministerium weist in einer ersten Reaktion auf eine Neuausrichtung der Beschaffung hin.
Das Gesundheitsministerium bestellte zu Beginn der Impfstoffbeschaffung im Jahr 2020 weniger Impfdosen, als Österreich laut EU-Verteilungsschlüssel zugestanden wären. Konkret waren es bis zum 30. Juni 2021 rund 24,3 Millionen Covid-19-Impfdosen, was die „hypothetisch mögliche Bestellmenge“ um rund 3,4 Millionen Impfdosen, also um zwölf Prozent unterschritten habe, wie aus dem Bericht hervorgeht.
Durchimpfungsrate bei Erstgeimpften hätte höher liegen können
Die „Auswirkungen des freiwilligen Verzichts auf Covid-19-Impfstoffe durch die Bundesregierung“ auf die Durchimpfungsrate in Österreich berechnete der RH in zwei Varianten. Demnach hätte sich die Durchimpfungsrate der Erstgeimpften zum 30. Juni 2021 von 53,6 Prozent auf 56,9 bzw. 56,2 Prozent erhöht. Die Rate bei den Zweitgeimpften hätte laut den Berechnungen des RH zu diesem Zeitpunkt von 35,3 Prozent auf 37,4 bzw. 37,0 Prozent erhöht werden können.
Inwieweit diese „hypothetisch erzielbaren“ höheren Durchimpfungsraten medizinische, volkswirtschaftliche und gesellschaftliche Auswirkungen auf die Pandemiebewältigung gehabt hätten, sei „im Lichte der nicht klar quantifizierbaren Effekte auf die Immunisierung, auf die Dauer des Impfschutzes, auf die Risikominimierung für (schwere) Krankheitsverläufe und auf die Anzahl der Hospitalisierungen letztlich unklar“ geblieben, so der Rechnungshof.
Verpflichtungen von mehr als einer Milliarde Euro
Ab Oktober 2021 bis Ende Februar 2022 bestellte das Gesundheitsministerium dann im Gegensatz zur Anfangsphase rund 15 Millionen Impfdosen über dem Bevölkerungsschlüssel. Insgesamt wurden bis Februar 2022 rund 70 Millionen Covid-19-Impfdosen angekauft - und das bei rund 8,9 Millionen Einwohnern, hielt der RH fest. Der Gesamtkostenrahmen und damit der Handlungsspielraum für die Covid-19-Impfstoffbeschaffung wurde zwischen Juli 2020 und Juli 2021 von „bis zu 200 Millionen Euro“ auf „bis zu 1,252 Milliarden Euro“ erhöht. Bis Februar 2022 ging das Gesundheitsministerium Verpflichtungen von 1,085 Milliarden Euro ein.
RH empfiehlt Ministerium die Schaffung von klareren Regeln
Der Rechnungshof empfahl dem Ministerium daher unter anderem, die Zuständigkeiten für die Impfstoffbeschaffung klar zu regeln und bei künftigen Vorhaben zeitgerecht einen „nachvollziehbaren Gesamtkostenrahmen vorzubereiten“ sowie Maßnahmen zu setzen, um den Ablauf der Mindesthaltbarkeit von Covid-19-Impfstoffen bzw. die Entsorgung solcher Impfstoffe soweit wie möglich zu vermeiden. Positiv sah der RH, dass es eine gemeinsame EU-weite Impfstoffbeschaffung gegeben habe, ab Juni 2021 in Österreich genügend Impfstoff vorhanden gewesen sei sowie die verschiedenen Impfstofftechnologien und -hersteller zur Risikostreuung.
Ministerium kontert der Kritik
Das Gesundheitsministerium wies in Reaktion auf den RH-Bericht darauf hin, dass die Impfstoffbeschaffung bereits im vergangenen Jahr neu aufgestellt worden sei und man „aus eigenem Antrieb“ jene Maßnahmen gesetzt habe, die der Rechnungshof nun empfehle. Dazu zählten detailliertere Bedarfsrechnungen auf Basis des bisherigen Verbrauchs, zusätzliche Transparenz beim Nationalen Impfgremium und bei den Entscheidungen des Ministerrats sowie eine verstärkte Weitergabe von Impfstoffen an Drittstaaten.
Die „hohen Bestellmengen in den Jahren 2020 und 2021“ seien großteils der weltweiten Unsicherheit über die Entwicklung der Pandemie geschuldet gewesen, hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme. Auch die europaweite laufende Anpassung der Impfempfehlungen habe die Berechnung des Bedarfs erschwert.
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