VALIE EXPORT

Erinnerungen sind eine Tapete für die Zukunft

Kunst
18.06.2023 06:00

Am 23. Juni eröffnet die große VALIE-EXPORT-Retrospektive in der Wiener Albertina - die „Krone“ hat mit der Pionierin der Kunst über ihr eindrucksvolles Schaffen gesprochen.

Eine Retrospektive, eine Rückschau - die ist bei VALIE EXPORT, die mit ihrer Kunst so oft ihrer Zeit voraus war und die Utopie stets vor Augen hatte, auch immer ein Blick in die Zukunft. „Retrospektive ist auch eine Art Perspektive, es geht ja weiter. Aus diesem Arbeiten entstehen immer neue. Für mich gibt es kein Retro“, bekräftigt sie. „Natürlich habe ich viele Erinnerungen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, nur in der Vergangenheit zu leben. Erinnerungen sind für mich eine Tapete für die Zukunft.“

VALIE EXPORT beim „Krone“-Interview in der Albertina. (Bild: Reinhard HOLL)
VALIE EXPORT beim „Krone“-Interview in der Albertina.
VALIE EXPORT beim „Krone“-Interview mit Franziska Trost in der Albertina. (Bild: Reinhard HOLL)
VALIE EXPORT beim „Krone“-Interview mit Franziska Trost in der Albertina.

Eine Tapete, die die 83-Jährige im „Krone“-Interview doch aufrollt - um zurückzublicken auf die Zeit, als sie in den 60er-Jahren als geschiedenen Frau von Linz nach Wien kam. Und die männerdominierte Kunstwelt so richtig aufrüttelte!

Um sich ihren Raum in dieser Kunstszene zu schaffen, wählte sie eine ganz eigene, bahnbrechende Ausdrucksweise. „In der Malerei war ja schon so viel geschehen, das wollte ich nicht wiederholen. Also habe ich mich für die Neuen Medien entschieden. Die Videokunst war damals für alle neu, ein völlig unbesetztes Medium.“

„Ich wollte meinen ganz eigenen Namen tragen“
Aus Waltraud Lehner, verheiratete Höllinger, wurde die Künstlerin VALIE EXPORT. „Ich wollte nicht den Namen meines Vaters oder den meines geschiedenen Mannes tragen, sondern meinen ganz eigene“, erinnert sie sich. „Und als Künstlerin wollte ich meine Ideen aus mir heraus exportieren, um sie sichtbar zu machen.“ Zu ihrem ikonischen Markenzeichen für diese Wandlung wurde die umgestaltete „Smart Export“-Zigarettenpackung. Unter den berühmten Slogan „Sempre et ubique“ (immer und überall) und das „Made in Austria“ fügte sie ihr rebellisches Porträtfoto ein. „So habe ich meinen Namen geprägt - das war schon damals wie eine Art Brand.“

Der Beginn einer Weltkarriere
Nie hätte sie geahnt, dass es der Beginn einer Weltkarriere sein würde, die sie zu einem der erfolgreichsten Kunstexporte Österreichs machen sollte. „Das Packerl liegt heute im Museum of Modern Art in New York.“ Und die Tabakfabrik, in der einst die „Smart Exports“ vom Band liefen, beherbergt mittlerweile das VALIE-EXPORT-Archiv.

Pionierarbeit in der Kunstwelt
VALIE EXPORT leistete Pionierarbeit, entlarvte patriarchalische Strukturen und entwarf einen völlig neuen Blick auf den weiblichen Körper - in ihren Fotografien, Filmen, aber auch spektakulären feministischen Performances. Wie die „Aktionshose: Genitalpanik“ z. B. oder das berühmte „Tapp und Tastkino“ von 1968, bei dem sie Passanten für jeweils 33 Sekunden ihre nackten Brüste in einer Box, ihrem „Kino“, berühren ließ. „Die Rezeption war sehr zwiespältig, manche haben gelacht, manche konnten es nicht glauben und nur wenige haben sich getraut, den ,Kinosaal ́ zu betreten“, erinnert sie sich. „Keiner wusste, was er passieren würde, nicht ich, nicht der Besucher. Auf den Fotos sieht man, dass wir uns in die Augen schauen. Und Kino hat ja etwas mit dem Blick zu tun. In diesem Fall waren die Augen des anderen die Leinwand. Es waren ganz zarte Momente, die Besucher waren zögerlich, sanft, es gab kaum Berührungen. Das war auch für mich sehr spannend, weil ich es nicht erwartet hatte.“

Frauen waren in der Kunst einfach nicht präsent
Pionierarbeit leistete sie nicht nur mit ihrer Kunst, sondern auch für die Rolle der Frau in der Kunstwelt an sich. 1975 organisierte sie „Magna.“, die erste reine Frauenausstellung in der Galerie nächst St. Stephan. „Schon um 1970 kam mir die Idee, Künstlerinnen auszustellen, weil sie untergegangen sind, sie waren in der Kunst einfach nicht präsent“, erzählt sie. „Sogar wenn ich meine eigenen Filme gezeigt habe und anschließend mit anderen Filmemachern auf der Bühne gestanden bin, dann hat das Publikum die Männer über meine Arbeit befragt, nicht mich. Gegen diese Ungleichheit wollte ich etwas tun.“ Leichter gesagt, als getan. Jahrelang wurde sie mit ihrem Konzept bei Museen und Galerien vorstellig und hörte immer nur: „Wenn interessiert das.“

Die Menschen standen Schlange
Als „Magna.“ dann endlich eröffnen konnte, da „war die Rezeption ausgezeichnet, vor der Türe standen die Menschen Schlange.“ Heutzutage, so resümiert VALIE EXPORT, sei es für Frauen schon besser geworden. „Es hat sich etwas geändert, aber bei Weitem noch nicht genug in Österreich - was möglich wäre, wenn wir die richtige Politik hätten.“

 

Viele noch nie gezeigte Werke
Ihre wichtigsten Werke halten nun Einzug in die große Retrospektive in der Albertina. Wichtig ist für VALIE EXPORT aber noch etwas: „Wir haben viele Werke ausgewählt, die überhaupt noch nie oder noch nie in Österreich gezeigt wurden.“ Den Fotoraum z. B., bei dem die Wände der Galerie quasi aufgebrochen werden und offenbart wird, was außerhalb ist. Und noch nie ausgestellte Körperkonfigurationen sowie konzeptuelle Fotografiearbeiten. „Es gibt viel zu entdecken“, verspricht VALIE EXPORT - damit dieser Blick zurück eben immer auch ein neuer ist. 

Die VALIE-EXPORT-Retrospektive findet von 23. Juni bis 1. Oktober in der Wiener Albertina statt. 

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