Türkei, Westbalkan, „arabischer Raum“, Nordkaukasus - im Rahmen einer Studie verschaffte man sich ein „Lagebild“ über die Extremismusgefahr in den vier großen Zuwanderer-Szenen in ganz Österreich.
„Wie entsteht Extremismus bei Personen mit Migrationshintergrund? Wie manifestiert sich dieser in den österreichischen Communitys?“ - so die Hauptfragen, die das Bundeskanzleramt sowie das Innenministerium beantwortet haben wollten. Weswegen man den renommierten Extremismusforscher Peter Neumann und das Expertenteam aus Nicolas Stockhammer, Heiko Heinisch und Nina Stolz für eine Studie beauftragte.
Im Zuge dessen wurden vier große Zuwanderer-Szenen monatelang unter die Lupe genommen wurden. Das Ergebnis zeigt Folgendes:
Türkische Community
„Moderates Radikalisierungspotenzial“: Laut Studie seien keine dschihadistischen Strömungen erkennbar. Auch wenn der allergrößte Teil der Community gut integriert ist, gibt es dennoch extremistische Orientierungen sowie islamistische und nationalistische Akteure, die das Potenzial haben, negativ auf die Gesellschaft einzuwirken. Diese Extremismusformen richten sich aber hauptsächlich nach „innen“ - also gegen kurdische, armenische sowie alevitische Bevölkerungsgruppen oder politische Konkurrenten.
Arabische Zuwanderer
„Erhebliche Extremismus-Gefahr“: Aufgrund der großen Zahl an jungen und schlecht integrierten Männern und der Präsenz islamistischer Akteure und dem nach wie vor starken Einfluss politischer ausländischer Konflikte.
Extremismus ist auf das Schärfste zu verurteilen. Es braucht Anstrengungen auf mehreren Ebenen, um dagegen anzukämpfen.
Integrationsministerin Susanne Raab
Bild: Michael Indra/SEPA.Media
Tschetschenen-Szene
„Hohes Radikalisierungspotenzial“ - was die Experten mit deutlichen Abschottungstendenzen und einer teils gewaltaffinen Ehrkultur begründen. Obwohl es nach dem Schock der hohen Zahl an Ausreisen tschetschenischer Dschihadisten in den Syrienkrieg innerhalb der Community Bemühungen gegeben habe, Extremismus zu bekämpfen, steht man heute weiterhin vor großen Herausforderungen.
Westbalkan-Community
„Geringe Extremismus-Gefahr“: Die Szene sei sehr gut in die Gesellschaft integriert, macht vergleichsweise sehr wenige Ausgrenzungserfahrungen im täglichen Leben und verfügt zudem über szeneinterne „Schutzfaktoren“, die es den Extremisten schwer machen.
Für einen wirkungsvollen Schutz braucht es neben enger Kooperation mit der Forschung vor allem moderne Befugnisse!
Innenminister Gerhard Karner
Bild: APA/EVA MANHART
„Kampf gegen Extremismus ist eine Daueraufgabe“
„Die Studie verdeutlicht, dass der Kampf gegen Extremismus eine Daueraufgabe ist und nicht ,geschafft‘ ist, bloß weil es mal ein paar Monate keinen Terroranschlag im eigenen Land gegeben hat“, hebt Studienleiter Peter Neumann warnend den Finger.
Einflüsse aus dem Ausland entscheidend
Und erklärt weiters: „Natürlich ist Extremismus nicht ausschließlich ein Problem von Migrationscommunitys. Aber es ist innerhalb dieser Szenen anders gelagert - nicht zuletzt, weil nachweislich entscheidende Einflüsse aus dem Ausland kommen. Was durch unsere Beobachtungen deutlich zu erkennen war.“
Der Kampf gegen Extremismus ist eine Daueraufgabe und nicht ,geschafft‘, nur weil kein Terroranschlag passiert.
Studienleiter Peter Neumann
Betont wird zudem, dass die Studien-Ergebnisse keine Stigmatisierung darstellen sollen - ganz im Gegenteil. „Sie sollen ein Aufruf sein, sich noch mehr und intensiver mit den Zuwanderer-Szenen im eigenen Land auseinanderzusetzen. Und dabei helfen, ein differenziertes Bild zu bekommen und mögliche Vorurteile abzubauen“, betont Peter Neumann.
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