Nach dem mutmaßlich geplanten Anschlag auf die Wiener Regenbogenparade am vergangenen Samstag wurden drei Tatverdächtige (14, 17 und 20) kurz vor Beginn der Veranstaltung festgenommen. Zwei befinden sich seit dem in U-Haft. Darunter auch der Jüngste. Von Anschlagsplänen auf die Pride-Parade stünde im Untersuchungshaftbeschluss, aber kein Wort. Anders als beim 17-Jährigen, der schon 2022 versucht haben soll eine Kalaschnikow zu kaufen ...
Die drei sollen einer radikalislamistischen, international zusammengesetzten Telegram-Gruppe mit rund zehn Teilnehmern angehört haben, die sich dem IS bzw. dem in Süd- und Zentralasien aktiven „Islamischen Staat in der Provinz Khorasan“ (ISKP) verpflichtet fühlten. In der Chat-Gruppe sollen unter anderem Anschlagspläne erörtert worden sein, der 14-Jährige soll auf sein Smartphone eine Anleitung zum Bau einer Sprengvorrichtung heruntergeladen und Ausreisepläne verfolgt haben, um sich als Kämpfer dem IS anzuschließen.
Das bestreitet sein Verteidiger Andreas Schweitzer, der am Dienstagabend gegenüber Medienvertretern versicherte, sein Mandant habe „sicher keinen Anschlag auf die Parade geplant“ und die Schule abschließen wollen. Schweitzer räumte ein, der 14-jährige Bruder habe sich einer Chat-Gruppe „über den IS informiert und Gräuelvideos geschaut“, aber keine terroristischen Absichten verfolgt.
Schweitzer kündigte an, er werde beim Landesgericht St. Pölten einen Enthaftungsantrag für den 14-Jährigen einbringen.
„Es ist dumm, dass er sich das angeschaut hat“
Sein junger Mandant würde das verdächtige Brüderpaar nicht einmal kennen, man sei nur in der gleichen Chat-Gruppe gewesen. „Es ist dumm, dass er sich das angeschaut hat. Es ist dumm, dass er das kommentiert hat“, so Andreas Schweitzer über den 14-Jährigen. Der laut seinem Vater ein zuverlässiger Schüler sein sollen, von einer technischen Ausbildung träumt. Weswegen er sich auch die Anleitung zum Bombenbau heruntergeladen hätte ...
Dass der Schüler in Untersuchungshaft sitzt, versteht Schweitzer nicht: „Es gibt keinen einzigen Hinweis, dass mein Mandant hier einen Anschlag planen wollte.“ Chat-Protokolle habe er noch keine gesehen, der Akt gebe „bis dato wenig her“. Aber: „Bei dem 17-jährigen Verdächtigen steht ein kleiner Hinweis, dass er in Aussicht gestellt haben soll, hier einen Terroranschlag auf die Pride-Parade zu verüben. Das ist nicht ganz an den Haaren herbeigezogen.“
Bei dem 17-jährigen Verdächtigen steht ein kleiner Hinweis, dass er in Aussicht gestellt haben soll, hier einen Terroranschlag auf die Pride-Parade zu verüben. Das ist nicht ganz an den Haaren herbeigezogen.
Anwalt Andreas Schweitzer über den 17-jährigen Verdächtigen
Axt und Säbel unterm Bett
Über die Vorgehensweise oder die Beweggründe gäbe es aber überhaupt keine Angaben im Akt. Vor allem von einem Anschlag mit einem Auto - wie berichtet wurde - sei nie die Rede gewesen. Gefunden wurden Airguns, Messer, Wurfsterne, eine Axt und ein Säbel. Letztere zwei Waffen bei dem 14-Jährigen unter dem Bett. „Das sind die Utensilien seines Vaters“, klärt Andreas Schweitzer auf.
14-Jähriger habe von Pride-Parade nichts gewusst
Vor der Polizei gibt der 14-Jährige „sunnitische Moslem“ an, er versuche fünfmal am Tag zu beten, würde sich als „schon gläubig“ bezeichnen. Über die Religion informiere er sich großteils über YouTube, gehe auch in die Moschee. Radikale Ansichten teile er aber nicht. „Den Islamischen Staat mag er überhaupt nicht“, stellt sein Verteidiger klar. Der Schüler gab außerdem nach seiner Verhaftung an, er hätte nicht einmal gewusst, dass die Regenbogenparade in Wien an diesem Samstag stattgefunden hat ...
Homosexuelle möge der Verdächtige nicht
Von der LGBTQ-Community halte er aber nicht viel: Der Jugendliche sei kein Fan davon, er möge sie eigentlich nicht. Schweitzer versucht zu entschärfen: „Er mag zwar keine Homosexuellen, aber er akzeptiert alles andere. Das ist halt sein Ausdruck gewesen. Aber er ist 14 Jahre alt, er lernt noch, er ist noch im Aufbau.“
Auch bezüglich des 17-Jährigen gibt es neue brisante Ergebnisse. Er habe schon 2022 über eine WhatsApp-Gruppe versucht, eine Kalaschnikow zu kaufen, was der Leiter der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), Omar Haijawi-Pirchner, am Mittwoch bestätigt.
2022 versucht eine Kalaschnikow zu kaufen - als „Scherz“?
Über die Staatsanwaltschaft St. Pölten erging im November 2022 unter anderem zu dem versuchten Ankauf einer AK-47 eine Ermittlungsanordnung gegen den in der Landeshauptstadt wohnhaften Jugendlichen wegen des Verdachts auf terroristische Vereinigung, kriminelle Organisation und gefährliche Drohung.
Das niederösterreichische Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) führte umfangreiche Erhebungen und Befragungen durch. Als der 17-Jährige bei seiner Beschuldigteneinvernahme angab, es sei ein „Scherz“ gewesen, wurde das Verfahren gegen den mutmaßlichen Islamisten von der Staatsanwaltschaft St. Pölten am 17. Februar 2023 tatsächlich eingestellt. Die strafrechtliche Relevanz habe sich nicht ergeben.
„Eine andere Verdachtslage“
Nur zehn Tage danach warnte allerdings ein ausländischer Partnerdienst die DSN erstmals vor einem in Österreich aufhältigen Unterstützer der radikal islamistischen Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) mit dem Spitznamen „Abdullah“, der in Kontakt mit Islamisten in Belgien und der Ukraine stünde.
Bei „Abdullah“ handle es sich um den jetzt verdächtigten 17-Jährigen. „Eine andere Verdachtslage“, sagte dazu Bien am Mittwoch. Die in Belgien aufhältige Kontaktperson soll einen Terror-Anschlag auf eine Kathedrale in Brüssel geplant haben ...
Pride als Anschlagsziel geplant
In weiterer Folge soll „Abdullah“ mit der ukrainischen Kontaktperson für das Frühjahr 2023 ein Terror-Attentat geplant haben, wobei „Abdullah“ als Anschlagsziel die Regenbogen-Parade in Wien, die sich für die Rechte der LGBTI+-Community starkmacht, ins Treffen führte - entsprechende Informationen lieferte jedenfalls der ausländische Partnerdienst am 7. März den heimischen Behörden, offenbar unter Auswertung von über Messenger-Dienste übertragene Daten.
Ankauf einer AK-47 sowie einer Machete
Der ausländische Nachrichtendienst verwies außerdem darauf, dass „Abdullah“ den Ankauf einer AK-47 sowie einer Machete in Tschechien plane. Just eine nachgebaute AK-47 sowie eine Machete hatte bekanntlich der Wien-Attentäter vom 2. November 2020 verwendet, der in der Innenstadt vier Menschen tötete, ehe er von der Polizei erschossen worden.
Bei dem 17-Jährigen wurde nach seiner Festnahme eine Hausdurchsuchung durchgeführt. Dabei wurden neben Datenträgern auch verbotene Waffen sichergestellt. Für den Burschen gilt die Unschuldsvermutung - ebenso wie für seinen auf freiem Fuß befindlichen 20 Jahre alten Bruder sowie einen 14-jährigen HTL-Schüler aus Wien. Gegen die zwei Jugendlichen und den 20-jährigen Enthafteten ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf kriminelle Organisation, terroristische Vereinigung und Anleitung zur Begehung einer terroristischen Straftat.
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