Buch-Rezension

R.E.M.: Die etwas andere Band aus dem Rockkosmos

Musik
25.06.2023 09:00

Zwölf Jahre sind mittlerweile seit der überraschenden Auflösung von R.E.M. vergangen und es gibt keine Zeichen für eine Reunion. Warum die Band schon immer anders tickte als alle anderen, das bringt uns Autorin Birgit Fuß in ihrem Buch „R.E.M. - Life And How To Live It“ näher. Ein Werk, das gleichermaßen für Anfänger wie Langzeitfans geeignet ist.

Es ist im Musikgeschäft so sicher wie das Amen im Gebet - wann immer sich eine Band auflöst, kommt sie irgendwann wieder zusammen, um auf exklusiven Festivals oder lohnenden Reunion-Tourneen das brachliegende Konto aufzufetten. Nur ganz wenige Combos konnten sich den lukrativen Angeboten der großen Player im Veranstaltungsbusiness erwehren. Led Zeppelin zum Beispiel fanden 2007 nur für eine einzige Show wieder zusammen, auf den Zusammenschluss der bissigen Gallagher-Brüder von Oasis wartet man noch immer, doch auch dort scheint sich von Monat zu Monat und von Tweet zu Tweet eine echte Annäherung anzubahnen. Eher wenig Chancen auf eine Wiedervereinigung attestiert man gemeinhin R.E.M.

Wider Erwarten Weltstars
Die Alternative-Rock-Pioniere fanden sich 1980 in der Freundschaftsbesetzung Michael Stipe, Mike Mills, Peter Buck und Bill Berry zusammen, um eine ganz neue Farbe auf das musikalische Tableau zu zeichnen. Die Collegeband aus dem beschaulichen Athens in Georgia spielte von Beginn an nie nach den Regeln der Musikindustrie und blieb für viele immer ein Stück weit ungreifbar. Dass sie Ende der 80er-Jahre zu internationalen Superstars mutierten, die große Stadionkonzerte spielten und auch in der Mainstream-Presse begehrt waren, haben die schüchternen Nerds nie so gewollt. Wo sich andere Rockstars bei unfallartigen Erfolgsgeschichten im Rampenlicht suhlten, suchte das Quartett immer den nötigen Abstand davor. So entzog man sich in den finanziell lukrativsten Jahren vor der Internetära Interviews und Medienberichterstattungen, verzichtete auf Touren nach Erfolgsalben und probierte sich in teils kruden Solo- und Side-Projekten aus.

Die deutsche Musikjournalistin Birgit Fuß, deklarierter Fan und überzeugte „Lebensbegleiterin“ der emotionalen Rockband, bemerkte vor einigen Jahren, dass es im deutschen Raum noch keine richtige Biografie über die Band gab und auch im internationalen Bereich vor allem die jüngeren Jahre wenig schriftstellerischen Widerhall fanden. In ihrer Biografie „R.E.M. - Life And How To Live It“ (Reiffer Verlag) zeichnet sie also nicht nur die frühen Jahre und großen Erfolgszeiten der Band nach, sondern widmet sich in besonderer Art und Weise auch den 2000er-Jahren, wo Stipe und Co. längst aus allen Trends fielen und ihnen nicht mehr die allumfassende Ehrerbietung von Millionen von Fans zuteilwurde. Zu einem großen Teil befasst sich die Autorin auch mit der Zeit nach der Bandauflösung im Jahr 2011, die mit einem unspektakulären Internet-Statement bekannt gegeben wurde und die halbe Rockwelt in Schockstarre hinterließ.

Recherchen aus dem eigenen Archiv
Wie es dem Naturell der einzelnen Bandmitglieder seit jeher entsprach, hielt man sich bis heute stoisch an die getroffene Entscheidung. Stipe und Mills gefallen sich seit einigen Jahren in der Rolle der Nachlassverwalter, Buck und der bereits 1997 ausgestiegene, nie nachbesetzte Berry haben ihr Glück in anderen Gefilden gefunden. In loser Freundschaft verlieb man trotzdem. Wie eine sich allen Genres und Normen verweigernde Band zu Multimillionären und Popstars gedeihen konnte, ohne sich dabei auszuverkaufen, zeichnet Fuß mit teils akribischer Detailgenauigkeit nach, die ihrer inbrünstigen Position als Die-Hard-Fand der Band geschuldet ist. Die Autorin traf die Band über die Jahre unzählige Male und konnte in der Recherche aus dem eigenen Archiv schöpfen, holte sich für das Projekt aber auch offiziell das Okay der Musiker, deren Prämisse es schon immer war, sich nicht in Werke über sich und ihre Karriere einzumischen.

Chronologisch befasst sich Fuß mit der Vita der Band, lässt immer wieder persönliche und emotionale Erinnerungen und Begegnungen einfließen und scheut angenehmerweise auch nicht davor zurück, trotz Fantum die eher schwierigen Seiten der einzelnen Musiker in den Vordergrund zu rücken. Ein großes Kapitel widmet sich etwa den legendären und einzigartigen Texten von Michael Stipe. Hier wird das Buch von einem allgemeinen Karriereführer zu einem Nachschlagewerk für die devote Stammklientel, was die Lesefreude aber auch für distanziertere Hörer nicht mindert. Die Vermischung aus Insider-Perspektiven und nerdigen Tiefrecherchen mit schönen Albumreviews und der Wiedererzählung markanter Karrieresteine gelingt gut und sorgt dafür, dass es für alle potenziellen Leser Momente der Erleuchtung gibt.

Allumfassende Werkschau
Besonders hervorgestrichen wird die Unbeugsamkeit der einzelnen Bandmitglieder. Wie in einem dichten Kokon trotzte das Quintett in den mehr als 30 Karrierejahren allen Stürmen von außen und ließ sich weder von den Musikmetropolen New York und Los Angeles, noch von millionenschweren Angeboten von Plattenfirmen in ihre Sichtweise von Kunst hineinreden. Immer wieder changierten R.E.M. im Laufe ihres Daseins zwischen Intimität und Großspurigkeit und zwischen Clubs und Stadien. Wie keine zweite Band waren Stipe und Co. viel zu glitschig, um sich von Hörern, Musikmanagern oder anderen Menschen in ihrem Umfeld greifen und festhalten zu lassen. Im Buch finden sich zudem alle Side-Projects, Cover-Versionen, originale Konzert-Setlisten aus dem Privatbesitz der Autorin und nicht zuletzt Vorworte von Billy Bragg und Tim Liwa. „R.E.M. - Life And How To Live It“ zaubert langjährigen Fans ein bittersüßes Lächeln aufs Gesicht und gibt Unbedarfteren einen kompletten Eindruck von dieser einzigartigen Combo. Definitiv empfehlenswert!

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