Heute Freitag, am 23. Juni um 21.35 Uhr, entert die norwegische Schlagerkönigin Wencke Myhre die Schlagerbühne beim diesjährigen Donauinselfest. Beim „Krone“-Interview im Vorfeld zeigte sich die 76-Jährige in Bestform und verriet ein paar lustige Wien-Anekdoten aus der Vergangenheit.
Bereits im zarten Alter von sieben Jahren stand Wencke Myhre das erste Mal mit ihrem Vater und Bruder Reidar auf einer Bühne, mit 13 folgte der erste Plattenvertrag und ab dem 16. Lebensjahr war sie nicht nur in Skandinavien, sondern auch in Österreich und Deutschland ein absoluter Top-Star. Mit deutschsprachigen Songs wie „Beiß nicht gleich in jeden Apfel“, „Er hat ein knallrotes Gummiboot“ oder „Lass mein Knie, Joe“, eroberte sie in den 60er- und 70er-Jahren die deutschsprachige Schlagerwelt.
Es entstanden Kooperationen und Freundschaften mit Peter Alexander, Caterina Valente, Harald Juhnke oder Udo Jürgens und im Kultfilm „Unsere Pauker gehen in die Luft“ reüssierte sie neben Georg Thomalla, Chris Roberts und Peter Weck. 2010 überstand sie eine schwere Brustkrebserkrankung und mit 76 tourt sie noch heute unermüdlich zwischen ihrer ländlichen Heimat Norwegen und dem Rest Europas durch die Gegend. Mit ihren Liedern begeistert sie seit fast 70 Jahren alle Generationen. Ein Ruhestand kommt für sie nicht infrage.
„Krone“: Frau Myhre, Sie sind gestern, einen Tag vor Ihrem Auftritt, auf der Donauinsel in Wien angekommen.
Wencke Myhre: Und wir haben sofort in einem kleinen Proberaum mit der Band losgelegt. Es war so heiß und ich habe geschwitzt, aber es ist schön, richtig live zu spielen. Vor allem daheim in Norwegen spiele ich oft Playback oder Halb-Playback, aber einfach richtig loszulegen, das ist fantastisch. Auch der Soundcheck war gut, wir sind bereit für die Bühne.
Morgen, Samstag, müssen Sie schon früh raus aus dem Bett ...
Um spätestens 4 Uhr, ein Wahnsinn. Heute kommen Menschen aus ganz Europa von meinen Fanclubs angereist und die treffe ich nach dem Konzert noch hinter der Bühne, das ist mir besonders wichtig. Viele kenne ich schon seit 50 Jahren. Wir stoßen mit einem Gläschen Sekt an und sagen einander Hallo. Morgen früh geht es dann in den Norden von Norwegen, weil ich mit den Trondheimer Solisten spiele. Das ist zwar anstrengend, aber so eine Chance kann man nicht absagen. Als altes Zirkuspferd läuft man halt einfach wieder los. (lacht) Das Festival ist auf einer Insel nördlich von Ålesund, ein langer Trip.
Haben Sie zum Donauinselfest oder zu Wien eine besondere Bindung?
Mein erster Trip in den deutschsprachigen Raum war nach Wien. Damals war ich bei der Plattenfirma Deutsche Grammophon. An einem Februarabend gingen wir im Schnee an Schönbrunn vorbei und sahen uns schöne Gebäude an, da war ich gerade erst 16. Freddy Quinn hat damals auch in Wien gewohnt und eine Dame, die sich um uns kümmerte, war seine Managerin. Die hat mich in den folgenden Jahren oft einfach zu ihm mitgenommen. Er war total nett. Ich hatte später ein Wiener Kindermädchen, das vier Jahre lang bei mir war. Meinem Sohn Michael hat sie, ohne dass ich das wusste, Wienerisch gelehrt. Plötzlich fielen daheim Sätze wie „Wos wüst’n oida?“ oder „Heast, oida“. Wir haben uns alle totgelacht und mussten ihm später richtiges Deutsch beibringen. (lacht) Heute Abend ist sie auch zu Gast. Ich habe sie oft in Wien besucht und wir blieben gut befreundet.
Im deutschsprachigen Raum waren Sie immer unglaublich beliebt. Hier kam Ihre Karriere so richtig ins Rollen.
Gerade in den frühen Jahren war ich extrem oft in Österreich. Ich habe hier Peter Alexander, Caterina Valente, Harald Juhnke oder Udo Jürgens kennengelernt. Ich durfte sie alle miterleben und es haben sich schöne Freundschaften daraus gebildet. Mit Peter Alexander habe ich viele Jahre gearbeitet. Mit Valente habe ich viel telefoniert, aber sie ist mittlerweile schon älter und diese Tradition ruht ein bisschen.
Sie haben viele Karrieren gemacht. Eine in Norwegen, eine in Schweden, eine hier im deutschsprachigen Raum …
Das ist richtig. Wir leben in einer vielfältigen Welt. Wir sind sehr früh in verschiedenen Ländern unterwegs gewesen und das war immer immens spannend für mich.
Der Schlager im Allgemeinen ist heute so populär wie selten zuvor. Finden Sie auch einen Zugang zum modernen Schlager?
Ich denke gar nicht in solchen Schubladen. Ich bin Musikerin und habe Filme gedreht, sehe mich einfach als Entertainerin. Die Sehnsucht nach der Bühne war immer sehr groß. Man mischt Schlager mit Jazz, mit Rock’n’Roll und mit Musicals. Meine alten Songs werden mit mir erwachsen. Viele Klassiker werden in neue Arrangements gekleidet, das hält die Dinge spannend. Mein Lebenspartner Anders Eljas ist ein grandioser Musiker und einer der besten Arrangeure. Er hat auch schon als Keyboarder mit ABBA gearbeitet und kennt sich gut aus. Meine Lieder wie „Lass mein Knie, Joe“ oder „Eine Mark für Charlie“ klingen heute ganz anders als früher und sind schon sehr weite Wege gegangen. Wir peppen alles auf und klingen dadurch immer spannend.
Fühlen Sie sich in der Musik heute freier als je zuvor?
Ja. Ich mache viele jazzige Sachen und ganz sanfte Balladen, aber das ist natürlich nichts für Festivalbühnen. Musikalisch und auch abseits davon lebe ich die absolute Freiheit.
Was macht die Bühne mit Ihnen? Werden Sie darauf zu jemand anderem?
Nein, ich bin zu 100 Prozent authentisch. Ich singe mitten im Sommer Weihnachtslieder für die späteren Shows. Ich tanze auf der Wiese und lerne meine Texte, mache einfach das, was mir Spaß macht. Auf und abseits der Bühne. Ich singe, was mir passt und was mir gefällt und bin wirklich offen für alles.
Sehen Sie die Musik überhaupt als Ihren Job oder geht sie weit darüber hinaus?
Die Musik bedeutet für mich Interesse, Leidenschaft und Hobby. Nach mehr als 75 Jahren kann ich sagen, dass sie zu meinem Leben wurde. Popularität war für mich sehr früh normal. Wenn ich gesund bleibe, dann feiere ich 2024 70 Jahre auf der Bühne. Ich wollte früher Ärztin werden und rutschte früh ins Unterhaltungsbusiness. Mein Lebensgefährte Anders ist gleich wie ich. Wir lernen sehr viel voneinander. Meine Ungeduld tut ihm gut, und meine Rastlosigkeit wird von seiner Ruhe ausgeglichen.
Lieben Sie auch das Reisen und das viele Unterwegssein?
Nachdem ich kein Management habe, buche ich meine Reisen immer selbst. Wenn Wien ruft, dann kann ich nicht nein sagen. Da komme ich natürlich! Ich achte mittlerweile darauf, dass ich meine Auftritte in der Natur habe und die Umgebung schön ist. Unlängst habe ich in der kleinen norwegischen Stadt Røros in einer Scheune gespielt, wo die Rentiere vorbeigelaufen sind. Diese Auftritte faszinieren mich. 2004 bis 2007 hatten wir die „Gitte, Wencke, Siw“-Show mit zwei befreundeten Schlagersängerinnen aus Skandinavien, mit der wir auch oft in Österreich waren. Wir hatten in 30 Tagen Auftritte in 26 Städten. Jeden Tag ein neues Hotel, eine neue Bühne und neue Garderoben. Durchschnittlich sind wir pro Tag 700 Kilometer mit dem Bus gefahren. Das geht heute definitiv nicht mehr. Nach diesen drei Jahren brauchte ich eine längere Pause und habe als nächste Tour nur am Piano begleitet in Norwegen gesungen. Von Insel zu Insel, sodass ich jede Nacht nach Hause fahren konnte.
Sie brauchen also die ländliche Abgeschiedenheit als Ausgleich zu den vielen Reisen?
Ich brauche sehr viel Natur. Ich bin ein echtes Bauernmädchen und liebe Blumen und die Erde. Der Ausgleich war mir immer sehr wichtig. Ich habe zehn Enkelkinder und sieben davon wohnen in meiner Nähe, damit bin ich gut beschäftigt und es hält mich am Boden. Ich nütze die Zeit auf diesem Planeten so gut wie möglich.
Hält Sie die Musik jung?
Ich spiele oft mit 20-jährigen Musikern. Die denken nicht, dass ich alt bin und ich denke nicht, dass sie jung sind. Wir musizieren einfach, da spielt das Alter keine Rolle. Ich hatte einmal einen Lichttechniker, der war erst 19 und hat gearbeitet wie ein Tier. Dass sich viele verschiedene Generationen treffen und zusammenarbeiten, hält genauso jung, wie das Textlernen und die Auftritte. Ich bin sehr glücklich, dass ich diesen Beruf ausüben darf.
Sind Sie nach fast 70 Jahren auf der Bühne manchmal noch nervös oder gibt es dieses Gefühl nicht mehr?
Ich bin unruhig, aber nicht nervös. Ich muss immer viele Stunden vor dem Auftritt essen, weil ich direkt davor nichts mehr runterkriege. Ich bin nie nervös, aber sehr gespannt und total fokussiert. Vor dem Auftritt setze ich die Scheuklappen auf und blende alles um mich herum aus. Wenn ich die Einleitung vor meinem Auftritt höre, dann werde ich oft noch richtig hungrig, weil sie so richtig rockt. Ich laufe dann auf die Bühne und bin voll motiviert. (lacht) Mit guten Musikern fühle ich mich unheimlich wohl und es macht besonders viel Spaß. Live gibt es kein Netz und keinen doppelten Boden, das erfreut Herz und Seele.
Was sind die wichtigsten Dinge, die Sie in Ihrer Zeit im Musikgeschäft gelernt haben?
Es ist natürlich nicht immer alles schön und toll. Ich habe gelernt, mit professionellen Menschen zusammenzuarbeiten, davor habe ich schon einiges mitgemacht. Ich kann auch nicht mit negativen Menschen umgehen. Natürlich darf man sauer und wütend sein, aber Energiefresser haben in meinem Umfeld keinen Platz. Wichtig war auch immer Disziplin. Ich durfte sehr jung schon in ganz Europa reisen und hier oder in Deutschland war die Technik immer ausgereifter als in Norwegen. Ich hatte immer tolle Choreografen und vor allem den legendären Produzenten und Musiker Heinz Kiessling, von dem ich sehr viel gelernt habe. Wenn es losgeht, musst du voll da sein, das ist das Wichtigste. Nebenbei gab es genug Zeit für viel Blödsinn, denn auch das ist Showbusiness. Wir waren alle sehr frech und hatten den Schalk im Nacken.
War das Showbusiness früher ein besserer Ort als heute?
Wir hatten viel mehr Zeit zum Proben und es gab mehr Budget für alles. Ich liebe das Proben, denn dort entwickeln sich viele Dinge, die Zeit brauchen. Zeit und Geld sind Mangelware geworden und da tun mir die jungen Menschen heute leid. Umso beeindruckter bin ich, wie viele Talente es heute gibt und wie sie alles auf die Reihe kriegen.
Gibt es Künstlerinnen oder Künstler, die Ihnen von der jüngeren Generation momentan besonders gut gefallen?
Ich bin ein bisschen schlecht darin, Namen zu nennen, denn für gewöhnlich sitze ich auf meiner norwegischen Insel, lerne Texte und höre nachts Klassik, Jazz oder Frank Zappa. Neulich war ich in der Barclays Arena in Hamburg bei einem großen Schlagerfest, wo auch jüngere Künstler spielten. Sie haben mich sprachlos zurückgelassen. Das Publikum ist zwischen 8 und 80 Jahre alt, was auch ein gutes Zeichen für die ganze Szene ist.
Haben Sie noch spezielle Ziele oder Träume in Ihrem Leben, was die Musik anbelangt?
Ich träume jeden Tag und oft realisiere ich diese Träume dann auch. Das Programm meiner Shows wird dauernd verändert und erweitert. Ich hole mir neue Inputs und verändere die Arrangements und dafür proben wir viel. Meine alten Klassiker werden in ganz neuem Gewand dargeboten und so wachsen diese Lieder von Neuem. Ich setze mir jedenfalls keine Grenzen und will einfach weitermachen. Ich habe kein einziges Lied von mir tot gespielt. Wird eines etwas langweiliger, dann übe ich eine Herzmassage aus und es wird abgewandelt reanimiert. (lacht) Ich bin sehr dankbar dafür, dass die Leute meine alten Hits mögen. Ich versuche sie aber, dem Zeitgeist anzupassen und aufzupeppen.
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