Putschversuch?

Prigoschin: „Werde auf Moskau marschieren!“

Ausland
24.06.2023 08:05

Mitten in der ukrainischen Gegenoffensive eskaliert der Machtkampf zwischen russischer Militärführung und der berüchtigten Söldnertruppe Wagner komplett. Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin verkündete, er kontrolliere mit seiner Söldnertruppe Wagner alle Militäreinrichtungen der Stadt Rostow und werde auf Moskau marschieren, wenn nicht Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow zu ihm kämen.

Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin ist laut eigenen Angaben endgültig der Kragen geplatzt. Er beschuldigt die russische Armee, seine Truppen bombardiert zu haben. In der Folge marschierte er in der Nacht auf Samstag mit seinen Truppen in Russland ein. Sein Ziel ist es, bis nach Moskau vorzustoßen. Er will diese „Operation“ aber nicht als Putschversuch bezeichnen - es sei vielmehr ein „Marsch für die Gerechtigkeit“. Die Situation ist unübersichtlich.

Russlands Präsident Wladimir Putin wandte sich bereits in einer TV-Ansprache an die besorgte Bevölkerung und gab zu verstehen: Russland führe heute einen äußerst schwierigen Kampf um seine Zukunft. Mehr dazu hier.

Kämpfer bereits in Woronesch 
Laut Angaben von Reuters haben die Wagner-Söldner bereits alle militärischen Objekte in der Stadt Woronesch unter ihre Kontrolle gebracht. Woronesch befindet sich 490 Kilometer südöstlich von Moskau. 

Der Rote Platz in Moskau am Morgen des 24. Juni - noch ist alles ruhig. (Bild: ASSOCIATED PRESS)
Der Rote Platz in Moskau am Morgen des 24. Juni - noch ist alles ruhig.

Russland ermittelt gegen Prigoschin 
Russische Strafverfolgungsbehörden leiteten am Freitagabend Ermittlungen gegen Prigoschin wegen versuchten bewaffneten Aufstands ein. Der Inlandsgeheimdienst FSB forderte Prigoschins Kämpfer auf, ihren Chef gefangen zu nehmen. Dem 61-jährigen drohen laut Generalstaatsanwaltschaft zwischen zwölf und 20 Jahren Freiheitsstrafe. Er hatte zuvor die Militärführung beschuldigt, ein Lager seiner Söldnertruppen mit Artillerie, Hubschraubern und Raketen angegriffen und dabei viele seiner Männer getötet zu haben.

Bevölkerung soll Häuser nicht verlassen
„Wer versucht, uns Widerstand zu leisten, den werden wir als Bedrohung betrachten und sofort töten“, kündigte Prigoschin Vergeltung an. Seine Truppen würden „alles zerstören“, was sich ihnen in den Weg stelle, warnte der Söldnerführer. Ihm zufolge haben sich die Wagner-Söldner bereits nach Rostow am Don in Marsch gesetzt. Dort befindet sich das Hauptquartier der russischen Militärführung für den Süden des Landes. Der Gouverneur der russischen Region Rostow, die an die Ukraine grenzt, rief die Bevölkerung dazu auf, Ruhe zu bewahren und nach Möglichkeit die Häuser nicht zu verlassen. Auch in der Hauptstadt Moskau sind die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt worden. Im Stadtzentrum tauchten sogar gepanzerte Fahrzeuge auf.

In der Stadt Rostow am Don wurden gepanzerte Fahrzeuge gesichtet. (Bild: APA/AFP/UGC/@na_laite_23/Handout)
In der Stadt Rostow am Don wurden gepanzerte Fahrzeuge gesichtet.

Präsident Putin sei über alle Entwicklungen unterrichtet, sagte dessen Sprecher Dmitri Peskow. „Notwendige Maßnahmen“ würden ergriffen. Putin selbst hat sich in der unübersichtlichen Situation noch nicht zu Wort gemeldet. Auch wo sich Putin aufhält, ist nicht klar.

„Schoigu hat uns bombardiert“ 
Prigoschin hatte zuvor den Vorwurf erhoben, Verteidigungsminister Sergej Schoigu habe Raketenangriffe auf Lager der Wagner-Söldner angeordnet, bei denen zahlreiche Kämpfer getötet worden seien. „Wir sind 25.000“, warnte Prigoschin und rief die russische Bevölkerung auf, sich seinen Truppen anzuschließen. „Das Böse, das die Militärführung des Landes anrichtet, muss gestoppt werden.“

Aber auch in der russischen Hauptstadt wurden bereits Militärfahrzeuge beobachtet. (Bild: ASSOCIATED PRESS)
Aber auch in der russischen Hauptstadt wurden bereits Militärfahrzeuge beobachtet.

Der Wagner-Chef hatte zuvor bereits den Darstellungen des Kremls widersprochen, die ukrainische Gegenoffensive sei fehlgeschlagen. „Die russische Armee zieht sich in den Gebieten von Saporischschja und Cherson zurück, die ukrainischen Truppen stoßen vor“, sagte Prigoschin in einem Online-Video. Das Gleiche passiere in Bachmut.

Der Liveblog zur Eskalation in Russland:

Kampf um Macht und Geld
Die US-Regierung beobachtete die Entwicklungen nach Angaben eines Sprechers aufmerksam. „Wir verfolgen die Lage und werden uns mit Alliierten und Partnern über diese Entwicklungen abstimmen“, sagte ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats. Präsident Joe Biden sei informiert. Die rivalisierenden russischen Truppen seien dabei, „sich im Kampf um Macht und Geld gegenseitig zu zerfleischen“, kommentierte der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes, Kyrylo Budanow.

Die zu einem beträchtlichen Teil aus russischen Gefängnissen rekrutierten Wagner-Söldner spielten in den vergangenen Monaten vor allem bei der langwierigen und verlustreichen Einnahme der Stadt Bachmut in der ostukrainischen Region eine wichtige Rolle. Gleichzeitig entwickelte sich Söldner-Chef Prigoschin - frustriert über Nachschubprobleme und nach seinen Angaben mangelnde Unterstützung durch Moskau - zu einem der vehementesten Kritiker der militärischen Führung Russlands. Immer wieder attackierte er Verteidigungsminister Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow.

Zuletzt unterlief er sogar Putins Begründung für die Offensive im Nachbarland: „Weshalb hat die militärische Spezialoperation angefangen?“, fragte Prigoschin und antwortete sich selbst: „Der Krieg wurde für die Selbstdarstellung eines Haufens Bastarde gebraucht.“

Der russische Regimekritiker Michail Chodorkowski im März 2022 in Berlin (Bild: APA/dpa/Bernd von Jutrczenka)
Der russische Regimekritiker Michail Chodorkowski im März 2022 in Berlin

Chodorkowski: „Das ist erst der Anfang“ 
Der bekannte russische Regierungskritiker Michail Chodorkowski forderte die Russen auf, Prigoschin in seinem Kampf gegen die Armeeführung zu unterstützen. „Wir müssen jetzt helfen, und dann werden wir diesen (Mann) wenn notwendig ebenfalls bekämpfen“, schrieb der Kreml-Kritiker in der Nacht zum Samstag in Onlinemedien. „Selbst der Teufel“ verdiene Unterstützung, wenn er gegen den „dieses Regime“ kämpfe. „Und Ja - dies ist erst der Anfang“, schrieb der im Exil lebende Chodorkowski.

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