Lukaschenko vermittelt
Deal mit Putin: Wagner-Chef geht nach Weißrussland
Am Samstag überschlugen sich die Ereignisse. Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin stellte sich offen gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin und marschierte mit seinen Kämpfern Richtung Moskau. Als die Söldner kurz vor der russischen Hauptstadt waren, konnte mit einer Vereinbarung doch noch Blutvergießen verhindert werden.
Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow erklärte am späten Samstagabend, Prigoschin werde nach Belarus gehen und die Anklage gegen ihn werde fallengelassen. Auch die Kämpfer seiner Wagner-Gruppe würden nicht strafrechtlich verfolgt. Als Garantien für den freien Abzug habe er „das Wort des Präsidenten“. Prigoschin und Wagner-Kämpfer verließen die Stadt Rostow am Don wieder.
Zuvor hatten diese die südrussische Millionenstadt Rostow am Don ohne Widerstand besetzt und waren dann in einem Militär-Konvoi in einer stundenlangen Fahrt auf Moskau vorgerückt. Prigoschin zufolge kamen sie bis auf 200 Kilometer heran, bevor er überraschend die Truppe zurück in ihre Stützpunkte beorderte.
Straßensperren aufgehoben
Unter Berufung auf die örtliche Straßenverkehrsbehörde meldet die russische Nachrichtenagentur Tass die Aufhebung aller Straßensperrungen auf russischen Autobahnen. Im Laufe des Samstages war zuvor wegen des vorrückenden Militärkonvois der Wagner-Gruppe unter anderem die von Süden nach Moskau führende Autobahn M-4 aus Sicherheitsgründen gesperrt worden.
Lukaschenko als Vermittler
Die Vereinbarung sei vom belarussischen Staatschef Alexander Lukaschenko vermittelt worden, sagte Peskow. Dieser habe seine Hilfe angeboten, da er Prigoschin seit etwa 20 Jahren persönlich kenne. Putin habe dem zugestimmt. Die Wagner-Kämpfer, die sich nicht am Marsch beteiligt hätten, sollten Verträge mit dem Verteidigungsministerium abschließen, die Teilnehmer erhielten Straffreiheit wegen ihrer früheren Verdienste für die Nation. Beide Parteien betonten, mit der Vereinbarung Blutvergießen vermeiden zu wollen. In einem Video der russischen Agentur RIA war zu sehen, wie Prigoschin das militärische Hauptquartier der Region in Rostow in einem Geländewagen verließ.
Putin: „Stich in den Rücken“
Putin hatte Prigoschin zuvor Verrat vorgeworfen. In einer Ansprache sagte er: „Was wir sehen, ist ein Stich in den Rücken“. Zudem kündigte er an: „All jene, die sich bewusst auf den Weg des Verrats begeben haben, die einen bewaffneten Aufstand vorbereitet haben, die den Weg der Erpressung und der terroristischen Methoden eingeschlagen haben, werden unvermeidlich bestraft werden.“ Peskow sagte, wichtiger als eine Bestrafung sei gewesen, eine Konfrontation und Blutvergießen zu vermeiden.
Abzug aus Rostow am Don
Kurz nach der Bekanntgabe der Vereinbarung zogen Söldner-Chef Jewgeni Prigoschin und Wagner-Kämpfer aus Rostow am Don ab. Sie hatten auch Militäreinrichtungen in der Stadt Woronesch auf dem halben Weg nach Moskau unter ihre Kontrolle gebracht. Reuters zufolge wurden sie von Militärhubschraubern beschossen. In Moskau wurden zeitweilig Sicherheitsmaßnahmen verstärkt und Blockaden errichtet. Bürgermeister Sergej Sobjanin rief die Bevölkerung zum Zuhausebleiben auf und erklärte den Montag zum arbeitsfreien Tag. Die Lage in Russland setzte auch die übrige Welt in Alarmbereitschaft. Westliche Staaten wie die USA, Deutschland und Frankreich berieten in Krisengesprächen über die Situation.
Offene Konfrontation zwischen Prigoschin und Putin
Prigoschin hatte monatelang die Militärführung um Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow scharf kritisiert und ihr Unfähigkeit vorgeworfen. Am Freitag beschuldigte er Schoigu, die Wagner-Söldner aus der Luft angegriffen und dabei viele Kämpfer getötet zu haben. Er stellte sich zudem offen gegen seinen ehemaligen Gönner Putin. „Der Präsident begeht einen großen Fehler, wenn er von Verrat spricht“, sagte Prigoschin in einer Audio-Botschaft auf Telegram. Niemand werde sich dem Befehl des Präsidenten beugen. „Weil wir nicht wollen, dass das Land weiter mit Korruption, Betrug und Bürokratie lebt.“
Prigoschin hatte auch die Absetzung von Schoigu und Gerassimow gefordert. Personelle Veränderungen im russischen Verteidigungsministerium seien aber nicht Teil der Vereinbarung, betonte Kreml-Sprecher Peskow. Diese stünden alleine in der Macht des russischen Präsidenten und Oberbefehlshabers der Streitkräfte, Wladimir Putin. „Deshalb ist es unwahrscheinlich, dass diese Themen diskutiert wurden“, sagt Peskow.
Was ist passiert?
Der seit Monaten schwelende Machtkampf zwischen Prigoschin und der russischen Armeeführung war in der Nacht zum Samstag eskaliert. Der 62-Jährige beschuldigte Verteidigungsminister Sergej Schoigu, den Befehl zu einem Angriff auf ein Militärlager der Wagner-Truppe gegeben und damit den Tod einer „großen Anzahl“ von Kämpfern in Kauf genommen zu haben. Die berüchtigte Söldner-Einheit hat in Moskaus Angriffskrieg gegen die Ukraine an der Seite regulärer russischer Truppen gekämpft und vor allem eine wichtige Rolle bei der Eroberung der Stadt Bachmut im Gebiet Donezk gespielt. Allerdings gab es seit Monaten Streit um Kompetenzen und um Munitionsnachschub.
Nach dem angeblichen Angriff auf das Wagner-Lager, den das Verteidigungsministerium in Moskau umgehend dementierte, kündigte Prigoschin einen „Marsch der Gerechtigkeit“ an, um die Verantwortlichen zu bestrafen. Am Samstag besetzten seine Truppen zunächst Militärobjekte in Rostow am Don. Später wurde bekannt, dass sich weitere Einheiten Richtung Moskau in Marsch gesetzt hatten.
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