Die aktuelle Situation in Russland schafft Verunsicherung - auch in Österreich. Das erklärte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Sonntag nach einer Sitzung des Krisenkabinetts in Wien. „Der Krieg (Russlands gegen die Ukraine, Anm.) trägt Spuren deutlich nach Russland“, sagte Nehammer und erklärte, dass alles für eine Beendigung dieses Kriegs getan werden müsse.
In Österreich selbst seien auch „Schutzmaßnahmen“ getroffen worden, berichtete der Kanzler, der sich schon am Samstag Sorgen wegen der Atomwaffen Russlands gemacht hatte. Nehammer betonte, dass es sich beim am Samstagabend abgeblasenen Aufstand des Söldnerführers Jewgeni Prigoschin um eine innere Angelegenheit Russlands gehandelt habe. „Die innerrussische Lage war besorgniserregend und bleibt es in einer gewissen Weise aber auch“, ergänzte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne).
Hochrangige Krisen-Runde
Gleichzeitig sei klar, dass in Zeiten der Unsicherheit die Bundesregierung klar Stellung beziehen müsse. An der sonntäglichen Sitzung des Krisenkabinetts nahmen neben Nehammer und Kogler auch Innenminister Gerhard Karner, Verteidigungsministerin Klaudia Tanner sowie Außenminister Alexander Schallenberg (alle ÖVP) teil. Vertreten waren zudem die Leiter der drei österreichischen Nachrichtendienste Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), Abwehramt und Heeres-Nachrichtenamt (HNA).
Wir werden nicht zulassen, dass ein innerer russischer Konflikt auch auf österreichischem Boden ausgetragen wird.
Kanzler Nehammer nach der Sitzung des Krisenkabinetts
Bild: APA/TOBIAS STEINMAURER
Abgesehen vom ständigen Austausch mit internationalen Partnern, darunter EU-Ratspräsident Charles Michel, hat das Außenministerium eine partielle Reisewarnung für betroffene Gebiete veröffentlicht und das Innenministerium Schutzmaßnahmen für bestimmte Einrichtungen erhöht. „Wir werden nicht zulassen, dass ein innerer russischer Konflikt auch auf österreichischem Boden ausgetragen wird“, sagte Nehammer.
Die Frage, ob im Krisenkabinett am Sonntag auch hypothetische Extremszenarien eines russischen Bürgerkriegs und eines Zerfalls der Russischen Föderation besprochen worden seien, beantwortete Nehammer ausweichend. Wenn eine Supermacht destabilisiert wäre, hätte das Konsequenzen, sagte er.
„Abhängigkeit von Gaslieferungen beenden“
„Bei aller Sympathie für das Opfer des Angriffskriegs ist es keine gute Nachricht, wenn es in Russland drunter und drüber geht“, meinte Vizekanzler Kogler. Die aktuellen Ereignisse untermauerten jedenfalls den Plan, die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen zu beenden. Möglichst rasch würde dabei nicht morgen bedeuten, sagte er und verwies auf Pläne, bis 2027 nicht mehr von diesbezüglichen Lieferungen abhängig zu sein.
Unmittelbar am kriegerischen Verlauf in der Ukraine ändert sich aus Koglers Sicht nichts. „Wir haben weiterhin keine andere Nachricht, Russland verfolgt das Ziel, die Ukraine zu vernichten“, sagte er. Angesichts von anderen Interpretationen des Kriegs „auf halben Kontinenten“, in denen er nicht wie in Österreich als völkerrechtswidriger Angriffskrieg gesehen werde, sei es aber relevant gewesen, dass Prigoschin Putins Invasionsrechtfertigungen explizit widersprochen habe. „Wenn das aus dieser Ecke kommt, dann wird die internationale Position Putins unglaubwürdiger“, kommentierte der Vizekanzler.
Schon am Rande des Europa-Forums in Göttweig (NÖ) hatten sich Nehammer und mehrere EU-Amtskollegen besorgt gezeigt: „Atomwaffen dürfen nicht in die falschen Hände gelangen“, sagte der Kanzler. Er stehe in Kontakt mit EU-Kollegen, und die westlichen Geheimdienste würden die Lage in Russland laufend analysieren.
Experte Mangott kritisiert Kanzler
Der Russland-Experte Gerhard Mangott lässt das so nicht gelten und übt via krone.tv Kritik am Kanzler. Die Aussage Nehammers, wonach Nuklearwaffen „nicht in die falschen Hände geraten dürfen“, habe gezeigt, dass „er nicht unbedingt die Lage versteht“. Er hoffe, dass Nehammer nun von entsprechenden Experten beraten werde und dann „mehr von der komplizierten inneren Lage begreift“. Ein nukleares Risiko bestehe laut Mangott aktuell nicht.
Gerhard Mangott im Gespräch mit Katia Wagner:
„Sehr chaotische Situation“
Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni sprach von einer „sehr chaotischen Situation in Russland“. Nehammer betonte die gemeinsame Vorgangsweise mit Italien und anderen EU-Partnern. „Die Vorgänge in der Russischen Föderation sind immer von größter strategischer Bedeutung, weil Russland biologische, chemische und nukleare Waffen besitzt“, sagte er.
Auch Bulgariens Staatspräsident Rumen Radew wies beim Europa-Forum auf die Notwendigkeit hin, wegen der Ereignisse in Russland rasch Maßnahmen zum Schutz der EU-Mitgliedsstaaten zu ergreifen. „Wenn sich die Sicherheitssituation in Russland weiter verschlechtert - was passiert mit Tausenden nuklearen Sprengköpfen und chemischen Waffen in Russland?“, zeigte sich Radew besorgt.
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