Ermittlungen laufen
Nach Putschversuch: Prigoschin nicht auffindbar
Nach dem Aufstand von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin ist dessen verhasster Konkurrent - der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu - offenbar wieder zurück. Auch Russlands Präsident Wladimir Putin scheint wieder im Kreml zu sitzen. Nicht erreichbar ist hingegen Putins aufmüpfiger Koch …
Schoigu besuchte am Montag an der Ukraine-Invasion beteiligte Truppen (siehe Video unten), wie die russische staatliche Nachrichtenagentur RIA Nowosti meldet. Dort lauschte er dem Bericht von Generaloberst Jewgeni Nikiforow und hielt ein Treffen mit Kommandeuren ab. Es ist demnach der erste öffentliche Auftritt Schoigus seit dem abgebrochenen Aufstand der russischen Söldnertruppe Wagner am Wochenende. Ob die Aufnahmen wirklich aktuell sind, ist allerdings unklar.
Prigoschin wäre bei diesem Bild wohl wieder einmal der Kragen geplatzt. Denn er sieht die Schuld an den Missständen an der Front vor allem bei Schoigu. Immer wieder machte er seinem Ärger Luft und bezeichnete den Verteidigungsminister unter anderem als „stinkende Kreatur“ und „Abschaum“, der den Kämpfern Prigoschins die notwendige Munition nicht gebe. Er würde dafür „seine verdammten Eingeweide in der Hölle fressen“, schimpfte der Wagner-Chef. Während man in der Vergangenheit noch davon ausging, dass es sich bei den Wutanfällen um Propaganda und leere Drohungen handelte, wurde am Samstag der ganze Ernst der Lage klar. Prigoschin hatte nicht geblufft.
Putin soll geflüchtet sein
Auch wieder aufgetaucht ist anscheinend Kreml-Herrscher Putin. Aus Daten des Dienstes Flightradar24 geht nämlich hervor, dass zwei Flugzeuge des vom Staatschef eingesetzten Sonderflugkommandos „Rossija“ Sonntagnacht wieder in Moskau eingetroffen seien.
Das Nachrichtenportal „Waschnie istorii“ will beobachtet haben, dass Putins Flugzeug am Samstag um 14.16 Uhr Moskauer Zeit vom Flughafen „Wnukowo“ in Richtung der russischen Stadt Sankt Petersburg abgehoben sei. Unweit der russischen Stadt Twer, wo Putin eine Residenz hat, sei die Maschine vom Radar verschwunden. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow bestreitet hingegen, dass der Machthaber die Hauptstadt verlassen hatte. Aus der Vergangenheit weiß man allerdings, dass Putin rasch seinen Bunker frequentiert.
Wo ist Prigoschin?
Jede Spur fehlt bislang vom Wagner-Chef, vermeldet der unabhängige russischsprachige Fernsehsender RTVI. Laut dem Pressedienst des Söldnerchefs ist er das letzte Mal gesehen worden, als er die Stadt Rostow am Don verlassen habe (siehe Video unten). Laut russischem Inlandsgeheimdienst FS laufen die strafrechtlichen Ermittlungen gegen Prigoschin übrigens noch.
„Er lässt alle grüßen und steht für Fragen zur Verfügung, wenn er wieder normal erreichbar ist“, heißt es lediglich von seiner Pressestelle.
Historischer „Marsch der Gerechtigkeit“
Am Freitagabend war der seit Langem schwelende Machtkampf zwischen dem russischen Söldnerführer und der russischen Militärführung eskaliert. Kämpfer der Wagner-Truppe marschierten von der Ukraine aus mit dem Ziel nach Russland ein, die Militärführung in Moskau zu stürzen.
Nach rund 24 Stunden Aufstand vollzog Prigoschin am Samstagabend überraschend eine Wende und beorderte seine Söldner zurück in ihre Lager. Vorangegangen war dem eine Vereinbarung mit der russischen Führung, vermittelt durch Belarus. Die Wagner-Kämpfer zogen sich aus Rostow zurück und setzten am Sonntag ihren Abzug fort.
Schallenberg: „Putin soll Prigoschin als Vorbild nehmen und umkehren“
Auch Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) erklärte am Montag zum Verbleib Prigoschins, dass er über keine konkreten Informationen verfüge. Es „ist nicht schlecht, wenn er von der Bildfläche verschwindet. Putin sollte sich ein Vorbild an Prigoschin nehmen und auch umkehren“, so Schallenberg.
„Man hat fast ungläubig zugeschaut, wie ein größenwahnsinniger Söldnerführer seine Truppen in Bewegung setzt und es bis auf 200 km vor Moskau schafft“, kommentierte Schallenberg den Aufstand Prigoschins am vergangenen Wochenende. Dass Putin einen brutalen Angriffskrieg in der Nachbarschaft anzetteln könne, und das keinerlei Auswirkungen auf sein Land habe, habe sich als Illusion erwiesen.
Das ist eine interne russische Angelegenheit, aber sie zeigt: Es gibt Risse im russischen Gebälk, es gibt Risse im Machtgefüge. Es ist nicht alles so, wie Russland das immer nach außen darstellt. Den bösen Geist aus der Flasche hat Putin selbst geholt. Und jetzt verfolgen ihn diese bösen Geister.
Außenminister Alexander Schallenberg
Bild: ASSOCIATED PRESS
Sein Ziel sei die Unterstützung der Ukraine. „Russland ist eine der größten Nuklearmächte des Planeten, daher kann uns nicht egal sein, was dort geschieht. Ich will nicht, dass Putin damit davonkommt. Aber jede Schwächung Putins ist auch eine Gefährdung. Er hat sich das selbst zuzuschreiben: Er könnte morgen den Krieg beenden“, betonte der österreichische Chefdiplomat. Für ihn wesentlich sei die geeinte, besonnene Reaktion des Westens auf den Söldner-Aufstand des vergangenen Wochenendes.
„Wir müssen das machen, was wir die letzten 16 Monate gemacht haben: Die Ukraine in ihrem Unabhängigkeitskampf unterstützen, und das werden wir auch weiter tun.“ Die EU-Außenminister wollten am Montag in einer Videoschaltung mit dem ukrainischen Chefdiplomaten Dmytro Kuleba über weitere Unterstützung für die Regierung in Kiew beraten. Die Minister dürften beschließen, den gemeinsamen Militärhilfe-Fonds für die Ukraine um 3,5 Milliarden Euro aufzustocken.
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