Wie geht Russland vor?
Schweizer Geheimdienst: Wir sind „Spion-Hochburg“
Die Schweiz hat sich selbst als „Hochburg“ für russische Spione beschrieben. Zu diesem Ergebnis kommt der Jahresbericht des Nachrichtendienstes der Eidgenossen. Die Untersuchung des Geheimdienstes fördert Erstaunliches zutage - drei Punkte ragen dabei heraus.
Wladimir Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine steht bei den meisten westlichen Geheimdiensten ganz oben auf der Agenda. Zwei Beispiele: Großbritannien veröffentlicht tägliche Briefings zur Kriegslage und die USA wussten offenbar schon vor einer Woche von den Aufstandsplänen der Söldnergruppe Wagner. Immer wieder weisen Staaten zudem Diplomaten aus.
Die Schweiz spielt hier in der öffentlichen Wahrnehmung bisher kaum eine Rolle - zumindest keine proukrainische. Die Eidgenossen fielen vor allem zu Beginn des Krieges durch lasche Maßnahmen gegen Russland auf. Danach wurden die Aktionen der EU scheibchenweise übernommen. Mit deutlicher Verzögerung hat es die Schweiz am vergangenen Freitag auf die offizielle Sanktions-„Partnerliste“ der EU geschafft.
Schweiz galt als „Oligarchen-Paradies“
Kritiker sahen im Alpenland lange ein „Oligarchen-Paradies“ mit verschwiegenen Banken als sicherem Hort für das Geld schwerreicher Russen. Nach Schätzungen der Bankiervereinigung in Basel lagerten bei Kriegsbeginn bis zu 200 Milliarden Schweizer Franken russischer Kundinnen und Kunden in der Schweiz. Ein Bruchteil davon - etwa 7,2 Milliarden Euro - wurde bisher „eingefroren“.
Laut dem schweizerischen Nachrichtendienst des Bundes (NDB) soll nun der Titel „Spion-Hotspot“ hinzukommen. „Europaweit gehört die Schweiz auch aufgrund ihrer Rolle als Gaststaat internationaler Organisationen zu den Staaten, in denen am meisten russische Nachrichtendienst-Angehörige unter diplomatischer Tarnung eingesetzt werden“, berichtete der NDB am Montag in seinem Lagebericht „Sicherheit Schweiz 2023“. Drei Punkte ragen dabei heraus.
1. Diplomat oder Spion?
Von den 220 Personen, die in den russischen Vertretungen in Genf und Bern arbeiten, seien wahrscheinlich rund ein Drittel - ähnliche Schätzungen gibt es für Österreich - für russische Nachrichtendienste tätig. Das wären in etwa 70 Personen. Während andere Staaten als Diplomaten getarnte russische Nachrichtendienstangehörige ausgewiesen hätten, sei die Zahl in der Schweiz stabil geblieben.
Die Schweiz gehöre laut NDB europaweit zu jenen Staaten, in denen am meisten russische Nachrichtendienstangehörige eingesetzt würden. Das liege auch an ihrer Rolle als Gaststaat für internationale Organisationen.
Fakten
- Genf in der Westschweiz ist der europäische Sitz der Vereinten Nationen. Dort haben zahlreiche UN-Sonderorganisationen ihren Hauptsitz.
Der NDB sieht durch den Krieg zudem neue Wege eröffnet, wie Staaten infiltriert werden können. Fluchtbewegungen brächten die Chance, Agenten einzuschleusen. Belege lieferte der Jahresbericht dafür aber nicht.
2. Tarnfirmen kaufen Waffen
Russland versucht offenbar, über „verdeckte Kanäle“ Waffen aus der Schweiz zu kaufen, schreibt der NDB. Firmen in den Staaten der Eurasischen Wirtschaftsunion - beispielsweise Armenien, Belarus, Kasachstan oder Kirgistan - würden „vermehrt als vermeintliche Endkunden für Waren“ auftreten, die dann weiter nach Russland gehen.
Auch die Türkei und Indien würden von Privatpersonen so genutzt. Hier sei nun ein Schwerpunkt gelegt worden, um das künftig zu verhindern. Die Rüstungsindustrie solle zudem „sensibilisiert“ werden.
3. China macht es anders
Der NDB bezeichnet die Bedrohung der Schweiz durch Spionage als hoch. „Sie geht nach wie vor hauptsächlich von staatlichen Akteuren und insbesondere von den Nachrichtendiensten Russlands und Chinas aus.“
China habe deutlich weniger als Botschaftsangehörige getarnte Agenten in der Schweiz. Wahrscheinlich setzten chinesische Nachrichtendienste stärker auf andere Verschleierungsarten. „Ihr Personal tarnt sich vor allem als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Journalistinnen und Journalisten oder Geschäftsleute“, so der Bericht.
Und wie sieht es in Österreich aus?
Russland war zuletzt auch im heimischen „Verfassungsschutzbericht 2022“ der österreichischen Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) wieder prominent vertreten. Auch hier lautete das Fazit: Österreich bleibt ein Tummelplatz für russische Spione.
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