Italo-Spargrogramm

Ministerin bricht bei Paket-Präsentation in Tränen aus

Ausland
05.12.2011 10:26
Tiefgreifende Einschnitte im Pensionssystem, Erhöhung der Einkommenssteuer und drastische Einsparungen bei der öffentlichen Verwaltung - das sind die Schwerpunkte des 24-Milliarden-Euro-Sparprogramms der italienischen Übergangsregierung. Bei der Präsentation des Pakets am Sonntagabend brach Arbeitsministerin Elsa Fornero in Tränen aus.

"Die finanzielle Situation unseres Landes ist ernst. Keine Reform bringt im Jahr ihrer Einführung große Ersparnisse, das ist ein sehr langer Prozess. Deshalb müssen wir, und das hat uns viel Überwindung gekostet, Opfer verlangen...", sagte Forero vor den Pressevertretern, als ihr plötzlich die Stimme versagte und sie in Tränen ausbrach.

Premier Mario Monti, der neben ihr saß, übernahm dann das Kommando und gab die Details zum Sparpaket bekannt. Er warnte davor, dass Italien wegen der Schuldenkrise der Verlust von 60 Jahren Wirtschaftswachstum und die Resultate der Arbeit von vier Generationen drohe.

"Auch Fachleute haben ein Herz"
Durch ihren Auftritt ist die weinende Ministerin zum Star in den italienischen Medien und zum Symbol der Schmerzen Italiens in dieser schwierigen wirtschaftlichen und politischen Phase aufgerückt. "Auch Fachleute haben ein Herz", kommentierte die römische Tageszeitung "La Repubblica". "Das Expertenkabinett um Monti, die kühlste Regierung in der republikanischen Geschichte Italiens, zeigt, dass sie Gefühle hat", analysierte das Blatt.

Dabei galt die 62-jährige Fornero, die seit knapp zwei Wochen das heikle Arbeits- und Sozialministerium führt, alles andere als gefühlsbetont. Die Wirtschaftsexpertin, Professorin an der Turiner Universität und Spezialistin für Sozialfürsorge, die auch den Aufgabenbereich Chancengleichheit übernommen hat, zeigte am Sonntag all ihr Temperament, als sie mit Monti an einer Konsultationsrunde mit Vertretern eines "Forums der Jugendlichen" teilnahm. 

Als sie feststellte, dass die junge Delegation ausschließlich aus Männern bestand, verließ sie aus Protest den Saal. "Wenn nicht einmal Jugendliche begreifen, dass der Beitrag der Frauen in den Vordergrund gestellt werden muss, können wir wenig anfangen", meinte die Ministerin. Es sei "kulturell ein Fehler", die Beteiligung der Frauen am öffentlichen Leben nicht zu fördern.

Premier verzichtet auf Gehalt
Das Sparpaket, das unter anderem eine strenge Pensionsreform und Maßnahmen zur Wirtschaftsförderung enthält, wurde am Sonntag nach einer dreistündigen Ministerratssitzung gebilligt. Um dem Land mit gutem Beispiel voranzugehen, verzichtet Monti auf sein Gehalt als Regierungschef.

Italien habe im Laufe der Jahrzehnte schwere Schulden angesammelt. Jetzt heiße es, schwere Opfer zu bringen, um eine ausgeglichene Bilanz vorzulegen. "Zusammen werden wir es schaffen. Italien hat Potenzial, um zu beweisen, dass wir ein großes Land sind, das im europäischen Rahmen seine Probleme lösen kann", versicherte Monti. Italien habe in der Vergangenheit nicht genug unternommen, um die Verschuldung zu reduzieren. "Jetzt heißt es, Italien zu retten und das Land zu entwickeln."

Seine Regierung habe Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung, der Privilegien und der Vetternwirtschaft ergriffen. Das Maßnahmenpaket fördere die Konkurrenz, die Beschäftigung der Frauen und der Jugendlichen sowie die Entwicklung Süditaliens. Tiefgreifende Einschnitte im Pensionssystem, Erhöhung der Einkommenssteuer Irpef und drastische Einsparungen bei der öffentlichen Verwaltung sind einige Schwerpunkte des Sparpakets. "Wir wollen, dass sich die Italiener stolz fühlen können, Italiener zu sein. Italien darf kein Herd einer Euro-Krise sein, sondern zu einem neuen Kraftpunkt der EU werden."

Vor allem bei Pensionen wird gespart
Monti will vor allem bei den Pensionen sparen, die Italiener werden künftig länger arbeiten müssen. Bis 2018 soll das Pensionsantrittsalter von Frauen und Männern auf 66 Jahre gleichgestellt werden. Die Arbeitnehmer werden künftig nicht mehr mit 40 einbezahlten Pensionsbeitragsjahren, unabhängig von ihrem Alter, in den Ruhestand treten können, wie es bisher der Fall war, sondern mit mindestens 42 Jahren. Die meisten Pensionen werden bis 2014 nicht mehr an die Inflation angepasst. 

Kampf gegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung
Die Mehrwertsteuer wird ab der zweiten Hälfte 2012 um zwei Prozentpunkte erhöht, nachdem sie bereits im September auf 21 Prozent gestiegen war. Die Regierung Monti will sich auch verstärkt gegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung einsetzen. So sollen lediglich Beträge unter 1.000 Euro künftig mit Bargeld bezahlt werden. Bisher lag die Grenze noch bei 2.500. Alle Beträge über 1.000 Euro sollen per Kreditkarten, Banküberweisung oder Scheck gezahlt werden. Italiener, die in den vergangenen Jahren im Rahmen einer Steueramnestie ins Ausland gebrachtes Kapital in ihre Heimat zurückgeführt haben, sollen eine zusätzliche Einmal-Steuer zahlen.

Wie bereits angekündigt, wird Monti die Immobiliensteuer für Erstwohnungen wieder einführen, die sein Vorgänger Silvio Berlusconi 2008 gestrichen hatte. Damit erhofft sich Monti zusätzliche Einnahmen von zwölf Milliarden Euro. Außerdem wird eine zusätzliche Steuer für Luxusautos, Hubschrauber und Privatflugzeuge eingeführt. Italienische und ausländische Schiffe und Boote, die in Häfen halten, müssen eine tägliche Steuer zahlen, die zwischen zwölf Euro und 150 Euro pro Tag beträgt.

Die Regierung will große Infrastrukturprojekte zur Förderung des Wirtschaftswachstums unterstützen. Dafür sollen 40 Milliarden Euro lockergemacht werden. Außerdem sollen Unternehmer, die Kapital in ihre Gesellschaft investieren, Steuerbegünstigungen erhalten.

"Es ist schlimm, aber wir können es noch schaffen"
Monti hatte sich zuvor unter anderem mit Vertretern der Regionen sowie den Sozialpartnern getroffen, um die Grundlinien des Maßnahmenpakets vorzustellen. Dabei gab der Premier den Parteien klar zu verstehen, dass es keine Alternativen zu seinen drastischen Einsparungen gebe. "Die Alternative ist zwischen Opfern und der Staatsinsolvenz. Die Lage ist schlimm, aber wir können es noch schaffen", warnte Monti.

Die Gewerkschaften kritisierten die Regierungsmaßnahmen. "Das Kabinett Monti belastet vor allem Arbeitnehmer und Rentner, diese Maßnahmen sind unannehmbar. Monti will auf Kosten der Armen die Staatskassen aufzufüllen", betonte Gewerkschaftschefin Susanna Camusso. Das geltende Pensionssystem werde komplett auf den Kopf gestellt. Viele Arbeitnehmer seien gezwungen, noch mehrere Jahre mehr zu arbeiten. Industriellenchefin Emma Marcegaglia ermahnte, es gebe keine Alternative zum Sparpaket.

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