„Dead Club City“

Nothing But Thieves: Retroschub in die Zukunft

Musik
01.07.2023 09:00

Über die letzten zehn Jahre haben sich die Briten von Nothing But Thieves zu einer der spannendsten und zukunftsträchtigsten Rockbands Großbritanniens gemausert. Auf ihrem vierten Album wagen sie erstmals einen Schlenker ins Konzeptionelle und setzten auf nostalgische 80er-Jahre-Synthies. Weniger glücklich sind sie mit dem Weltbild ihrer Heimat.

Wie lebendig die allzu oft totgesagte Rockmusik noch immer ist, zeigen uns in der Gegenwart vor allem Bands von der britischen Insel. Egal, ob die Vertreter mehr in den Post-Punk schlenkern (Fontaines D.C.), Blues- und Stoner-Gefühle erwecken (Royal Blood) oder sich die Stimme des Sängers gen Falsett erhebt (Nothing But Thieves) - die Zukunft ist gesichert. Letztgenannte überzeugten erst vor wenigen Wochen mit einem feurigen Set beim diesjährigen Nova Rock und brachten im Frühling 2022 die Wiener Arena zum Beben. Mit den Singles „Wake Up Call“ oder „Trip Switch“ eroberte das Quintett ab 2014 erst einmal den US-Markt, reüssierte aber zunehmend auch in unseren Breitengraden. Mit dem brandneuen Album „Dead Club City“ schlagen die Briten aber in vielerlei Hinsicht neue Wege ein.

Sprung in die Synthie-80er
Einerseits setzen Sänger Conor Mason und Co. auf die rundum populäre und grassierende 80er-Nostalgie, andererseits hat man sich beim vierten Werk erstmals die Mühe gemacht, ein Konzeptwerk zu kreieren. Texte, Musik, Videos und selbst das Artwork sind miteinander verknüpft, inhaltlich geht es um relevante und allumfassende Themen wie Außenseitertum, Klassenkampf, Zugehörigkeit, Eskapismus, Dystopien und die Art und Weise, wie sich der zwischenmenschliche Umgang miteinander auf die eigene Existenz ausweitet. Tracks wie die bereits vorab veröffentlichten Singles „Welcome To The DCC“ und „Overcome“ oder auch „Do You Love Me Yet?“ klingen dabei stark nach Synthie-infiltrierten 80er-Ehrerbietungen, bei einem knalligeren Track wie „City Haunts“ schielt dann auch einmal der trockene Wüstenstaub der Queens Of The Stone Age um die Ecke.

Summa summarum: Für altgediente Fans eine anfangs sicher gewöhnungsbedürftige Angelegenheit, doch frei nach dem Prinzip „Stillstand bedeutet Rückschritt“ haben sich Nothing But Thieves noch nie auf den Lorbeeren der Vergangenheit ausgeruht, sondern befinden sich stets auf der Suche nach neuen Herausforderungen. Der Doppelschlag „Moral Panic“ (Album) und „Moral Panic II“ (EP) zementierte 2020/2021 endgültig den Ruf als heiße Zukunfts-Rockaktie, auch wenn die Pandemie die steil nach oben steigende Karriere für gute zwei Jahre kräftig ausbremste. „Wieder auf Tour zu sein, fühlte sich für uns wie ein Re-Start an“, gibt Gitarrist Joe Langridge-Brown im „Krone“-Interview zu, „ich habe mich früher oft darüber geärgert, wie wenig Schlaf ich im Tourbus bekomme. Jetzt bin ich einfach dankbar dafür, dass wir wieder unterwegs sein dürfen.“

Adäquate Form des Diskurses
Schon bei „Moral Panic“ erwiesen sich die Briten als kundige Spürhunde für die Befindlichkeiten der Menschen im Alltag. „Die Grundidee dieses Albums war, dass wir die Spannungen und Probleme der Bevölkerung speziell in Großbritannien auf den Tisch legen wollten. Ich habe mich damals in Twitter-Kanäle gewühlt und Postings durchforstet. Dort kriegst du am besten ein Gefühl dafür, welche Spaltung in vielerlei Hinsicht durch die Menschen ging.“ Diese pandemiebedingte Tiefenrecherche war schlussendlich auch der Zündfunke für das aktuelle Album „Dead Club City“, denn im Internet wie auch in der Realität geht es zunehmend darum, wie man Meinungen und Ansichten, die nicht die eigenen sind, aushält und man auch bei konträren Positionen wieder in eine adäquate Form des Diskurses kommt.

Die wackelige Identität ihrer britischen Heimat macht den Musikern auf internationalen Tourneen manchmal zu schaffen. „Der Brexit war eine nationale Schande und unglaublich peinlich, etwas anderes kann man dazu nicht sagen. Wenn wir in Europa auf Tour sind, haben wir noch immer vor jedem Auftritt kurz das Gefühl, dass wir uns für diese Entscheidung entschuldigen müssten. Manche kommen in unserer Heimat mit dem Argument, dass man die Vorteile des Brexit in 50 Jahren sehen würde. Was zur Hölle interessiert mich das? Was ist das für ein Argument? Alles, was mit diesem Thema zu tun hat, ist fadenscheinig und heuchlerisch. Die Dinge haben sich nicht gelöst, nur weil sie vielleicht manchmal etwas ruhen.“

Fester und stabiler
Auf „Dead Club City“ rücken Nothing But Thieves vom offensiv Politischen wieder stärker ins Gesellschaftliche ab. Eine Ecke, in der sich die Mitglieder wohler fühlen und in der sich auch weniger Wut einzementiert. „Textlich achten wir immer darauf, dass wir ein offenes Ende haben“, so Bassist Philip Blake, „wir sind nicht dazu da, um anderen unsere Meinung aufzuzwingen oder die Welt zu erklären. Wir haben eine Meinung, hinter der wir stehen, aber die muss sich keinesfalls mit jener unserer Hörer decken.“ Ein Geheimnis der inneren Geschlossenheit und Langlebigkeit ist das Teamgefüge bei den Thieves. „Wir haben Techniker im Team, die waren schon dabei, als wir noch in ranzigen Kellern spielten. Wir alle werden zusammen älter, aber unsere Beziehung zueinander wird immer fester und stabiler.“ Mit „Dead City Club“ wagen Nothing But Thieves den nächsten Schritt zum Spring an die Spitze. Dem Erfolg bleiben weiter Tür und Tor geöffnet …

Live im Gasometer
Am 11. Februar 2024 kommen Nothing But Thieves für ihre bislang größte Österreich-Show live in den Wiener Gasometer. Unter www.oeticket.com gibt es die Karten und alle weiteren Informationen für das Konzert-Highlight.

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