Top-Militär verhaftet?

Putins Rache trifft jetzt „General Armageddon“

Ausland
29.06.2023 14:34

Der russische Top-General Sergej Surowikin war laut US-Geheimdiensten in die Aufstandspläne von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin eingeweiht. Seit Samstag wurde er nicht mehr gesehen, nun gibt es Berichte, dass er festgenommen wurde. Der Moskauer Kreml lehnte eine Stellungnahme zu Surowikins Schicksal ab. Auf die Frage, ob er für Klarheit sorgen könne, antwortete Sprecher Dmitri Peskow am Donnerstag: „Nein, leider nicht.“ Er verwies lediglich auf das Verteidigungsministerium.

Surowikin ist der stellvertretende Kommandeur des russischen Militäreinsatzes in der Ukraine und wird in der Presse wegen seines martialischen Vorgehens im Syrien-Krieg „General Armageddon“ genannt. Ausweichend antwortete Peskow auch auf die Frage, ob Präsident Wladimir Putin Surowikin noch immer vertraue. „Er ist der Oberbefehlshaber und arbeitet mit dem Verteidigungsminister und dem Generalstabschef zusammen.“

Fragen zu strukturellen Einheiten innerhalb des Verteidigungsministeriums sollten an dieses gerichtet werden. Beobachter gehen davon aus, dass Surowikin, lange ein Verbündeter von Prigoschin, wegen seiner Rolle beim Wagner-Aufstand bei Putin in Ungnade fiel

General Sergej Surowikin auf einem Foto von Dezember - jetzt ist er verschwunden. (Bild: APA/AFP/Sputnik/Gavriil GRIGOROV)
General Sergej Surowikin auf einem Foto von Dezember - jetzt ist er verschwunden.

Wird General bereits verhört?
Surowikin wurde seit Samstag, als die Wagner-Söldner ihre kurze Rebellion beendeten, nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen. An diesem Tag wurde ein Video veröffentlicht, in dem er an Söldner-Chef Jewgeni Prigoschin appellierte, die Meuterei zu stoppen. Surowikin hatte in diesem Video erschöpft gewirkt. Es war zudem unklar, ob er unter Zwang sprach. Am Mittwochabend gab es unbestätigte Berichte russischer Medien und Blogger, Surowikin werde nach seiner Festnahme im Moskauer Internierungslager Lefortowo festgehalten und verhört. Jetzt berichtet auch die „Financial Times“ über seine Festnahme und beruft sich dabei auf drei mit der Angelegenheit vertraute Personen.

„Jetzt räumt Putin auf“
Putin habe im Voraus wahrscheinlich von Prigoschins Plänen gewusst „und konnte sich daher bis zu einem gewissen Grad vorbereiten“, zitiert die Zeitung zudem einen ungenannten westlichen Regierungsvertreter: „Er war in der Lage zu sehen, wer an diesem Tag was getan hat. Und jetzt räumt er auf.“ Der Regierungsvertreter ging davon aus, dass weitere Festnahmen folgen. Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet, dass General Surowikin bereits über mehrere Tage verhört worden sei.

Der „New York Times“ zufolge soll Surowikin vorab über den Aufstand informiert gewesen sein. Unter Berufung auf US-Regierungskreise berichtete das Blatt, die Regierung in Washington versuche herauszufinden, ob Surowikin Prigoschin bei der Planung der Rebellion geholfen habe. Zudem gebe es laut US-Geheimdienstinformationen Anzeichen dafür, dass auch andere Generäle den Söldner-Chef unterstützt haben könnten. Peskow hatte den Bericht als Spekulation bezeichnet.

„Säuberung im Gange“
Bei Rybar, einem einflussreichen und von einem ehemaligen Pressesprecher des russischen Verteidigungsministeriums betriebenen Telegram-Kanal hieß es, eine Säuberung sei im Gange. Danach versuchten die Behörden, diejenigen Militärangehörigen auszusondern, die angeblich „einen Mangel an Entschlossenheit“ bei der Niederschlagung der Rebellion gezeigt hätten. Berichten zufolge hätten Teile der Streitkräfte wenig unternommen, um die Söldner aufzuhalten. „Der bewaffnete Aufstand des privaten Militärunternehmens Wagner ist zum Vorwand für eine massive Säuberung der russischen Streitkräfte geworden“, hieß es bei Rybar. 

Sollte sich dies bestätigen, könnte das die russische Kriegsführung in der Ukraine verändern und zu Unruhen in den eigenen Reihen führen - und das, während Russland versucht, eine ukrainische Gegenoffensive zu vereiteln. Auch für die Machtverhältnisse innerhalb der Sicherheitskräfte hätte das Konsequenzen: Wer als loyal gilt, kann seine Position festigen oder gar verbessern.

Surowikin (li.) und Schoigu (Bild: Sputnik)
Surowikin (li.) und Schoigu

Loyalist Schoigu in Machtkampf gestärkt?
Das könnte auch für Schoigu gelten, der seit 2012 Verteidigungsminister ist und den der Söldner-Chef Prigoschin samt seinem Generalstabschef Gerassimow wegen Inkompetenz stürzen wollte. Nun könnte der langjährige Vertraute Putins tatsächlich fester im Sattel sitzen als zuvor. Prigoschin habe vermutlich erwartet, dass etwas gegen Schoigu und Gerassimow unternommen werde, dass Putin zu seinen Gunsten handeln werde, schreibt Michael Kofman, Spezialist für das russische Militär beim Expertenforum Carnegie Endowment, auf Twitter. „Stattdessen könnte seine Meuterei dafür gesorgt haben, dass sie weiterhin im Amt bleiben, obwohl sie allgemein als inkompetent anerkannt und in den Streitkräften der Russischen Föderation weithin verabscheut werden.“

Ein weiterer Nutznießer könnte Viktor Solotow sein, Chef der Nationalgarde und einst Putins Leibwächter. Er hat öffentlich erklärt hatte, seine Männer seien bereit, bis zum Tod Moskau gegen die anrückenden Wagner-Söldner zu verteidigen. Er hat von der Möglichkeit gesprochen, nach der Meuterei schwere Waffen und Panzer für seine Streitkräfte zu beschaffen. Die leicht bewaffnete Nationalgarde ist die Truppe des Innenministeriums und direkt Putin unterstellt.

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