Im „Krone“-Gespräch erklärt der Planungschef des Bundesheeres, Generalmajor Bruno Hofbauer, was mit „Sky Shield“ auf uns zukommt. Und Experten ordnen ein, ob der gemeinsame Schutz des Luftraumes die Neutralität verletzt.
Kronen Zeitung: Herr Generalmajor, wir sind in einer sehr frühen Phase der „Sky Shield“-Initiative. Aktuell werden noch mögliche Mitgliedsländer gesucht. Wie lange, schätzen Sie, wird es dauern, bis ein europäischer Raketenschutzschirm steht?
Bruno Hofbauer: Zunächst müssen die Systeme gemeinsam beschafft werden, da sprechen wir von langen Lieferfristen. Außerdem muss das nötige Personal ausgebildet werden. Ich gehe von mehreren Jahren aus.
Wissen Sie schon, welche Luftabwehrwaffen das Bundesheer anschaffen will?
Nach der Unterzeichnung der Absichtserklärung am kommenden Freitag würden wir gemeinsam mit den anderen Teilnehmer-Staaten in die Beschaffung gehen. Zwei Systeme kann ich als Beispiel nennen, das deutsche IRIS-T SLM und das britische CAMM.
Hinter der „European Sky Shield Initiative“ (ESSI) steckt eines der größten und aufwendigsten Rüstungsprojekte Europas. 17 Staaten wollen gemeinsam einen flächendeckenden Luftabwehr-Schutzschirm über weite Teile Europas spannen. „Sky Shield“ soll drei Gefahren abwehren:
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen bei der Errichtung solch eines multinationalen Schutzschirms?
Aus Sicht des Bundesheeres ist es der Umgang mit einem neuen Waffensystem, das wir so noch nicht betrieben haben. Im internationalen Zusammenspiel müssen wir darauf achten, dass bei der Beschaffung nicht jedes Land seine eigene Waffen-Variante bestellt.
Wer entscheidet über einen Abschuss?
Über einen Waffeneinsatz würde Österreich souverän entscheiden, reine Radardaten tauschen wir bereits jetzt aus. Offen bleibt, was ein feindlicher Überflug etwa in Richtung Deutschland für uns bedeutet. Jedenfalls muss die Entscheidung auch dann national getroffen werden.
Besten Dank für das Gespräch.
Reaktionen auf Sky Shield: (K)ein Prüfstein für Österreichs Neutralität
Der gemeinsame Schutz des Luftraumes erhitzt die Gemüter. Experten ordnen ein und erörtern die Problemzonen:
Peter Bußjäger, Staatsrechtsprofessor aus Innsbruck: „Noch weiß man nicht sehr viel. Wenn es zutrifft, dass es sich in erster Linie um eine gemeinsame Beschaffung von Material und Software zur Abwehr allfälliger Angriffe aus der Luft handelt, sowie um die Bereitstellung von Informationen dazu, würde ich kein neutralitätsrechtliches Problem sehen.“ Maßgeblich sei, ob Österreich im Angriffsfall eine Beistandspflicht habe, was nach derzeitigen Infos nicht der Fall sei. Man müsse jedoch mit einer endgültigen Beurteilung warten, „bis alles auf dem Tisch liegt“.
Auch Völkerrechtsexperte Ralph Janik hält eine Beschaffung von Software und dergleichen für überhaupt kein Problem für die Neutralität. Die Grenze sei dann erreicht, wenn es sich um ein militärisches Luftraumbündnis handle, „also wir auch den Luftraum anderer Länder schützen. Und unsere Kampfflugzeuge in anderen Ländern operieren und umgekehrt.“ Eine weitere Frage sei, ob Österreich überhaupt eine eigenständige, taugliche Flugabwehr haben kann und will. „Aber wie wir die Neutralität handhaben, ist unsere Sache. Alles, was unter einem NATO-Beitritt ist, ist neutralitätspolitisch kein Problem.“
Von der liberalen Ex-OGH-Präsidentin Irmgard Griss kommt der Vorschlag, die Neutralität neu zu debattieren und zu interpretieren. Peter Bußjäger: „Dann sollte man ehrlicherweise sagen, dass man sie ,abschaffen‘ will. Wenn man nun tatsächlich an die Abschaffung der Neutralität schreiten will, dann würde ich zu großer Vorsicht raten.“ Wer das wolle, sollte auch sagen, dass er den NATO-Beitritt wolle. „Ein solcher ist aber nach meiner Auffassung verfassungsrechtlich nur mit Volksabstimmung möglich.“
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