Nach Beendung der allgemeinen Schulpflicht stellt sich für viele steirische Jugendliche auch heuer wieder die Frage: Was nun? Womit sich junge Menschen beim Start ins Berufsleben oft schwertun, was sie dabei beachten sollten und wie Jugend am Werk bei der Berufsorientierung und dem Einstieg in die Arbeitswelt konkret unterstützen kann, weiß Ausbildungs- und Arbeitsmarkt-Expertin Waltraud Pölzl von Jugend am Werk Steiermark.
Mit welchen Herausforderungen haben Jugendliche nach der 9. Schulstufe zu kämpfen?
Waltraud Pölzl: Vielen Schulabgänger*innen und Schulabbrecher*innen fehlt es an beruflichen Perspektiven. Wir hören von Jugendlichen, die zu uns kommen, öfters, dass sie die Berufsvorbereitung in der Schule für sich als nicht ausreichend empfunden haben. Sie wissen zum Teil nicht, wie viele attraktive Lehrberufe es in Österreich gibt. Von den rund 300 Lehrberufen sind in erster Linie die sogenannten Klassiker Kraftfahrzeugtechnik, Elektrotechnik, Einzelhandelskauffrau/-kaufmann, Stylist*in und Bürokauffrau/-mann bekannt.
Wir sehen auch, dass es vielen Schulabgänger*innen schwerfällt, völlig selbstständig ein Bewerbungsschreiben zu verfassen, einen Lebenslauf zu erstellen und ein gutes von einem schlechten Bewerbungsfoto zu unterscheiden. Bei den Aufnahmetests wird von Unternehmen zum Teil sehr viel verlangt. Die Einstiegsbarrieren sind recht hoch, obwohl Firmen händeringend nach Mitarbeitenden suchen.
Früher ist man auf der Suche nach einer Lehrstelle einfach in eine Firma hineinspaziert und hat nach einer freien Stelle gefragt. Heute gibt es umfangreiche Auswahlverfahren und Assessmentcenter.
Auf welche Weise unterstützt Jugend am Werk Jugendliche bei der Berufsorientierung und dem Berufseinstieg?
Waltraud Pölzl: Bei Jugend am Werk bieten wir Menschen zwischen 15 und 25 Jahren eine Vielzahl an Orientierungsmaßnahmen und Ausbildungsangeboten an. Um eine gute Berufswahl treffen zu können, halte ich es für ausgesprochen wichtig, dass Jugendliche Einblicke in die praktischen Tätigkeitsfelder eines Berufs bekommen. Wir verfügen über ein großes Netzwerk an Unternehmen und wir nützen diese Kontakte, um mit Jugendlichen Firmen-Exkursionen zu machen, die ihnen spannende Einblicke in den Arbeitsalltag bieten. Es gibt darunter immer wieder Unternehmen, die versuchen, die Jugendlichen im Rahmen der Exkursionen mit unterhaltsamen Challenges wie etwa einem „Kassier-Wettbewerb“ für den Beruf zu begeistern.
Des Weiteren laden wir Jugendliche, die bereits eine Lehre machen, ein, um ihren Beruf vorzustellen. Dieser Wissensaustausch mit und das Lernen von Gleichaltrigen funktioniert hervorragend, da die Jugendlichen die gleiche Sprache sprechen und sich noch besser in die Lage der Arbeitssuchenden hineinversetzen können.
Bei der Berufsorientierung kommen mit unseren Virtual Reality-Brillen auch modernste Kommunikationsmittel zum Einsatz. Mit diesen lassen sich unterschiedliche Berufe im wahrsten Sinne des Wortes begreifen - so, als würde man selbst dort arbeiten. Mit einem weiteren innovativen Projekt versuchen wir Mädchen und junge Frauen für technische Berufe und speziell für das Programmieren zu begeistern. In Zusammenarbeit mit der TU Graz wird ein Computerspiel entwickelt, bei dem 200 weibliche Teilnehmer*innen im Alter zwischen 15 und 20 Jahren durch Programmieren ihre eigene digitale Welt erschaffen und spezielle Missionen lösen.
Wie sieht die Betreuung bei Jugend am Werk konkret aus?
Waltraud Pölzl: Wir arbeiten kompetenzorientiert, das bedeutet, dass wir davon ausgehen, dass jede/jeder etwas kann. Um herauszufinden, was das genau ist, loten wir in Kleingruppen gemeinsam Interessen, Stärken, Fähigkeiten, Wünsche und Ziele aus, klären mögliche Berufsvarianten ab, und erstellen einen individuellen Fahrplan, an dessen Ende idealerweise die Aufnahme einer Arbeit steht. Bis es so weit ist, unterstützen wir bei der Suche nach Praktika, Lehrstellen sowie beim Verfassen von Bewerbungen. Bei einigen Jugendlichen, die in der Schule schlechte Erfahrungen gemacht haben, ist auch die Angst vor dem Lernen ein Thema, dem wir uns gemeinsam widmen.
Welche Tipps haben Sie für Schulabgänger*innen und Unternehmen, die Lehrlinge suchen?
Waltraud Pölzl: Ich rate Jugendlichen, die die neunte Schulstufe absolviert haben und momentan keine Lust haben, ihre Schulkarriere fortzusetzen, sich als allererstes beim AMS lehrstellensuchend zu melden. Dadurch eröffnen sich den Jugendlichen viele Unterstützungsangebote, zu denen auch jene von Jugend am Werk gehören.
Zudem ist es wichtig, selbst aktiv zu werden, zu Berufsinformationsmessen zu gehen, sich mit Gleichaltrigen auszutauschen, die bereits eine Berufswahl getroffen und/oder eine Lehre begonnen haben, sowie Berufe in Form von Praktika auszuprobieren. Denn wir merken immer wieder, dass Jugendliche eine falsche Vorstellung von der Lehre haben, und der/dem einen oder anderen das Verständnis dafür fehlt, dass es zum Arbeiten eben auch dazugehört, seinen Arbeitsplatz sauber zu halten und dazu einen Besen in die Hand zu nehmen.
Unternehmen schätzen die gute Zusammenarbeit mit uns, denn sie wissen, dass die Jugendlichen von uns bestens auf die Arbeitswelt vorbereitet werden. Schnupperpraktika, die über Jugend am Werk laufen, haben für Unternehmen den großen Vorteil, dass sie mit uns nur einen Ansprechpartner haben und die Jugendlichen für diese Zeit auch nicht extra angemeldet werden müssen. Schnupperpraktika sind für Unternehmen darüber hinaus eine gute Gelegenheit zu erleben, dass Schulnoten nichts darüber aussagen, was die/der Jugendliche praktisch draufhat.
Das ist Jugend am Werk
Die Jugend am Werk Steiermark GmbH zählt zu den führenden Anbietern sozialer Dienstleistungen in der Steiermark. Ziel, der in der gesamten Steiermark verteilten Standorte, ist es, die Lebenswelten der Menschen in ihrer direkten Umgebung zu verbessern und sie mit entsprechenden Angeboten und Leistungen vor allem in schwierigen Lebensphasen zu unterstützen. Mehr zu Jugend am Werk erfahren Sie HIER.
Jugend am Werk Steiermark GmbH
Lendplatz 35
8020 Graz
Tel.: +43 (0) 50/7900-0
Web: www.jaw.or.at
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