Wegen Arbeit gefoltert
Russische Reporterin in Tschetschenien angegriffen
Eine preisgekrönte Investigativjournalistin der unabhängigen russischen Zeitung „Nowaja Gaseta“ ist nach Angaben der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial in Tschetschenien angegriffen worden. Sie soll unter anderem ein geschlossenes Schädel-Hirn-Trauma davongetragen haben und regelmäßig das Bewusstsein verlieren.
Am Morgen des 4. Juli wurden in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny die Journalistin der „Nowaja Gaseta“ Jelena Milaschina und der Anwalt Aleksandr Nemow angegriffen. Sie befanden sich zu dem Zeitpunkt in einem Pkw, der sie nach ihrer Ankunft vom Flughafen der autonomen Republik abgeholt hatte.
Im Auto überfallen
Laut Nemow blockierten drei Fahrzeuge die Fahrbahn, daraufhin seien sie von maskierten Menschen überfallen worden. Sie malträtierten demnach die Journalistin und den Anwalt mit Schlagstöcken, unter anderem im Gesicht. Dabei nahmen die Täter ihnen ihre Handys ab und forderten sie auf, ihnen die Passwörter zu verraten. Equipment und Dokumente wurden vernichtet.
Unabhängige Journalisten nicht erwünscht
Experten gehen davon aus, dass es sich um keinen „gewöhnlichen“ Überfall handelt, sondern der Angriff mit der beruflichen Tätigkeit der Frau in Zusammenhang steht. In Grosny wollte die Reporterin nämlich über den Ausgang eines aufsehenerregenden Prozesses berichten, der Anwalt sollte sie dabei begleiten.
Seljonka-Attacke
Milaschina und Nemow wurden ins Krankenhaus gebracht. Der Anwalt soll Stichverletzungen aufweisen. Die Journalistin hat laut den Angaben ein geschlossenes Schädel-Hirn-Trauma, gebrochene Finger, Prellungen am ganzen Körper und verliert von Zeit zu Zeit das Bewusstsein. Ihre Haare seien abrasiert worden, zudem habe man sie mit Seljonka attackiert.
In Russland werden Oppositionelle häufig Opfer von Seljonka-Attacken. Dabei wird das Gesicht mit einer grünen Farblösung übergossen, die äußerst schwer zu entfernen ist.
Fall Sarema Musajewa
Milaschina und Nemow wollten in Tschetschenien der Urteilsverkündung für Sarema Musajewa (Bild siehe Tweet unten) beiwohnen. Die 53-jährige Ehefrau eines ehemaligen Richters war vergangenes Jahr aus der russischen Stadt Nischni Nowgorod nach Grosny verschleppt worden. Russischen Staatsmedien zufolge wurde sie am Dienstag zu fünfeinhalb Jahren Lagerhaft verurteilt. Ihr wurde Betrug und Angriff auf einen Polizisten vorgeworfen.
Kreml informiert
Kreml-Chef Wladimir Putin sei über den Angriff auf Milaschina und Nemow informiert worden, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow russischen Agenturen zufolge. Die russische Menschenrechtsbeauftragte Tatjana Moskalkowa sagte laut russischen Agenturen, der Vorfall müsse gründlich untersucht und die Schuldigen müssten bestraft werden.
Zahlreiche Menschenrechtsverstöße
Milaschina war bereits 2020 von Tschetscheniens Machthaber Ramsan Kadyrow mit dem Tod bedroht worden, nachdem sie kritisch über den brutalen Umgang mit der Bevölkerung in der Corona-Pandemie berichtet hatte.
Kadyrow führt die islamisch geprägte Republik im Nordkaukasus mit harter Hand. Bürgerrechtler beklagen immer wieder Menschenrechtsverstöße, darunter Folter und Verfolgung. In den 1990er Jahren führte das damals nach Unabhängigkeit strebende Tschetschenien zwei Kriege gegen Russland. Moskau schaffte es mit massiven Angriffen, die Kontrolle über die Region zurückzuerlangen.
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