Ein „Universum History“ widmet sich den vergessenen Sklavinnen Europas. „Krone“-Redakteurin und Moderatorin Marie Leopoldsberger besuchte die Drehs in Wien.
„Bei mir hatten sie wenigstens etwas zu essen. Ich habe für sie gesorgt“, erhebt Schauspielerin Maria Hofstätter im Gerichtssaal resolut ihre Stimme. Es sind Worte, die in ihrer Rolle als Bordellbesitzerin Regine Riehl fallen - im Festsaal der BOKU Wien im 18. Wiener Bezirk. Hier besuchte die “Krone„ die Drehs für ein “Universum History„ mit dem Titel “Europas vergessene Sklavinnen„, das den spektakulären Prozess um einen skandalösen Fall - in einem Mix aus Courtroom-Drama und dokumentarischen Sequenzen - abbildet. Der Riehl-Prozess im Jahr 1906 war mehr als ein Skandal. Er war ein Schlüsselmoment, in dem Frauen in der Prostitution erstmals öffentlich aus ihrer Opferrolle heraustraten und von der Gesellschaft Respekt einforderten. Vorangegangen waren verschlossene Türen, psychische und körperliche Gewalt inmitten ausbeuterischer Strukturen. Mit ins gemachte Bett des damals berühmtesten Bordells der kaiserlichen Residenzstadt legte sich anno dazumal auch die Polizei. Der Riehl-Prozess wühlt die Öffentlichkeit auf, weit über Wien hinaus. Und er ist Anstoß einer riesigen Diskussion, die die Medien, wie auch die “Kronen Zeitung“ damals, dominierte.
„Die Dokumentation beleuchtet nicht nur diesen Prozess, sondern auch das Hier und Jetzt. Und da merkt man leider, dass manches auch gleich geblieben ist. Was Mädchenhandel anbelangt und Schuldsklaverei, die man nicht auflösen kann. Dass die Mädchen da nicht aussteigen können. Es ist eigentlich erschreckend, dass vieles noch immer so ist“, so Hofstätter zur „Krone“. „Ich drehe viel historische Stoffe, weil es natürlich auch eine große Freude und ein Genuss ist, mit diesen tollen Kostümen, diesen Hüten, diesen Kleidern, diesen tollen Locations zu arbeiten. Es ist eine Herausforderung, die Gesellschaft von damals abzubilden, die sich ja auch darin äußert, wie Menschen damals gesprochen haben. Dialekt hat eine viel stärkere Rolle gespielt, die Dialektfärbungen der einzelnen Wiener Bezirke - das sind Dinge, die verloren gehen und die wir uns auch erarbeiten müssen mit den SchauspielerInnen“, so Regisseur Stefan Ludwig.
Die Spielszenen, die etwa 20 Minuten des Films ausmachen, verzichten auf eine voyeuristisch-melodramatische Inszenierung des eigentlichen Bordellgeschehens und konzentrieren sich auf die Gerichtsverhandlung - und den Mut der Frauen, ihre schambehafteten Erfahrungen öffentlich zu machen. Wenig Veränderung in den vergangenen 120 Jahren„Mit dieser außergewöhnlichen Produktion gibt die Reihe jenen Akteurinnen eine Stimme, die zu den diskriminiertesten und unsichtbarsten Gruppen gehören: den Sexarbeiterinnen. Die Geschichte dieser Frauen muss erzählt werden, ihnen - Frauen wie Marie König, Marie Pokorny, Marie Winkler, Anna Christ - gehört ein Denkmal gesetzt. Auch um zu zeigen, wie wenig sich in manchen Bereichen im gesellschaftlichen Umgang mit Frauen in den vergangenen 120 Jahren verändert hat“, sagt „Universum History“-Chefin Caroline Haidacher über die Beweggründe.
Und so geht diese Koproduktion von ORF, NDR/ARTE und der Geyrhalter Film fast schon um die Welt, denn Drehorte sind neben Wien auch Brasilien, Argentinien und Frankreich. An der Seite von Hofstätter, die seit Jahren eine absolute Größe in der Österreichischen Kino- und TV-Landschaft ist, spielen weiters Alice Prosser („Corsage“) als Marie König und Markus Schleinzer als Richter Feigl, der vor ein paar Monaten im aufsehenerregenden TV-Film „Die Wannseekonferenz“ zu sehen war.
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