Die wegen ihres Russland-Geschäfts unter internationalem Druck stehende Raiffeisen Bank International (RBI) kommt drei Insidern zufolge mit ihren Ausstiegsplänen nur schleppend voran. Die Gewinne schnellen gleichzeitig immer weiter in die Höhe. Schinden die Verantwortlichen nur Zeit?
Der von Bankchef Johann Strobl genannte Zeitplan für eine mögliche Abspaltung des Russland-Geschäfts dürfte kaum noch zu schaffen sein: Zielvorgabe war September. Kritiker werfen der Bank vor, dass sie einen Ausstieg nicht ernsthaft verfolge, sondern darauf hoffe, dass der Krieg bald endet.
Die Bank steht wegen ihres Russland-Geschäfts, das milliardenschwere Gewinne (siehe Grafik unten) einfährt und der größte Ertragsbringer ist, unter starkem Druck von Investoren, Bankenaufsicht und US-Sanktionswächtern. Seit Kriegsausbruch in der Ukraine im Februar 2022 prüft das Institut die möglichen Optionen, die im Frühjahr auf einen Verkauf oder eine Abspaltung eingegrenzt wurden.
Die RBI erklärte auf Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters, sie treibe weiterhin potenzielle Transaktionen voran, die zum Verkauf oder zur Abspaltung des Russland-Geschäfts führen würden. Die Frage, ob der Zeitplan noch zu halten ist, ließ die Bank unbeantwortet.
Rückendeckung aus Finanzministerium
Aus der Politik bekommt die RBI, die als Hausbank der konservativen Regierungspartei ÖVP gilt, Rückendeckung. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) habe Mitte Juni mit dem obersten US-Sanktionsbeauftragten Brian Nelson gesprochen und eine Zusammenarbeit zugesagt, sagte eine mit der Situation vertraute Person.
Auf Anfrage von Reuters teilte Brunner mit: „Natürlich ist das keine unkomplizierte Situation, und eine Bank kann ein solches Land nicht von heute auf morgen verlassen“. Zudem wünsche er sich generell eine differenziertere Betrachtung in der Debatte. „Es wird immer so getan, als ob nur eine Bank oder ein österreichisches Unternehmen dortgeblieben wäre“.
Milliarden Euro stecken in Russland fest
Der RBI gehe es vor allem darum, wie sie das in Russland gebundene Kapital von etwa vier Milliarden Euro aus dem Land herausbekommt, sagte eine der Personen. „Es könnte sein, dass das Thema schadensminimierender Verkauf nicht realistisch erscheint in absehbarer Zeit“, so der Insider. Derzeit gebe es zwar insbesondere einen Kaufinteressenten, aber die Gespräche würden nur schleppend laufen.
Denkbar sei, dass die Bank mit einem Minderheitsanteil in Russland bleibt oder bleiben muss, sagte der erste Insider. Grund dafür seien enge Vorgaben des russischen Präsidialamts.
Fest steht: Eine Abspaltung ist - so wie ein Verkauf - kein leichtes Unterfangen. Erschwert würden die Verhandlungen auch wegen den jüngsten Turbulenzen in Russland nach dem Marsch der russischen Söldner-Gruppe Wagner auf Moskau, durch Streitereien unter den Eigentümern über die Zukunft des Russland-Geschäfts und durch den Druck der Europäischen Zentralbank (EZB), die darauf drängt, dass sich die Banken aus Russland zurückziehen.
Einige Landesbanken gegen Abspaltung
Eine Abspaltung sei eine „sehr realistische“ Option, obwohl dafür eine Vielzahl an Genehmigungen eingeholt werden müssten, sagte einer der Insider. Einige der acht Raiffeisen-Landesbanken, die zusammen knapp 59 Prozent an der RBI halten, sollen sich aber querstellen, da sie dann direkte Miteigentümer der russischen Einheit wären.
Die RBI hat angedacht, dass jeder RBI-Aktionär im Falle einer Abspaltung zwei Aktien besitzt: Eine für die RBI ohne Russland und Belarus und eine zweite für das Russland-Geschäft. Die Aktien der Russland-Gesellschaft sollen dann an einer europäischen Börse notieren. Dem zweiten Insider zufolge soll es möglich sein, im Zuge der Abspaltung Anteile zu verkaufen. „Dass es dann eine gewisse Veränderung in der Eigentümerstruktur geben würde, davon kann man ausgehen“.
Unterdessen strebt die RBI nach eigenen Angaben eine weitere Verkleinerung des Russland-Geschäfts an. Zum Jahresauftakt hatte die RBI den Gewinn in Russland auf 301 von 96 Millionen Euro verdreifacht. Zum Vergleich: Das entspricht fast der Hälfte vom Konzerngewinn der Mutter.
RBI gilt als Brücke in den Westen
Die RBI ist seit 30 Jahren in Russland aktiv, ihre Tochter dort zählt rund 2600 Firmenkunden, vier Millionen Privatkunden und über 10.000 Mitarbeiter. Sie ist die wichtigste westliche Bank und gilt als Brücke in den Westen. Sie ist laut RBI auch die Hausbank von 70 diplomatischen Vertretungen, darunter 24 aus europäischen Ländern.
Nach wie vor in Russland aktiv ist auch die italienische UniCredit, die im Gegensatz zur RBI keinen Rückzug angekündigt hat. Die italienische Großbank steht bei der EZB ebenfalls auf dem Prüfstand. Aber auch einige amerikanische Institute wie etwa die Bank of America bleiben in Russland.
Offen ist, wie die Untersuchung der US-Sanktionsbehörde Office of Foreign Assets Control (OFAC) ausgeht. Die Amerikaner hatten der RBI im Januar einen Brief mit Fragen rund um das Zahlungsverkehrsgeschäft in Bezug auf Russland und die Ukraine geschickt.
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