„Tötet & verstümmelt“
Fix: USA liefern Ukraine geächtete Streubomben
Die USA haben ein neues militärisches Unterstützungspaket für die Ukraine geschnürt - inklusive Streumunition. Durch den Einsatz der international geächteten Waffe sollen so viele russische Soldaten wie möglich getötet werden. Doch die Vergangenheit zeigt: Das Geschoss verfehlt regelmäßig sein Ziel.
Die USA werden die Ukraine mit Streumunition versorgen. Das bestätigte die US-Regierung am Freitag, nachdem bereits seit einiger Zeit darüber spekuliert wurde. Nach Informationen der Nachrichtenagentur AP soll die Lieferung Teil eines bis zu 800 Millionen Dollar schweren Pakets sein, mit dem die USA der Ukraine militärisch helfen wollen.
Als Streumunition werden Raketen und Bomben bezeichnet, die in der Luft über dem Ziel bersten und viele kleine Sprengkörper - sogenannte Bomblets - verstreuen oder freigeben. Das Geschoss deckt daher ein deutlich größeres Gebiet ab (siehe Grafik unten).
Der Munitionstyp wird kritisiert, weil ein erheblicher Prozentsatz der Sprengkörper oft nicht detoniert, sondern als Blindgänger vor Ort verbleibt und so die Bevölkerung gefährdet.
Streumunition ist international geächtet
International ist die Waffe geächtet. 110 Staaten haben ein Abkommen gegen ihren Einsatz unterschrieben. Nicht dabei: die USA, Russland und die Ukraine. Österreichs Verteidigungsministerin Klaudia Tanner betonte jüngst mit ihren Amtskollegen aus Deutschland und der Schweiz, Boris Pistorius und Viola Amherd, dass für ihre Länder die Lieferung von Streumunition nicht infrage käme.
In einer gemeinsamen Pressekonferenz am Rande eines trilateralen Treffens in Bern, sagte Amherd, dass Russland mutmaßlich schon länger Streumunition in der Ukraine einsetze. „Das ist selbstverständlich eine weitere Eskalation.“ Die US-Entscheidung selbst wollte Pistorius „nicht kommentieren“.
Verständnis aus Berlin
In Berlin signalisierten unterdessen andere Teile der deutschen Regierung Verständnis für die Lieferung: „Wir sind uns sicher, dass sich unsere US-Freunde die Entscheidung über eine Lieferung entsprechender Munition nicht leicht gemacht haben“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Die Streumunition würde von der Ukraine in „einer besonderen Konstellation“ verwendet.
„Die Ukraine setzt eine Munition zum Schutz der eigenen Zivilbevölkerung ein. Es geht um einen Einsatz durch die eigene Regierung zur Befreiung des eigenen Territoriums“, so Hebestreit. Und weiter: „Wir sollten uns also auch noch mal vergegenwärtigen, dass Russland in einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine bereits in großem Umfang Streumunition eingesetzt hat.“
Auch Pentagon-Sprecher Pat Ryder betonte jüngst, dass Russland in der Ukraine bereits aktiv auf die umstrittene Waffe zurückgreife. Ryder verwies darauf, dass ältere Munition eine höhere Rate an Blindgängern aufweise. „Wir würden sorgfältig Geschosse mit einer geringeren Rate an Blindgängern auswählen, für die wir aktuelle Testdaten haben.“ Die Blindgängerrate der Munition liege laut Ryder nicht über 2,35 Prozent.
Streubomben gegen russische Stellungen?
Westliche Beobachter gehen davon aus, dass die Ukraine die Streumunition vor allem für die erfolgreiche Durchführung der Gegenoffensive benötigt. In den Monaten vor dem Gegenschlag haben sich die russischen Besatzer „eingraben“ und an der gesamten Frontlinie Abwehrstellungen errichtet (siehe Grafik unten).
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte die Lieferung von Streumunition immer wieder gefordert, um möglichst viele russische Soldaten zu töten. Und das wird wohl auch passieren. Selbst gepanzerte Fahrzeuge können von explodierenden Bomblets durchbohrt werden. Die Deutsche Bundeszentrale für Politische Bildung beschreibt die Waffe wie folgt: „Alle Personen, die sich im Angriffsgebiet aufhalten, werden mit großer Wahrscheinlichkeit getötet oder schwer verwundet.“
Ukraine könnte Fläche von 50 Fußballfeldern bombardieren
Und dieses „Angriffsgebiet“ ist riesig. Mit den bereits in der Ukraine vorhandenen Waffensystemen ließen sich mit einer Salve Streumunition bis zu 8000 Bomblets über eine Fläche von etwa 50 Fußballfeldern verteilen, berichtet die auf Blindgänger und explosive Kriegsreste spezialisierte Hilfsorganisation Handicap International.
Das UN-Menschenrechtsbüro in Genf verurteilte die US-Lieferung von Streumunition an die Ukraine: „Solche Munition tötet und verstümmelt Menschen lange nach dem Ende eines Konflikts“, sagte eine Sprecherin am Freitag. „Deshalb sollte der Einsatz umgehend gestoppt werden.“ Das Büro rief Russland und die Ukraine auf, dem Übereinkommen über Streumunition beizutreten.
Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Streumunition laut Handicap International in 43 Ländern von mindestens 23 Regierungen eingesetzt. In jüngerer Vergangenheit in Syrien, wo in weiten Teilen des Landes kaum noch ein Haus steht.
Kommentare
Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.