ÖGB übt Kritik

Start-up-Paket der Regierung: Stellungnahmen-Flut

Web
10.07.2023 15:36

Das am 7. Juli zu Ende gegangene Begutachtungsverfahren zum Start-up-Paket der Regierung hat zu vielen Rückmeldungen geführt. Zum flexiblen Kapitalgesellschafts-Gesetz und zum Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz gab es 62 Stellungnahmen, zum Start-up-Förderungsgesetz wurden 42 Stellungnahmen gezählt. Vor allem die geplante Absenkung des GmbH-Mindeststammkapitals von 35.000 Euro auf 10.000 Euro wurde kritisiert.

Kritik an der Herabsetzung des Mindeststammkapitals äußerten bis vergangenen Freitagmittag Gerichtsvertreter (u. a. Richtervereinigung, OLG Wien), Insolvenz-Entgelt-Fonds (IEF), Arbeiterkammer, Landwirtschaftskammer und der Haus- und Grundbesitzerbund (ÖHGB). Wirtschafts- und Start-up-Vertreter bewerten die geplanten Entwürfe positiv.

Bis Montag wurden noch weitere Stellungnahmen auf der Parlamentswebsite online gestellt. Das Justizministerium sichtet nun die eingegangenen Stellungnahmen und prüft sie inhaltlich. „Im Anschluss daran wird in Abstimmung mit dem Koalitionspartner zu klären sein, ob und wie weit Änderungen am ursprünglichen Entwurf vorzunehmen sind“, hieß es aus dem Justizministerium am Montag.

ÖGB kritisiert Mindestkapital-Herabsetzung
Für die Gewerkschaft ist die Herabsetzung des Mindeststammkapitals „nicht nachvollziehbar“. Der ÖGB wies in seiner Stellungnahme darauf hin, dass mit der Reform das Recht der Aktiengesellschaft unter Druck geraten könnte und „nicht-börsennotierte AGs in die FlexKapG wechseln, um sich den Vorgaben des Aktienrechts zu entziehen“.

Die neue flexible Kapitalgesellschaft soll eine Unternehmensform „zwischen GmbH und AG“ werden. Die Notare kritisieren, dass bei der flexiblen Kapitalgesellschaft künftig europaweit Anwälte „Urkunden“ zum österreichischen Firmenbuch einreichen können und warnen vor „der Verschleierung von Beteiligungsstrukturen“. Für die Kammer der Steuerberater wären die geplanten Änderungen auch durch eine entsprechende Modernisierung der GmbH-Rechtsform möglich gewesen und dadurch hätte eine zusätzliche und damit bisher unbekannte Rechtsform vermieden werden können.

Finanz- konsultierte Justizministerium
Das Finanzministerium übermittelte in seiner Stellungnahme einen Fragenkatalog an das Justizministerium, die sich auf die digitale Gründung der flexiblen Kapitalgesellschaft über das Unternehmensserviceportal (USP) beziehen. Das Wirtschaftsministerium plädierte dafür, im Gesetzesentwurf noch weitere Gründungserleichterungen vorzusehen. Das Sozialministerium wies auf mögliche Auswirkungen der Mindeststammkapital-Senkung hin. Die Herabsetzung bringe eine erhöhte Insolvenzgefahr finanzschwacher Start-ups mit sich, verbunden mit einer persönlichen Haftung der Gründerinnen und Gründer. „Es ist daher höchst empfehlenswert, komplementär zur geplanten Reform im Bereich des Insolvenzrechtes (Privatkonkurs) eine Gleichbehandlung zwischen persönlich haftenden Unternehmerinnen und Unternehmer sowie mithaftenden Bürginnen und Bürger herbeizuführen“, schreibt das Sozialministerium in seiner Stellungnahme.

Juristen reagieren unterschiedlich
Rechtswissenschaftler bewerten die Gesetzesentwürfe differenziert. Für den Grazer Zivilrechtler Walter Doralt sind die Reformvorhaben „insgesamt positiv und sehr zu begrüßen“. Eine eigene Rechtsform habe es aber nicht gebraucht, alle Neuregelungen hätten in das GmbH-Gesetz integriert werden können. Doralt befürwortet die Reduktion des Mindestkapitals. „Ein sachlicher Grund, dieses nicht auf einen Euro zu reduzieren, ist nicht erkennbar“, schreibt der Rechtsprofessor der Uni Graz in seiner Stellungnahme. Für den Wiener Unternehmensrechtler Ulrich Torggler sind die Entwürfe „ein begrüßenswerter Beitrag zur überfälligen Modernisierung des österreichischen Kapitalgesellschaftsrechts“. Dies reiche aber bei weitem nicht aus, um diesen Teil des österreichischen Gesellschaftsrechts international wettbewerbsfähig zu machen. „Insbesondere wurde die Gelegenheit verpasst, das GmbHG einer gründlichen Revision zu unterziehen, was den Bedarf nach einer neuen Gesellschaftsform beseitigen hätte“, so der Rechtsprofessor der Uni Wien.

Der Rechtsprofessor von der Uni Salzburg, Friedrich Harrer, sieht durch die Reduzierung des Mindeststammkapitals keinen wesentlichen Beitrag zur Vereinfachung der Unternehmensgründung. „Das Stammkapital ist eine Komponente bei der Projektierung eines neuen Unternehmens. Zentrale Bedeutung hat dieses Element nicht“, so Harrer.

 krone.at
krone.at
Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Kommentarfunktion steht Ihnen ab 6 Uhr wieder wie gewohnt zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
das krone.at-Team

User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.



Kostenlose Spielechevron_right
Vorteilsweltchevron_right