„Krone“-Interview

Beatrice Egli: „Ich musste einfach loslassen“

Musik
13.07.2023 09:00

Mit ihrem brandneuen Album „Balance“ landete der Schweizer Schlagerstar Beatrice Egli zum bereits fünften Mal auf Platz zwei der österreichischen Charts. Mit dem zehnten Album nabelte sich die 35-Jährige von ihrer Vergangenheit ab und stellte ihr komplettes Team um. Warum das nötig war, wie sie sich in der neuen Umgebung fühlt und was das alles mit dem Besteigen des Matterhorns zu tun hat, das verrät sie uns im „Krone“-Talk.

(Bild: kmm)

„Krone“: Beatrice, obwohl es bei dir seit Jahren gut läuft, hast du über die Pandemie alles verändert. Neue Plattenfirma, neues Management, neues Team und nun mit „Balance“ auch ein neues Album. Wieso war das überhaupt notwendig?
Beatrice Egli:
 Es gibt die Zeit vor der Pandemie und jene danach. Währenddessen war es mir nicht möglich, meiner Berufung nachzugehen und ich hatte Zeit, viel nachzudenken. Ich wollte meine große Liebe Schlager neu kennenlernen und durch die Musik auch für mich einen Neuanfang finden. In der Pandemie habe ich mit dem Matterhorn einen der gefährlichsten Berge bestiegen und das hat mir gezeigt, dass man alles schaffen kann, wenn man Schritt für Schritt seinen Weg geht. Mein altes Team habe ich sehr geschätzt und ich bin mit ihm groß geworden. Es hat mich sehr geprägt und doch war es so wie bei einem Kind, das spürte, dass es ausziehen möchte. Das Loslassen für mich sehr emotional. Ich habe allen offen gesagt, dass es Ende 2022 den Cut geben muss und ein neuer Weg eingeschlagen wird. Ich bin gegangen, aber viele haben ihre Türen zu mir offengelassen. Alte Kollegen freuen sich mit mir und dem Erfolg von „Balance“ - sie haben die Entscheidung nicht persönlich genommen, wofür ich sehr dankbar bin. Wenn man loslässt, wird man dabei wahnsinnig leicht und das hört man „Balance“ an. Das Produzenten-Team Achtbahn hat meinen Sound noch einmal stark verändert.

Es hat ihn vor allem unheimlich poppig gemacht.
Genau. Der Schlager ist schon so lange erfolgreich, weil er immer mit der Zeit gegangen ist. Er klingt nicht mehr wie in den 60er-Jahren, aber deshalb hat er sich auch so gut entwickelt. Mit „Balance“ hat der Schlager ein neues Soundgewand bekommen. Meine Stimme ist noch dieselbe. Energie und Leichtigkeit sind auch noch so essenziell wie früher.

Bist du stolz darauf, dass du den Schlager der letzten gut zehn Jahre entscheidend mitgeprägt hast?
Für mich ist der Schlager wie ein Geschenk. Seit ich neun bin, wollte ich Schlagersängerin werden und als ich bei „DSDS“ war, war das alles noch ganz anders als heute. Ich freue mich irrsinnig, dass diese erste große Liebe in meinem Leben so geschätzt und gefeiert wird, das bedeutet mir sehr viel. Schlager ist meine Lieblingsmusik und für sie habe ich allen Gegenwind auf mich genommen. Es ist schön zu sehen und auch zu hören, wie das Genre heute dasteht und wie es in der Gesellschaft in allen Generationen anerkannt ist. Nicht jeder muss den Schlager mögen, aber er hat seine Daseinsberechtigung.

„Balance“ ist dein zehntes Album in 15 Jahren. Während der Pandemie konntest du natürlich nicht auftreten und reisen und gerade bei Schlagerkünstlerinnen, die permanent unterwegs sind, war das eine kräftige Zäsur. Hat dich diese Erfahrung nachhaltig verändert?
Ich hatte Zeit, um zu reflektieren und das Matterhorn zu besteigen. Dabei habe ich auch bemerkt, dass ich die Musik vielleicht noch einmal neu denken möchte. Jetzt ist es so, dass ich endlich wieder ein Album bringe und es zu leben beginnt. Nach Jahren stehe ich wieder auf der Bühne und bin vereint mit den Menschen, die diese Musik hören. Ich höre meine Musik mit ihnen, von ihnen. Wir leben eine Gemeinschaft und sind wieder unterwegs - das habe ich wahnsinnig vermisst. Das war ein wichtiger Teil, der in meiner Lebensbalance gefehlt hat.

Die Balance muss man richtig einstellen. Viele Künstlerinnen haben Burn Outs erlitten und mussten zurückschrauben, weil es immer nur rasant nach vorne geht. Erkennst du Erschöpfungszeichen früh genug?
Man lernt das. Ich hatte 2018 einen Moment, wo ich körperlich an meine Grenzen kam und stoppen musste. Das hat mich sehr verändert und seither lebe ich viel bewusster. Wenn man etwas sehr liebt, vergisst man sich schnell dabei. Es ist wie in einer Glücksblase, weil einen die Tätigkeit erfüllt. Ich liebe es, ans Limit zu gehen, weil ich dadurch immer wieder meine Grenzen neu kennenlerne. Das kann ich durch diesen Neuanfang stärker genießen. Mein Team übernimmt zu 1000 Prozent Verantwortung nicht nur für die Sängerin, sondern auch für den Menschen Beatrice Egli. Sie haben meine Zeiten und Termine im Blick, weil mir manchmal die Weitsicht für das Große fehlt. Ich kann mich so sehr wie noch nie nur auf das fokussieren, was ich gut kann und liebe: die Musik, das Livespielen, das Moderieren und das Podcasten. Die ganze Organisation konnte ich komplett abgeben und das erleichtert ungemein.

Das Matterhorn zu besteigen, erfordert auch Vertrauen und Teamwork. Wurde dir das über die Jahre zunehmend wichtiger?
Das Matterhorn ist für viele eine Bergbesteigung, für mich war es eine Lebensveränderung. Es war immer ein Traum von mir, irgendwann dort hinaufzugehen und ich habe mich ein Jahr lang intensiv darauf vorbereitet. Dadurch, dass ich meinen Traumjob nicht mehr erfüllen durfte, kam Zeit für diese Mission in mein Leben. Ich habe mich emotional und körperlich so kennengelernt wie nie zuvor und der Berg hat mir Weisheiten fürs Leben beigebracht. Beim Bergsteigen lebst du den Moment. Gehst du nicht den richtigen Schritt und greifst den richtigen Griff, ist dein Leben vorbei. Es zählt weder, was davor war, noch was kommt. Wenn du mit deiner Willenskraft deinen Weg in deinem Tempo gehst, ist alles möglich. Ich hatte Menschen, die mir gezeigt haben, wie man klettert und seine Kraftreserven einteilt. Ich habe das Vertrauen in die Hände meiner Bergführerin gelegt, weil sie mich sicherte und führte.

Auf so einen Menschen muss aber auch hören und das hat mir wiederum Vertrauen in mich gegeben. Ich kann heute auch leichter Vertrauen abgeben. Ich bin eine andere Frau als vor dem Matterhorn. Es hat wahnsinnig viel in mir ausgelöst und mir eine irrsinnige mentale Kraft gegeben. Das hilft gerade bei einem Neuanfang, weil dort nicht alles vertraut, komfortabel und schön ist. Man lässt vieles los, was wehtut, und die ersten Schritte geht man erst einmal alleine. Eine Nummer eins in den Charts ist wie auf dem Matterhorn zu stehen. Man ist dort und denkt „wow, wie schön“, aber man muss auch wieder runter. Es geht nicht um den Moment des Erfolgs, sondern um das Jahr davor. Das Training und die Vorbereitung. Das ist zwei Jahre her und da ist sehr viel passiert.

Hattest du die Idee für die Matterhornbesteigung während der Pandemie, oder geisterte dieser Gedanke schon davor in deinem Kopf herum?
Ich bin manchmal wahnsinnig naiv und höre gerne auf mein Gefühl. Zum Glück setzt dann der Verstand ein und sagt mir, was man für dieses Vorhaben alles braucht. Es ist aber auch gut, dass der Verstand nicht zuerst einsetzt, denn sonst würde ich viele Dinge nie machen. Als die Pandemie kam, dachte ich, es ginge gleich wieder weiter, aber dem war nicht so. Mein damaliger Manager meinte, jetzt wäre Zeit dafür, all meine Träume und Wünsche in Angriff zu nehmen und dann schaltete ich schnell um. Ich befasse mich nicht lange mit Dingen, die ich nicht ändern kann - das bringt mir nichts. Ich konnte meinen Fokus neu einstellen und meine Einstellung ändern. Das mache ich generell. Auch bei Geschichten und Kommentaren über mich.

Zum Thema Geschichten und Kommentare - die Gerüchte mit dir und Florian Silbereisen werden seit geraumer Zeit heiß gekocht. Dazu kommt die gemeinsame Nummer „Das wissen nur wir“ auf deinem neuen Album. Du spielst schon auch gerne mit diesen Ambivalenzen?
Ob wir das Lied herausgebracht hätten oder nicht, es wäre mit uns in der Presse sowieso weitergegangen. Das Schöne ist ja, dass all diese Artikel diesen Song quasi geschrieben haben. Ich halte mein Privatleben schon seit jeher komplett privat und das ist mir extrem wichtig. Trotzdem kann man dem aber mit einem Lächeln entgegengehen. Florian und ich haben großen Spaß daran und vielleicht sind wir ja ein paar… ein paarmal zu weit gegangen - aber das wissen nur wir und genießen es, den Spieß jetzt mal umzudrehen. (lacht)

Führt deine angesprochene Naivität im positiven Sinne dazu, dass du dich auch gerne überall ausprobierst? Moderieren, Podcasten, vielleicht sogar einmal ein Buch schreiben?
Ich habe in der Pandemie sogar an einem Buch geschrieben, es aber nie veröffentlicht. (lacht) Ich hatte so viel Zeit und schrieb mit einer Autorin zusammen meine Vergangenheit auf. Es hat mir sehr geholfen, mich zu reflektieren, aber ich bin zu stark nach vorne ausgerichtet und habe keine Lust, meine Vergangenheit zu veröffentlichen. Das Buch ist jetzt eben für mich da und das ist auch gut so und damit abgeschlossen. Ich bin durch meine Vergangenheit und all meine Erfahrungen der Mensch, der ich bin, aber ich möchte mich weiterentwickeln und deshalb ist mein Fokus nach vorne ausgerichtet.

Hast du eine klare Vision, wo du hinwillst oder lässt du das eher auf dich zukommen?
Ich habe eine Zielrichtung: das zu tun, was mich erfüllt und glücklich macht. Jeder Tag fühlt sich momentan gut an, ich bin stark und fühle mich so leicht wie nie zuvor. Garantiert ist, dass ich immer das machen werde, was mir Freude bereitet und wobei ich ehrlich sein kann. Ich muss immer mehr Energie aus meiner Tätigkeit schöpfen, als dass ich welche verliere. Das ist mir besonders wichtig.

Hast du in den letzten Jahren auch die Öffentlichkeit und den Applaus vermisst?
Ich habe vermisst, die Musik zu teilen, die ich so liebe. Ich habe es auch vermisst, das Strahlen der Menschen zu sehen. Zu bemerken, wie sie mitsingen und sich ein ganzer Raum dadurch verändert. Auch das Unterwegssein und das Live musizieren. Davon leben wir und ich rede nicht vom Finanziellen, sondern vom Bedürfnis für die Seele. Natürlich haben wir versucht, dieses Gefühl über das Streaming zu ersetzen, aber das war nur ein Bruchteil dessen, was es wirklich ist.

Ist die Jagd nach neuen Rekorden, Bestleistungen und mehr Nummer-eins-Alben etwas, das dich anspornt und animiert?
Ich habe mir sehr gewünscht, dass wir an die Spitze der Charts kommen. Nach zehn Jahren in diesem Business ist nichts selbstverständlich und mit den neuen Klängen und dem neuen Team war ich sehr aufgeregt und schlaflos. Ich will den Menschen Energie geben und sie motivieren. Vor zwei Wochen hat mich ein achtjähriges Mädchen gesehen und sie hat vor Freude geweint. Sie wollte mit mir „Neuanfang“ singen. Das ist das schönste Geschenk, das es gibt. Sie hat mich nicht vor zehn Jahren bei „Deutschland sucht den Superstar“ erlebt, sondern lernte mich jetzt mit „Balance“ kennen. Das bereitet mir irrsinnig viel Freude und motiviert mich. Gleichzeitig möchte ich das Publikum schätzen und pflegen, das schon all die Jahre für mich da ist.

Willst du musikalisch trotz allem die Brücke zu deiner Vergangenheit schlagen, oder forderst du lang gediente Fans schon dazu auf, den neuen Weg mitzugehen?
Ich mache immer das, was mir Spaß macht. Meine Stimme ist purer Schlager und weil ich ihn so sehr liebe, werde ich ihn immer singen. Er klingt heute anders als früher, aber es gibt mehr als 200 Songs von mir, aus denen man wählen kann. Es macht auch etwas aus, wenn die Musik überraschend bleibt und die Reise weitergeht. Ich bin mir dessen bewusst, dass ich sehr neu klinge. Es ist der Schlager 2023, aber meine Stimme gibt dem Ganzen trotzdem Vertrautheit.

Auch die Liveshows werden immer größer. Riesige Bühnen, bahnbrechende Effekte und Helene Fischer turnt mit dem Cirque du Soleil herum. Planst auch du neue Revolutionen in diese Richtung?
Das Album fängt jetzt an zu leben und bekommt ein Live-Gewand. Gemeinsam mit den Fans entscheide ich jetzt, was wir live spielen und die Fans werden auch die Klassiker im neuen Gewand bekommen. Es gibt echte Gitarren, ein echtes Schlagzeug und auch die Bühne wird spektakulär zusammengestellt. Wir erschaffen uns die Livewelt visuell und auditiv komplett neu. Alle, die meine Shows besuchen werden, werden energiegeladen und motiviert nach Hause gehen. Das ist mein größter Wunsch. Menschen auf ihrem Weg im Guten zu begleiten und mit meiner Musik Kraft geben.

Hast du nach wie vor genug Kraft, um auf all deinen Hochzeiten zu tanzen und alles unter einen Hut zu bringen?
(lacht) Mein Fokus liegt auf meiner Stärke. Beim Podcast geht es darum, das Gespräch zu führen. Beim Moderieren bin ich die Gastgeberin und auf Tour die Sängerin. Ich kann mich deshalb so stark darauf konzentrieren, weil ich alles abgegeben habe, was dahintersteckt. Ich habe jetzt so viel Verantwortung übernommen wie nie zuvor, habe sie gleichzeitig aber auch weitergegeben und auf mehrere Schultern verteilt. Die Unterhaltung ist meine Berufung. All das, was ich mache, bin ich.

Geht als es nächstes auf den Mount Everest?
(lacht) Mit dem Besteigen des Matterhorns bin ich überglücklich. Zuletzt habe ich eine Mountainbike-Challenge gemacht, da ging es steil bergab. Ich werde mich körperlich immer wieder herausfordern, aber der Mount Everest ist gar nicht meins. Das Matterhorn war mit wandern und klettern sehr abwechslungsreich. Wenn ich zu viel gehe, kommt das Kopfkino und ich werde mental schwächer. Beim Klettern hat man diese Zeit nicht. Die neue Tournee ist mein musikalisches Matterhorn und ich bringe „Balance“ nun zum Publikum.

Obwohl du das Musikgeschäft mittlerweile lange genug gewohnt bist - hast du noch immer eine hohe Adrenalinausschüttung auf der Bühne?
Es gibt keine Gewohnheit in der Musikbranche. Es ist jedes Mal etwas Neues, die Menschen zu erobern und Beständigkeit ist extrem schwierig. Die Aufregung ist über die Jahre tatsächlich mehr geworden, aber auf der Bühne bin ich dann schneller entspannt. Nur im Vorfeld ist das ganz anders und bleibt auch so. Es ist der Respekt und die Demut, die über die Jahre immer mehr gewachsen sind.

Weil du das Wort Verantwortung so betont hast - bist du im Musikgeschäft erwachsen geworden? Hat es dich in deinem Entwicklungsprozess über die Musik hinaus geprägt?
Ja, durchaus. Das vertraute Umfeld der letzten zehn Jahre war wie meine Familie. Sie haben mich auf die Branche vorbereitet und mich wachsen lassen, aber jetzt habe ich Flügel gekriegt. Ich habe die Verantwortung übernommen, um Entscheidungen zu treffen, die nach außen hin nicht gleich verständlich erscheinen oder hinterfragt werden. Ich bin mir meiner Entscheidungen bewusst und bleibe dabei, auch wenn sie von außen nicht respektiert werden. Vertrautes loszulassen, hat in mir viel Selbstvertrauen ausgelöst. Auf der Bühne kann ich eine kindliche Naivität beibehalten, dort habe ich den Raum dafür. Meine Konzerte sind ein Riesenspielplatz, wo wir den Moment genießen und den Kopf ausschalten dürfen. Nach zwei Stunden Show ist aber auch die Verantwortung da, alles zusammenzupacken, weiterzuziehen und sein Team zu beschäftigen. Ich finde das schön und mir hat es gutgetan, erwachsen zu werden, ohne mein kindliches Herz zu verlieren.

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