Gedenkstätte im Wald

Zwei Steirer bewahren ein geheimnisvolles Marterl

Steiermark
15.07.2023 06:00

Es erinnert an ein dunkles und grausames Verbrechen im Zweiten Weltkrieg: Dank der Initiative von zwei Südweststeirern gerät eine Gedenkstätte im Wald nicht in Vergessenheit.

Als Johann Lampl in den 1950er-Jahren in die Volksschule St. Ulrich im Greith ging, legte er gemeinsam mit sechs weiteren Kindern vom Ferstlberg die zwei Kilometer lange Strecke zu Fuß zurück. Von einem Schulbus war damals noch keine Spur. Die gemeinsamen Erlebnisse sind dafür bis heute in guter Erinnerung geblieben.

Mit Pferd Weg freigeräumt
Im Winter hat es damals noch ausgiebig geschneit. „Lag viel Schnee, so hat uns der Vater mit dem Pferd und einem Spitzpflug den Weg freigeräumt.“ In der Adventzeit hieß es früh aufstehen, denn Johann Lampl war mit drei weiteren Buben für das „Z’sammläuten“ eine Viertelstunde vor der Rorate, die um sechs Uhr begann, zuständig. Während die vier am Glockenstrick zappelten, war auch der Organist bereits in der Kirche. Er hatte den gleichen Weg. „Manchmal hefteten wir uns an seine Fersen, aber wir konnten mit ihm nicht mithalten, weil er so große Schritte machte.“

„Umageher“ erfroren - keiner vermisste ihn
Auf dem Weg durch den Wald kamen die Kinder an einem Marterl vorbei. „Oft hat mir die Mutter ein Sträußerl Blumen zum Einfrischen mitgegeben“, erinnert sich Lampl.

Erst viel später hat er erfahren, was es mit dem Marterl auf sich hat. „Die Dirn Pepi hat es mir erzählt.“ Beim Zuhören lief ihm ein Schauer über den Rücken. Laut der Erzählung soll an dieser Stelle während des 2. Weltkriegs ein „Umageher“ mit einer Schleuderkette an einem Baum festgemacht worden sein.

Johann Lampl (li.) und Fritz Schmidt haben das Marterl bewahrt. (Bild: Fürbass Josef)
Johann Lampl (li.) und Fritz Schmidt haben das Marterl bewahrt.

„Umageher“ - auch als Landstreicher bezeichnet - zogen einst übers Land und halfen gegen Kost und Quartier in Haus und Hof mit. Über die näheren Umstände dieses Dramas, das sich im Winter abgespielt haben soll, ist nichts bekannt. Da der Fremde nicht aus der Gegend war, ging er im Ort niemandem ab. Als man ihn fand, war er bereits tot. Erfroren und in der Folge von wilden Tieren zugerichtet.

Knecht und Magd packten an
Es ist eine Geschichte, die - wenn sie sich auch nur ansatzweise so zugetragen hat - betroffen und fassungslos macht. Auch dem Knecht Seppl ging sie nicht aus dem Kopf. Er fertigte ein Marterl an, das er mit einer Kette an einer Fichte anbrachte. Die Magd Pepi stattete es mit einem Bildnis von der Muttergottes aus. Als die Eltern von Lampl nach dem Krieg das Anwesen vulgo Hudner käuflich erwarben, blieben der Seppl und die Pepi, die als Dienstboten hier tätig gewesen waren, am Hof. 

Enkerl kommt an der Gedenkstätte vorbei
Irgendwann fiel die Fichte um, auch das Marterl war längst morsch geworden. Das ist 20 Jahre her. Heuer haben der „Hudner Hans“, wie Johann Lampl in seiner Heimat genannt wird, und Fritz Schmidt vulgo Finsterl, in dessen Wald sich das Marterl befindet, eine neue Gedenkstätte geschaffen.

Heute kommt Lampls Enkel Georg auf seinem Schulweg hier vorbei. Er besucht die 2. Klasse und geht seit diesem Schuljahr zu Fuß zum Unterricht. Wie schon sein Opa wird wohl auch er hin und wieder ein Sträußerl Blumen für das Marterl mit dabei haben.

Josef Fürbass, Kronen Zeitung

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