Live in der Arena

Tash Sultana: Zu den Geburtstagen geht‘s nach Wien

Wien
18.07.2023 01:18

Und täglich grüßt das Murmeltier - mit der fast gleichen Bühnenausstattung und einer minimal variierten Setlist begeisterte Tash Sultana vor knapp einem Jahr nach dem letzten Stelldichein am Montagabend erneut am Open-Air-Gelände der Wiener Arena. Dabei war auch Platz für einen brandneuen Song und unheimlich viel Freude an der Profession.

Weltkünstler und Wien - dahinter stecken für gewöhnlich eher ausbaufähige Beziehungen. Können Sie sich daran erinnern, dass sich ein Kaliber der Marke Axl Rose jemals über den bahnbrechenden Sound im Happel-Stadion gefreut hat? Dass jemand den Wiener Gasometer als geilsten Club der Tour feierte und die Stadthalle als modernes und konkurrenzfähiges Top-Venue qualifizierte? Eben. Wenn Musiker sich wohlig an Wien erinnern, dann liegt das meistens an einem knusprigen Schnitzel vom Figlmüller oder weil der Prater halt wirklich Spaß macht. Wenn einem dort nicht die Räder gestohlen werden, aber das ist eine ganz andere Geschichte. Glänzende Augen kriegen die meist nur, wenn es sich um die Arena handelt. Jene seit knapp 50 Jahren bestehende Kulteinrichtung, die ein paar frisch zugezogene Neureiche von üppig geförderten BUWOG-Türmen gerade wegen Lärmbelästigung anprangern.

(Bild: Andreas Graf)

Besondere Beziehung
Wie wichtig Kultur und Lärm im öffentlichen Raum sind, das ist Tash Sultana bewusst. Mehrmals wird ans Ohr gegriffen, um ohrenbetäubenden Jubel und Lärm zu fordern - die rund 3000 Fans am fast ausverkauften Open-Air-Areal nehmen die Einladung dankend an und schicken neben viel Liebe auf die Bühne wohl auch einen metaphorischen Mittelfinger auf die massiven Hochbauten. Sultana konzertiert in fünf Jahren das vierte Mal hier und gehört schon fast zum Inventar. Tash Sultana und Wiener Arena viben einfach, wie man das im Neusprech möglichst cool ausdrückt. Heute feiert zudem Tashs Ehefrau Jimmy Geburtstag und lässt sich von den Fans besingen. „Das ist das dritte Mal, dass in dieser verdammten Venue jemand von uns Geburtstag feiert“. Bei weitem keine schlechte Bilanz. Respekt, Herr Specht.

(Bild: Andreas Graf)

Im Direktvergleich zum Vorjahr hat sich am Bühnensetting wenig verändert. Tash hat zwei Pedals vor sich am Boden stehen, changiert zwischen unzähligen Instrumenten, trägt Sneakers und Basecap und lässt nach einem flotten Eröffnungstrio, bei dem vor allem das verlängerte „Pretty Lady“ zu überzeugen weiß, leicht verspätet ihre Band auf die Bühne. Schlagzeuger, Bassist und Keyboarderin tragen kollektiv Sonnenbrille und reihen sich wie eine lineare Schutzflanke hinter dem Top-Star des Abends ein. Im Publikum vermischen sich Altbekannte mit vielen neuen Gesichtern. Der Anteil an weggerauchten Tabakwaren ist im Direktvergleich zu sonst exorbitant und so mancher dürfte seine verstrahlte Fröhlichkeit nicht dem Speisepilz Parasol zu verdanken haben.

(Bild: Andreas Graf)

Befreit aufspielen
Wie nirgendwo anders versammeln sich in Sultanas Spiel die Welten. Australische Folklore, britischer Indie, der Soul der 70er-Jahre, jamaikanischer Reggae und wildwuchernde Stromgitarrensoli, bei denen Sultana - auch frisurentechnisch - an Zylindermeister Slash erinnert. Vor der Band rangiert ein Regenbogen mit einem Flamingo, die große Videowall überträgt passend psychedelisches Bewegtbild zu den jeweiligen Liedern. Bei „Greed“ flattern etwa Dollarscheine über den Bildschirm. Während das wundervolle „Notion“ erklingt, shreddert die E-Gitarre für zwei Minuten erbarmungslos, dahinter blitzt eine Schlange hervor, die fast schon an den 80er-Testosteron-Rock á la Whitesnake gemahnt. Mit dem versatilen Equipment und einem wuchtigen Sound im Rücken lässt gut befreit aufspielen. Vor allem auch dann, wenn man sich nach all den Jahren hier schon heimisch fühlt.

(Bild: Andreas Graf)

Sicher balanciert Sultana zwischen den beiden Außenpodesten auf der Bühne und bietet Fertigkeiten feil, was nicht niet- und nagelfest ist. Hier mal ein ausuferndes Saxofon-Solo, dort ein bisschen Trompete. Hier ein durchdringendes Gitarren-Solo, dann werden wieder Loop-Station und Elektronik bemüht. Unauffällig und bemüht unterstützt die brave Band Sultanas Vorhaben, aber bei der schier unendlichen Menge an Talenten und Leidenschaften könnte man sich Tash auch gut und gerne alleine auf der Bühne vorstellen. So wie es vor der Pandemie schon einmal der Fall war. Von der im August erscheinenden neuen EP „Sugar“ gibt es übrigens nur das sehr poppige und sich deutlich von den älteren Songs unterscheidende „New York“ zu bejubeln. Die ebenfalls bereits ausgekoppelte Single „James Dean“ bleibt vorerst noch stecken.

(Bild: Andreas Graf)

Pause für die Arbeit
Das immer noch aktuelle Album „Terra Firma“ aus 2021 bekommt eindeutig den Vorzug und passt mit seinem breit angelegten Sound auch ganz gut zur kunterbunten und vielseitigen Lichtshow. Sultana gniedelt und fiedelt sich durch das Set, schafft es trotz allem aber immer, nicht zu sehr in der instrumentalen Egozentrik hängenzubleiben, sondern im richtigen Moment eine Art Refrain zu liefern. Ein bisschen fehlt es aber noch immer an Hits, so müssen es auch heuer wieder „Notion“ und der YouTube-Wunder-Song „Jungle“ richten. Letzteren verwandelt Tash durch den Einsatz einer Vielzeit an Instrumenten von einem Reggae-Song und Rock-Kracher zu einer sanften Elektronik-Kante, bis schlussendlich ballernder Techno aus dem Äther schießt. Eine herzhafte Version von „Blackbird“ beschließt das bunte Treiben nach knapp zwei Stunden. So schön es auch wieder war, es wäre nun einmal Zeit für eine Livepause mit Fokus auf ein neues Album. Leichte Ermüdungserscheinungen kann Tash nämlich nicht verleugnen.

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