Nachdem die EU und Tunesien am Wochenende ein Abkommen zur intensiveren Zusammenarbeit bei der Bekämpfung illegaler Migration geschlossen haben, dauerte es nicht lange, bis es von Experten Kritik hagelte. Migrationsforscher Gerald Knaus macht seinen Zweifel etwa in einem Interview Luft. Der Deal sei „zu vage“, zu „unpräzise“ und Menschenrechte „stehen nur in einem Nebensatz“.
Hintergrund dafür ist der EU-Tunesien-Deal, der am Wochenende abgeschlossen wurde. Das nordafrikanische Land dient nämlich aktuell als größter Knotenpunkt der Migrationsroute über das Mittelmeer. Das Abkommen soll Europas Problem mit der unkontrollierten Einreise von Menschen über das Meer lösen. Die EU schickt Finanzhilfen nach Tunesien, dessen Regierung soll im Gegenzug stärker gegen illegale Überfahrten vorgehen.
Das sorgt nicht nur für Skepsis seitens tunesischer Staatsbürger, sondern auch von renommierten Experten wie dem Migrationsforscher Gerald Knaus, der in einem Interview mit der ORF-„ZiB 3“ seine Zweifel und Kritik ausdrückt.
„Es braucht präzise Anreize und Verantwortungen“
Grundsätzlich erscheint Knaus das Ziel, irreguläre Migration über das Mittelmeer zu bekämpfen, in einer Situation, in der bereits 1800 Menschen in den letzten sechs Monaten ums Leben gekommen sind, legitim. Allerdings sei der Deal „sehr vage“ und es brauche ein klares Konzept. Außerdem stellt der Experte infrage, ob es seitens der EU den Willen gebe, die Menschenrechte, die das Fundament der europäischen Einigung und Demokratie bilden, auch in so einem Abkommen durchzusetzen.
„Menschenrechte stehen nur in einem Nebensatz“
Bis jetzt gehen die tunesischen Behörden wohl weniger glimpflich mit den migrationswilligen Menschen beziehungsweise den Abgeschobenen um. Berichten zufolge gab es sexuelle Übergriffe und sogar verbrannte Pässe. Auch Aussetzungen in die Wüste oder Schläge seien nicht unüblich. Gerald Knaus kritisiert in diesem Zusammenhang die Verschwiegenheit der EU in Bezug auf diese Vorfälle. Wichtig sei Transparenz und die EU-Staaten sollen „zu einer klaren Sprache zurückfinden“ - den Leuten „sagen, was wir wissen und sehen“. Menschenrechte stehen jedoch im EU-Tunesien-Deal „nur in einem Nebensatz“.
„Ich fürchte, dass das, was man erreichen kann auf Kosten der Menschenrechte umgesetzt wird.“
Gerald Knaus, Migrationsforscher und Leiter der Denkfabrik europäische Stabilitäsinitiative
Es geht auch ohne Deal
Außerdem spricht Gerald Knaus, der die Denkfabrik europäische Stabilitäsinitiative leitet, von etwaigen Alternativen, illegale Migration zu reduzieren.
Ein Abkommen mit Tunesien für legale Arbeitsmigration sei angesichts der Tatsache, dass es so viele Studenten wie nie zuvor in der Geschichte des Landes gibt, besonders vorteilhaft. Um gegen irreguläre Migration von Schutzsuchenden vorzugehen, sei es wichtig, sichere Drittstaaten zu finden.
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