Wenn sich Politiker selbst ermahnen: Zu erleben war das bei der Eröffnung der 77. Bregenzer Festspiele, die am Mittwoch im Festspielhaus über die Bühne ging. Im Zentrum der Reden standen die zahlreichen Krisen, aber auch den Chancen wurde Raum gegeben.
Die Eröffnung der Festspiele ist sicher das wichtigste gesellschaftliche Event des Jahres in Vorarlberg - abseits vom „Sehen und Gesehenwerden“ aber ist der Anlass auch immer ein Stimmungsbarometer. Heute, da man kaum Zeit hat, sich von einer Krise zu erholen, ehe der Schatten der nächsten bereits die einst helle Zukunft einzutrüben beginnt, sehnt man sich fast zurück in Zeiten, da politisch kernige Festspielreden netter Zierrat waren, vor denen keiner Angst haben musste, weil sie im Grunde niemanden weh taten.
Heute ist das anders: Undenkbar, sich in einer derartigen Rede nur der Freiheit der Kunst zu widmen - oder meist noch zahnloser: der Kraft der Kunst. Heute werden vor einer Festspieleröffnung nur noch Wetten darüber abgeschlossen, welche der vielen Krisen von den Rednern wohl aufgegriffen wird. Zur Auswahl steht ja so einiges.
Aktiv das Morgen gestalten
Und so wundert es wenig, dass sogar Festspiel-Präsident Hans Peter Metzler - von Amts wegen zuständig für den ebenso repetitiven wie notwendigen Begrüßungsreigen - auf eben diese übergroße Krisenhaftigkeit eingegangen ist. Er erinnerte daran, dass ein lebenswertes Heute immer eine Folge von vorausschauenden Entscheidungen der Vergangenheit sei. Und dass es genau solche Entscheidungen auch jetzt bräuchte - und zwar in so gut wie allen gesellschaftlich relevanten Bereichen. Im Publikum erkenne er viele, so Metzler, die dieses Morgen aktiv gestalten müssten.
Auch Vizekanzler Werner Kogler widmete sich der Krisenhaftigkeit unserer Zeit - und versuchte, die Herausforderungen in Chancen zu übersetzen. Zudem erinnerte er daran, dass auch die Vergangenheit immer wieder von Krisen geprägt war, von Bedrohungen und Einschränkungen - und dass diese Herausforderungen gemeistert worden sind. Das sei doch auch ein Grund für Zuversicht. Angst, so Kogler, wäre jedenfalls ein schlechter Ratgeber. Wenngleich er es durchaus verstehen könne, dass viele Menschen angesichts der großen Aufgaben bange in die Zukunft blicken. Gefordert sei jetzt nicht nur das Individuum, sondern vor allem die Gemeinschaft. Mit vereinten Kräften müssten nun bekannte Lösungen angewandt und neue gefunden werden - gegen den Widerstand von Populisten, die „gar keine Lösungen wollen“, weil sie sonst nicht mehr ihre Parolen zum Besten geben könnten.
Mut braucht es - vor allem in der Politik
Populisten seien ohne Antwort und „damit verantwortungslos“. In diesem Punkt überschnitt sich Koglers Rede mit jener von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der ebenfalls dem Populismus den Kampf ansagte. Kogler beschwor die Kraft des gemeinsamen Weges: „Stärke durch Gemeinschaft statt Schwächung durch Spaltung“ sei nun das Mittel der Wahl. Deswegen sollten sämtliche politische Kräfte zusammenwirken. Um die Zukunft nicht zu erleiden, sondern mit Leidenschaft zu gestalten, brauche es zudem Entscheidungen, die mit mehr Mut als bisher getroffen werden müssten - das gelte für Verantwortungsträger und erst recht für Politiker, „für uns“.
Zwischen den Reden wurden künstlerische Einblicke in die einzelnen Produktionen der Festspiele gewährt - so war das Blumenduett aus „Madame Butterfly“ (Seeproduktion) zu hören - wie auch ein Medley aus der Massenet-Oper „Werther“ (Premiere am 14. August) oder die südafrikanische Hymne „Rea Ho Leboha“ (Konzert am 8. August mit dem Bochabela String Orchestra).
Puppen-Pein als Zwischenmoderation
Als zumindest diskussionswürdig dürfen wohl die Zwischenmoderationen von Nikolaus Habjan samt Puppen bezeichnet werden. Seit eh und je kindgerecht angelegt, wirkten die Wortspenden angesichts der Reden über Krieg, Krise und Inflation heuer besonders uninspiriert. Vielleicht bietet sich spätestens im Zuge des Intendantinnenwechsels auch die Gelegenheit, das Moderationskonzept zu überdenken.
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