Giuseppe Verdi ist bei den Bregenzer Festspielen ein guter Bekannter, die Seebühne hat dem großen italienischen Opernkomponisten viele magische Momente zu verdanken. In diesem Jahr feierte seine kaum bekannte Oper „Ernani“ eine fulminante Premiere im Festspielhaus.
Es ist eine große Choroper mit einer haarsträubenden Geschichte, die sich im Jahr 1519 im Vorfeld und anlässlich der Krönung Don Carlos zum deutschen Kaiser Karl V. auf dem Thron Karls des Großen abspielt: der Bandit Ernani fällt nach seinem Rachefeldzug gegen Don Carlo, durch den seine Familie ihrer Besitztümer und ihrer Titel beraubt wurde, der Rache des Don Ruy Gomez da Silva zum Opfer, der ihm die Gunst Elviras, seiner Nichte, neidet.
Regisseurin Lotte de Beer (im Hauptberuf Intendantin der Wiener Volksoper) zieht im archaischen Bühnenbild von Christof Hetzer alle Register einer zündenden Verdi-Oper und zeigt die irrwitzige Handlung sehr konsequent als absurdes Theater. Bei Verdi geht es natürlich um Eifersucht und Liebe, aber so einfach will es sich Lotte de Beer nicht machen: „Eigentlich gilt: Wenn man eine absurde Geschichte erzählt, kann man daran die Absurdität der Menschheit demonstrieren. Es ist eine Geschichte des Versagens über ein gescheitertes Wesen: Uns Menschen. Wir haben immer die Option das Gute zu tun, aber aus irgendeinem Grund scheitern wir dran. Ich glaube, dass wir es wollen, aber unser Ego steht im Weg.“
Sehr konkret dagegen waren die fulminanten Sängerleistungen: Guanqun Yu ist eine atemberaubende Elvira. Ihr klarer hochdramatischer Sopran übertönt Orchester und Chöre scheinbar mühelos. Der albanische Tenor Saimir Pirgu triumphiert als Ernani. Mit bombenstarken Spitzentönen und berückender heldischer Strahlkraft überzeugt er auf der ganzen Linie.
Stimmlich wie schauspielerisch zieht Goran Jurić alle Register des bösen rachsüchtigen Greises Silva, der scharf auf seine junge Nichte ist, um sich noch einmal zu verjüngen. Ein Star im wahrsten Sinne des Wortes ist der Verdi-Bariton Franco Vassallo als Don Carlo. Seine große Arie im 3. Akt „E questo loco“, bei der die tiefen Bläser der Wiener Symphoniker glänzen konnten, ist einer der Höhepunkte. Sein opulenter Bariton verfügt über unfassbar viele Farben, mit denen er eine große Bandbreite von Gefühlen wie Verliebtheit, Begehren, Rachsucht, Verunsicherung und Verzeihung ausdrückte. Die übrigen Rollen sind adäquat besetzt: Aytaj Shikhalizada (Giovanna), Omer Kobiljak (Don Riccardo) und Stanislav Vorobyov (Jago). Solide auch der Prager Philharmonischen Chor.
Die Wiener Symphioniker unter Enrique Mazzola bleibt dem Cabalettenfeuer und der rhythmischen Glut des jungen Verdi nichts schuldig. Verdi Kenner Mazzola hütet sich weise vor Übertreibungen, banalisiert den zupackenden Dreiertakt und die pointierten Figuren der Begleitung nicht, gestaltet melodische Bögen mit feinsinnigen dynamischen Valeurs. Auch er nimmt diese bisweilen krude zupackende, oft aber schon überraschend subtil ausgestaltete Musik ernst und ist damit ein der Regie kongenialer Partner im Orchestergraben. Mit diesem durch und durch überzeugenden Wagnis hat Bregenz nach so vielen bemerkenswerten Produktionen auch die schon seit mehreren Jahren gepflegte Serie seiner Verdi-Entdeckungen erfolgreich weitergeführt.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.