Echt stark: Radprofi Felix Gall hat seine herausragende Verfassung bei der Tour de France am letzten harten Tag als Etappenzweiter in den Vogesen fast perfekt ausgespielt! Der Debütant aus Osttirol musste sich am Samstag in Le Markstein im Sprint einer Fünfergruppe nur Tadej Pogacar beugen.
Den Rest der Welt-Elite um den designierten Gesamtsieger Jonas Vingegaard ließ der Gewinner der Königsetappe nach 133 happigen Kilometern mit sechs Bergwertungen hinter sich. Wie den erneuten Tagessieg verpasste Gall auch das begehrte Bergtrikot der Frankreich-Rundfahrt als Zweiter. Der 25-Jährige kann auf der traditionellen Ehrenrunde am Sonntag in Paris als Gesamt-Achter und Dritter der Nachwuchswertung aber trotzdem feiern.
Gall: „Ich habe das ausnahmsweise auch genießen können“
„Die Tour so abzuschließen ist ein Traum. Dass ich heute wieder mitfahren konnte, ist unglaublich. Ich habe das ausnahmsweise auch genießen können, es war eine ganz spezielle Atmosphäre“, erklärte Gall. Hochzufrieden war auch sein Team AG2R mit der Vorstellung des Tour-Neulings. „Felix ist die Entdeckung der Tour de France“, sagte Sportdirektor Julien Jurdie. „Er hat uns immer wieder beeindruckt. Felix glänzte drei Wochen lang. Dieser zweite Platz am Markstein hinter Pogacar beweist, dass er sehr weit kommen kann“, meinte Jurdie.
Feiern kann auch der erfolgreiche Titelverteidiger Vingegaard, der vor dem Finale auf den Champs-Elysees haushoch überlegen siebeneinhalb Minuten vor Pogacar liegt. „Der zweite Sieg ist unglaublich. Ich kann es kaum glauben. Wir müssen auf dem Weg nach Paris noch etwas vorsichtig sein, dürfen nichts Blödes machen“, sagte Vingegaard wohlwissend, dass auf der Tour d‘Honneur am Sonntag das Gelbe Trikot traditionell nicht mehr angegriffen wird.
Gall lieferte eine in dieser Form nicht erwartete Vorstellung ab
Während Vingegaard gegen seinen zwischendurch schwächelnden Rivalen aus Slowenien ein von vielen Experten erwarteter Favoriten-Sieg gelang, lieferte Gall im Lauf der drei Wochen eine in dieser Form nicht erwartete Vorstellung ab. Sein Top-Ten-Platz und der triumphale Etappensieg in den Alpen sind für heimische Radprofis in der über 100-jährigen Geschichte des weltgrößten Rennens Raritäten. Gall ist der jeweils erst vierte Österreicher, dem diese Kunststücke gelungen sind. Beide hat noch nie ein rot-weiß-roter Fahrer geschafft.
„Absolut irre. Wenn jemand sagt, du fährst Top-Ten bei der Tour, hätte ich gesagt geil. Aber jetzt Etappensieg auf der Königsetappe, ein zweiter und ein dritter Platz, Achter in der Gesamtwertung, Zweiter in der Bergwertung, Dritter in der Nachwuchswertung - ich kann es selbst nicht ganz glauben, wie gut es gelaufen ist. Die letzten drei Wochen waren unglaublich, ich brauche Zeit, um das zu verarbeiten und zu realisieren“, sagte Gall. Der Osttiroler ist nach Adolf Christian (3./1957), Peter Luttenberger (5./1996) und Georg Totschnig (7./2004) der nächste Österreicher unter den besten zehn der Tour. Etappensiege waren vor ihm erst Max Bulla (3/1931), Georg Totschnig (2005) und Patrick Konrad (2021) gelungen.
Gall hinter dem Italiener Ciccone in Bergwertung 2.
Der im heurigen Frühjahr auch schon sehr stark gefahrene Ex-Juniorenweltmeister wuchs bei seiner ersten Frankreich-Rundfahrt nicht nur in die Rolle des Kapitäns seiner AG2R-Mannschaft, sondern trug nach einem dritten Rang in den Pyrenäen für einen Tag auch das Trikot des punktbesten Kletterers. In der Endabrechnung der Bergwertung belegt Gall hinter dem Italiener Giulio Ciccone Rang zwei, das hat vor ihm noch kein Österreicher regulär geschafft. Bernhard Kohl war 2008 als Trikot-Gewinner und Gesamtdritter wegen Dopings nachträglich disqualifiziert worden.
Gall ging die vorletzte Etappe mit 3500 zu überwindenden Höhenmetern defensiv an, um seine Gesamtklassement-Position nicht zu gefährden. Ciccone schaffte es einmal mehr in die Ausreißergruppe und sammelte an den ersten Bergwertungen genügend Punkte zur Vorentscheidung ein. Im Kampf um den Tagessieg übernahm Pogacar fünf Kilometer vor dem höchsten Punkt des letzten Anstiegs zum Col du Platzerwasel die Initiative, nur Vingegaard und Gall konnten folgen.
Pogacar: „Ich habe mich heute wieder wie ich selbst gefühlt!“
Nach dem höchsten Punkt wurde das von Gall angeführte Trio auf dem fast flachen Weg ins Ziel von den britischen Yates-Brüdern eingeholt. „Am Schlussanstieg war klar, dass Jonas und Tadej keine große Führungsarbeit leisten. Ich hatte nur das Podium im Sinn, dass ich die Tour mit einem guten Ergebnis abschließen kann. Das ist mir gelungen“, so Gall. Pogacars UAE-Teamkollege Adam Yates erwies sich schließlich in der Sprintvorbereitung als Schlüsselfigur, sein Kapitän vollendete schließlich im Skiort Le Markstein zu seinem elften Etappensieg, heuer war es sein zweiter. „Es war heute wieder richtig gut nach vielen Tagen, an denen ich gelitten habe. Ich habe mich heute wieder wie ich selbst gefühlt. Es war richtig cool, das so zu beenden“, erklärte Pogacar.
Schmerzhaft verlief das Teilstück hingegen für Carlos Rodriguez und Vingegaards Jumbo-Edelhelfer Sepp Kuss. Sie zogen sich bei einem gemeinsamen Sturz in der ersten Abfahrt blutende Wunden zu. Rodriguez musste seinen vierten Platz letztlich an Simon Yates abgeben, Kuss rutschte von der neunten an die zwölfte Stelle zurück. Gall blieb mit größeren Abständen nach vorne und hinten an der achten Stelle, auf Vingegaard fehlen ihm über 16 Minuten.
Wie Gall werden vorbehaltlich eines unfallfreien Finales auch alle anderen fünf österreichischen Teilnehmer das ersehnte Ziel in Paris erreichen. Glänzend schlug sich Felix Großschartner als einer der wichtigsten Berghelfer von Pogacar, er ist vor dem Schlusstag Gesamt-23. Konrad spielte bei der zwischenzeitlichen Übernahme des Gelben Trikots seines Kapitäns Jai Hindley in der ersten Woche eine Schlüsselrolle. Eigene Erfolgserlebnisse in Form von Spitzenergebnissen blieben dem Etappensieger von 2021 wie seinem Bora-Kollegen Marco Haller, Gregor Mühlberger (Movistar) und Michael Gogl (Alpecin) aber verwehrt.
Das Ergebnis der 20. Etappe:
1. Tadej Pogacar (SLO) UAE 3:27:18 Stunden
2. Felix Gall (AUT) AG2R
3. Jonas Vingegaard (DEN) Jumbo - alle gleiche Zeit
Weiters:
30. Gregor Mühlberger (AUT) Movistar +7:26 Min.
32. Felix Großschartner (AUT) UAE - gleiche Zeit
63. Patrick Konrad (AUT) Bora +19:11
80. Marco Haller (AUT) Bora +20:39
136. Michael Gogl (AUT) Alpecin +31:25
Der Stand in der Gesamtwertung:
1. Jonas Vingegaard (DEN) Jumbo 79:16:38 Std.
2. Tadej Pogacar (SLO) UAE +7:29 Min.
3. Adam Yates (GBR) UAE +10:56
Weiters:
8. Felix Gall (AUT) AG2R +16:09
23. Felix Großschartner (AUT) UAE +1:45:21 Std.
44. Gregor Mühlberger (AUT) Movistar +2:49:22
75. Marco Haller (AUT) Bora +4:02:37
78. Patrick Konrad (AUT) Bora +4:07:43
133. Michael Gogl (AUT) Alpecin +5:19:44
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