Polit-Zukunft offen

Wahlkrimi in Spanien: Beide Lager ohne Mehrheit

Ausland
24.07.2023 06:29

Bei der vorgezogenen Parlamentswahl in Spanien hat sich am Sonntagabend ein wahrer Thriller ergeben. Lag die konservative Partei (PP) nach ersten Prognosen noch klar voran, gab es in der Folge lange Zeit ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Sozialdemokraten (PSOE) von Premier Pedro Sanchez. Am Ende setzten sich Konservativen durch, verfehlten aber eine absolute Mehrheit. Der Links- bzw. Rechtsblock ist nun für eine Regierungsbildung auf kleinere Parteien angewiesen. Die Regierungsbildung in der viertgrößten Volkswirtschaft der EU dürfte eine echte Herausforderung werden. Baldige Neuwahlen sind daher nicht ausgeschlossen.

Obwohl sich die PP um 47 Sitze auf 136 Sitze verbessern konnte, reicht es auch mit den 33 Vox-Sitzen nicht zur absoluten Mehrheit von 176 Sitzen.

PP-Spitzenkandiat Alberto Núñez Feijóo reklamierte vor Tausenden jubelnden Anhängern in Madrid trotz fehlender Mehrheit das Amt des Regierungschefs für sich.

„Ich übernehme die Aufgabe, Verhandlungen zur Bildung einer Regierung aufzunehmen“, sagte der 51-Jährige. Es ist aber kaum absehbar, dass andere Parteien ihm im Verbund mit Vox zu einer Regierungsmehrheit verhelfen werden.

Alberto Nunez Feijoo, Chef der konservativen PP (Bild: The Associated Press)
Alberto Nunez Feijoo, Chef der konservativen PP

„Verschenken eigene Stimmen nicht“
Vox, die 19 Sitze verlor, stellte gleich in der Wahlnacht klar, dass sie in eine Regierung Feijóo wolle oder zumindest Einfluss auf deren Programm. Man werde die eigenen Stimmen „nicht verschenken“, sagte Vox-Generalsekretär Ignacio Garriga.

Vox-Chef Santiago Abascal machte auch Feijóo für das schlechte Abschneiden des rechten Lagers verantwortlich. Der PP-Kandidat habe die PSOE aufgewertet, indem er ihr einen Pakt angeboten habe, dass jeder der beiden großen Parteien den Kandidaten mit den meisten Stimmen unterstützen solle, kritisierte Abascal. 

Vox-Parteichef Santiago Abascal (Bild: AFP)
Vox-Parteichef Santiago Abascal

Auch der sozialistische Amtsinhaber Pedro Sánchez dürfte große Probleme haben, eine Neuauflage seiner linken Minderheitsregierung in die Wege zu leiten. Seine Partei konnte sich zwar um zwei Sitze auf 122 Sitze verbessern. Sein linkerer Partner, das Wahlbündnis Sumar, kam auf 31 Sitze. Zusammen mit kleineren Regionalparteien, mit deren Hilfe er 2019 ins Amt gewählt worden war, käme der Sozialist auch nur auf 172 Stimmen.

Premier Pedro Sanchez (Bild: AFP)
Premier Pedro Sanchez

Prognosen sahen PP noch klar vorne
Prognosen hatten nach Wahlschluss die PP deutlich klarer voran gesehen. Mit Vox schien auch eine absolute Mehrheit in Griffweite. Eine Umfrage von GAD3 für die Mediengruppe Mediaset, die auf den Absichten von 10.000 Wählern aus den zurückliegenden Tagen basiert, hatte ergeben, dass die PP 150 und Vox 31 Sitze gewinnen würde. Dies hätte für eine Mehrheit gereicht. 

Kleinere Parteien als Zünglein an der Waage?
Sollten sich PP und Vox auf eine Allianz einigen, würden sie im „Congreso de los Diputados“ auf die Unterstützung oder zumindest die Duldung durch kleinere Parteien angewiesen sein. Das ist wegen des Widerstandes anderer Parteien gegen die Rechtspopulisten eher unwahrscheinlich. Zudem kann die PSOE eher als die PP auch auf die Unterstützung von Regionalparteien aus dem Baskenland und Katalonien zählen. Käme es zu einer Allianz von PP und Vox, würde erstmals seit dem Ende der Franco-Diktatur 1975 wieder eine Rechtsaußenpartei direkten Einfluss auf das Regierungshandeln erhalten.

Die vorgezogene Parlamentswahl in Spanien hat sich am Sonntagabend zu einem echten Thriller entwickelt. (Bild: AFP)
Die vorgezogene Parlamentswahl in Spanien hat sich am Sonntagabend zu einem echten Thriller entwickelt.

Sorge vor politischer Blockade
Sollte es Feijóo nicht gelingen, eine Regierung zu bilden, könnte eine weitere Wahl notwendig werden. Fakt ist: Spanien, das derzeit den Ratsvorsitz der Union innehat, steht wohl eine lange Hängepartie bevor. Ein „Bloqueo“, eine politische Blockade, wie es sie bereits nach den Wahlen von 2015 und 2019 zweimal in Folge gab und jeweils eine zweite Abstimmungsrunde nötig machte, scheint nicht ausgeschlossen.

Der Urnengang war ursprünglich für Dezember angesetzt. Doch Sanchez rief Neuwahlen aus, nachdem die Linke bei den Regionalwahlen im Mai eine Schlappe erlitten hatte. Die Sozialisten des Regierungschefs bilden derzeit mit der linken Unidas Podemos (UP) eine Minderheitsregierung. UP trat bei der Wahl in der linken Sammelbewegung Sumar an.

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