Am Mittwoch und Donnerstag spielt die weltbekannte Rockband Rammstein im Ernst-Happel-Stadion vor jeweils 55.000 Fans auf. Während um 19 Uhr das Konzert startete, demonstrierten ab 17.30 Uhr, laut den Veranstaltern ca. 1800 Menschen gegen den Frontmann Till Lindemann, der seit Wochen mit mutmaßlichen sexuellen Übergriffen sowie Machtmissbrauch konfrontiert wird. Kurzum: Es herrschte ein Ausnahmezustand. Die „Krone“ ist vor Ort.
Je näher man den beiden restlos ausverkauften Rammstein-Konzerten im Wiener Happel-Stadion kam, umso ausgiebiger wurde über die derzeit umstrittenste Band der Welt diskutiert. Unter der Schirmherrschaft der Kampagnenorganisation #aufstehn und den Wiener Grünen wurde eine Internet-Petition unter dem Banner #KeineBühne für Rammstein ins Leben gerufen, die in knapp zwei Monaten mehr als 17.000 Unterschriften einbrachte. Das große Ziel, eine Absage der beiden Konzerte zu erwirken, wurde schlussendlich klar verfehlt, doch das Sichtbarmachen und Solidarisieren mit den mutmaßlichen Opfern von Rammstein-Frontmann Till Lindemann (es gilt die Unschuldsvermutung) gelang den Organisationen, die, laut eigenem Bekunden, rund 1800 Teilnehmer begrüßen durften.
Ausnahmesituation vor dem Stadion
Nicht nur die wechselhaften Witterungsverhältnisse und die ungewohnt kühlen Temperaturen forderten die Teilnehmer heraus, bei der Anreise trafen die verhärteten Fronten aufeinander. Im öffentlichen Hauptverkehrsmittel, der U2, nahmen Rammstein-Fans und erbitterte Gegner gleichermaßen Platz und wurden einem ersten Stresstest unterzogen. Die beiden Aktivistinnen Esther und Katharina bastelten am Nachmittag an eigenen Slogans und schlossen sich der Bewegung spontan an. Mit Slogans wie „Kill Till“, „Keine Bühne für mutmaßliche Täter“ oder „Wer hat Angst vorm weißen Mann?“ wurden auf dem Weg zum Demo-Gelände Zäune vollgeklebt. „Die Rammstein-Fans haben sie sofort wieder heruntergerissen“, so Katharina, „wir machen aber einfach weiter.“ Auch „Krone“-Kolumnistin und Klimaaktivistin Lena Schilling, sowie AÖF-Geschäftsführerin Maria Rösslhumer waren vor Ort und unterstützen die Demonstranten.
Demo geht friedlich vonstatten
Störfeuer vonseiten der Rammstein-Fans gab es aber relativ wenige. Ein paar Hardliner mit Bierdosen riefen lautstark während der Demo-Ansprachen ins Gelände und wurden von der Polizei deeskalierend weggeführt. Andere zeigten sich durchaus an der Gegenbewegung interessiert und begannen richtungsübergreifende Diskussionen. Insgesamt verlief die Konfrontation relativ friedlich und ohne größere Probleme. Die Polizei sorgte somit dafür, dass die Aktion in geordneten Bahnen über die Bühne ging. Dennoch sind die geschilderten Szenen vor dem Ernst-Happel-Stadion eine Ausnahmesituation. In jüngster Vergangenheit gab es kaum so viel Gegenwind und Demos vor einem Konzert.
Eine Ansprache hielt unter anderem die Regisseurin Katharina Mückstein, die einen Leitfaden für das Schweigen der Veranstalter anbot. „Glaubt den Betroffenen, nehmt die Vorwürfe ernst, spitzt eure Ohren und hört zu.“ Die Schilder der Demonstranten ließen keine Zweifel übrig. „Love Heavy Metal, Hate Sexism“, „Till, du grindiger Oasch“ oder „rammelts euch selber“ prangte von selbigen. Liebesbekundungen mit Rammstein-Flaggen dafür auf der anderen Straßenseite.
Mit Demo soll klares Zeichen gesetzt werden
„Wir setzen hier ein kleines Zeichen für jene Frauen, die den Mut gefunden und ausgesagt haben“, erzählte die Grünen-Frauensprecherin Meri Disoski der „Krone“ vorab im Interview, „zivilgesellschaftlicher Protest war in der Geschichte immer dafür verantwortlich, dass Veränderungen passiert sind.“ Disoski selbst war nicht anwesend. Dass mit der Demonstration ein klares Zeichen gesetzt wird, bemerkt auch #aufstehn-Kampagnenleiterin Philine Dressler. „Eine gute Reaktion seitens der Band wäre gewesen, die im Raum stehenden Vorwürfe ernst zu nehmen und sich so lange zurückzuziehen, bis sie aufgeklärt sind. Stattdessen gab es seitens der Band Klagsdrohungen und das Einschalten der Anwälte, die bei Medien und Aktivistinnen urgiert haben.“
Keine Demo am Donnerstag angekündigt
Der Kampf gegen sexuelle Gewalt und Machtmissbrauch sei damit keinesfalls beendet. „Es ist in diesem Bereich noch viel zu tun und wir werden dagegen vorgehen“, so Dressler. Das war auch der Tenor der Veranstaltung an sich, die sich weit über das Thema Rammstein hinaus ausbreitete und die Verwerfungen sexueller Machtpolitik im Allgemeinen thematisierte. Rund 55.000 Rammstein-Fans ließen sich davon nicht beirren und warteten darauf, dass ihre Lieblingsband die fulminanteste und feurigste Show des Jahres startete. Eine Demonstration für das zweite Rammstein-Konzert am Donnerstag wurde übrigens nicht angekündigt.
Hitzige Diskussionen auf Twitter
Auch auf Twitter regnete es in der Zwischenzeit negative Kommentare und Bilder. Viele Personen drückten ihren Unmut über das nicht abgesagte Konzert aus. Gleichzeitig verwiesen andere Twitter-User auf die nach wie vor geltende Unschuldsvermutung.
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