Militärputsch im Niger
Ex-Präsident ruft zum Erhalt der Demokratie auf
Im westafrikanischen Land Niger haben Soldaten im Fernsehen die Machtübernahme durch die Armee verkündet. Der abgesetzte Präsident Mohamed Bazoum hat die Bevölkerung dazu aufgerufen, die Errungenschaften der Demokratie zu retten.
Am Mittwoch hatte die Präsidentengarde, eine Eliteeinheit der Armee, Präsident Bazoum (63) in der Hauptstadt Niamey festgesetzt und den Zugang zum Präsidentenpalast und mehreren Ministerien gesperrt.
Die Institutionen der siebenten Republik seien aufgelöst, die Luft- und Landesgrenzen geschlossen und es herrsche eine landesweite Ausgangssperre von 22 Uhr bis 5 Uhr (Ortszeit), sagte Oberst Amadou Abdramane am späten Mittwochabend im nationalen Fernsehsender RTN (Video oben).
Abdramane, der von neun weiteren Offizieren in Uniform flankiert wurde, verlas eine Erklärung, in der es hieß, die Verteidigungs- und Sicherheitskräfte hätten entschieden, „dem Regime, das Sie kennen, aufgrund der sich verschlechternden Sicherheitslage und der schlechten Regierungsführung ein Ende zu setzen“. Die Soldaten warnten vor jeder ausländischen Intervention.
International riefen die Vorgänge noch vor der Verkündung im Fernsehen scharfe Verurteilungen hervor. Unter anderem die Vereinten Nationen, die EU, die USA und die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas forderten eine Freilassung Bazoums und die Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung. Den Informationen der EU zufolge liefen noch am Abend Verhandlungen mit den Putschisten.
„Ob es sich technisch gesehen um einen Staatsstreich handelt oder nicht, kann ich nicht sagen, das müssen die Juristen entscheiden, aber es handelt sich eindeutig um einen Versuch, die Macht mit Gewalt zu ergreifen und die Verfassung zu stören“, sagte US-Außenminister Anthony Blinken auf einer Pressekonferenz in der neuseeländischen Hauptstadt Wellington.
„Wir verurteilen jeglichen Versuch, die Macht mit Gewalt zu ergreifen“, so Blinken weiter. Die USA seien in Kontakt mit der Regierung des Niger sowie mit ihren Partnern. Es gebe Bemühungen, die Situation friedlich zu lösen. Erst bei einem Telefonat mit Bazoum in der Früh habe er klargemacht, dass die USA diesen als den demokratisch gewählten Präsidenten des Niger unterstützten.
Nach Angaben von EU-Diplomaten sprachen auch EU-Chefdiplomat Borrell und Ratspräsident Charles Michel am Mittwoch zweimal mit Bazoum, der demnach bis zuletzt mit seiner Familie in seiner Residenz war. Auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres sprach mit dem Präsidenten, wie ein Sprecher auf Twitter mitteilte.
Niger wichtiger Partner der USA und der EU
Ein Umsturz hätte weitreichende Folgen. Der Niger mit seinen rund 26 Millionen Einwohnern gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Nach Militärputschen in Mali und Burkina Faso war er das letzte der drei Nachbarländer in der Sahelzone, das von einer demokratisch gewählten Regierung geführt wurde, und damit ein wichtiger Partner der USA und der EU im Kampf gegen wachsende Instabilität in der Region. Erst Ende vergangenen Jahres hatte die EU eine Militärmission im Niger beschlossen, um den Terrorismus in der Region zu bekämpfen.
Der Niger ist in den vergangenen Jahren in den Mittelpunkt der westlichen Bemühungen gerückt, dem gewaltsamen Vormarsch der Dschihadisten in Westafrika und auch einem wachsenden militärischen Einfluss von Russland entgegenzuwirken. Putsche in den benachbarten Ländern Mali und Burkina Faso seit 2020 gingen mit einer Abwendung von europäischen Partnern und zuletzt der Forderung nach Abzug der UN-Friedensmission zur Stabilisierung Malis einher. Das Dreiländereck wird seit Jahren von Gruppen terrorisiert, die den Terrormilizen Al-Kaida und IS anhängen. Die Sicherheitslage verschlimmert sich zunehmend und bedroht auch bisher stabile angrenzende Staaten.
Putschversuch bei Machtwechsel 2021
Bazoums Amtseinführung im April 2021 war der erste friedliche demokratische Machtwechsel im Land seit seiner Unabhängigkeit von Frankreich 1960 - wenige Tage vorher kam es noch zu einem Putschversuch, den die Präsidentengarde verhinderte. Bazoum diente unter seinem Vorgänger Mahamadou Issoufou seit 2011 als Außen- und Innenminister, bis er zur Nachfolge des nach zwei Amtszeiten ausgeschiedenen Issoufou antrat und mit rund 56 Prozent der Stimmen gewann. Issoufou behielt viel Einfluss. Beobachter vermuteten als möglichen Hintergrund auch einen Kampf um Einfluss in Niamey.
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