Salzburgs „Jedermann“ lässt kaum einen Kultur-affinen Menschen unberührt. Wobei sich in Anbetracht gesellschaftlich aktueller Befindlichkeiten die Frage aufdrängt, ob d…e…r Mensch überhaupt noch zumutbar ist? Müsste es nicht auch d…i…e Menschin heißen? Ein Kommentar von Roland Ruess.
Zurück zum ewigen Werk – und dessen unzähligen Interpretationen. Wobei man rasch erkennt, dass sich das Bühnengeschehen vom konservativen Purismus bis zu einem Curd Jürgens in der Titelrolle erst in diesem Jahrhundert so (r)evolutionär dynamisiert hat. Emotional wohl erst, seit sich der sehr lange und einige Buhlschaften verschleißende Peter Simonischek vom Geschehen vor dem Dom verabschiedet hat. Sein Habitus und sein Vortrag ließen doch wieder Macho-Facetten anklingen, nachdem Klaus Maria Brandauer, Helmuth Lohner, Ulrich Tukur oder Gert Voss sensibel- individuelle Rollen-Schattierungen forciert hatten. Für ein erkennbares Maß an Kontinuität dieser Ära sorgte gewiss auch Langzeit-Regisseur Gernot Friedel.
Christian Stückl war danach sowas wie ein Hybrid der Inszenierung zwischen Hofmannsthal und Pop-Kultur, massive Erschütterungen in Deutung und Darstellung brachte dann 2013 das Regie-Duo Brian Mertes & Julian Crouch, ehe unter Michael Sturminger zunehmend die Kategorie Slapstick Einzug hielt. Wenn etliche Premierenbesucher des diesjährigen Dauerbrenners eine Protestaktion von Aktionisten der letzten Generation als Teil einer zeitgeistigen Inszenierung erachteten, darf man daraus schließen, dass manche mit allem rechnen.
Wahrlich brennende Fragen der immer mehr aus den Fugen geratenden Umwelt – müssen solche wirklich in einem Kernstück der Festspiele gestellt werden? Wenn die Zukunft des Jedermann im Zuwachs von Trivial- Trash und Sozial-Crash liegt (manches Szenario aus den letzten Jahren nährt diesen Verdacht) – sollte man dann nicht gleich Otto Waalkes und Didi Hallervorden für die zentralen Rollen andenken? Das wäre zumindest eine doppelte Nicht-Diskriminierung, von wegen Geschlecht und Alter. Und wenn man dann noch als Regisseur Michael Niavarani in einen konstruktiven Dialog mit einem komödiantisch programmierten KI-Computer schickt, der sich der weiter gedachten Welten eines Vicco von Bülow alias Loriot bedient, hätte man das digitalisierte Endziel exzessiver Modernität um jeden Preis erreicht. Also: Nonstop Nonsens – oder doch Hoffnung auf ein zumutbares Maß an Witz anstelle permanent überschwappenden Irrwitzes?
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