Liegt Sevilla im Wilden Westen? In Martin Kušejs Salzburger Festspielinszenierung von „Le Nozze di Figaro“ bei den Salzburger Festspielen fragt man sich das oft.
Ständig zieht einer die Pistole, der Graf sogar zwei, und bedroht die anderen. Sind alle so aggressiv gangsterhaft, weil Kušej und die Ausstatter Raimund Orfeo Voigt & Alan Hranitelji aus dem gräflichen Palast der Almaviva ein düster-hässliches Gefangenhaus gemacht haben? Alle sind da gereizt und aggressiv. Einsame, verlorene Seelen, im Suff an der Bar, im Badezimmer, der Graf bei Sexspielen, während im grauslichen Nebenraum die Gräfin wartet, ihr „Dove sono“ zu singen. Und alle auf der Suche „nach dem Kick und Sex“, weil ihnen die Liebe abhandengekommen ist.
Wer hoffte, Kušej würde mit „Figaro“ an seine legendären Salzburger Mozart-Inszenierungen „Don Giovanni“ und „Clemenza di Tito“ vor zwei Jahrzehnten anschließen, ist enttäuscht. Da und dort bringt er Interessantes ins Spiel, verändert aber Textstellen, lässt den Vorhang auch mitten in den Akten rasch einmal fallen - was stört -, macht Szenen schwerfällig. Die „Commedia“ verfinstert sich, ihm ist die „Leichtigkeit des Seins“ (Milan Kundera) abgehandengekommen, Charme und Witz, mit dem Mozart und Daponte ihre Figuren zu aufmüpfigen Überlebenskünstlern machen.
Am Pult setzt Raphaël Pichon „das Elektrisierende“ der Musik mit den Wiener Philharmonikern mit Tempo imponierend um. Ihr Spiel hat Energie, Biss, Witz. Aus der kultivierten jungen Besetzung ragen der fabelhafte Supermacho „Almaviva“ von Andrè Schuen, „Gräfin“ Adriana González mit samtigem Sopran, Sabine Devieilhes „Susanna“ mit zierlicher Stimme, aber feiner Empfindung, der stimmgewaltige Riese „Figaro“ Krzysztof Bączyks, Lea Desandres hübscher, liebenswerter Cherubino. Solide die anderen, souverän der Staatsopernchor. Jubel.
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