Wann zieht sich die Raiffeisen Bank aus Russland zurück? Die Verantwortlichen bleiben beim vagen Kredo der vergangenen 18 Monate: Sachlage prüfen und mit „Hochdruck“ an einer Lösung arbeiten. Währenddessen streift die russische Tochterbank Millionen ein und vergab Hunderte Posten neu.
Der ursprünglich von der Raiffeisen Bank International (RBI) angesetzte Zeitplan für eine mögliche Abspaltung der Russland-Tochter dürfte sich verzögern. Gegenüber Analysten sagte Bankchef Johann Strobl am Dienstagnachmittag, dass eine Abspaltung frühestens Ende Dezember möglich sei.
Im Mai hatte er noch einen möglichen Spin-off bis Ende September in Aussicht gestellt. Auch die Möglichkeit eines Verkaufs wird von der RBI nach wie vor ausgelotet. Er wiederholte sein bekanntes Mantra der vergangenen Monate: Man arbeite „mit Hochdruck“ an einer Lösung - ohne dabei konkret zu werden.
Russland-Geschäft auf Papier noch lukrativer
Beide Optionen - Abspaltung oder Verkauf - seien mit hohen bürokratischen Hürden verbunden und nehmen in ihrer Umsetzung viel Zeit in Anspruch, wie das Management immer wieder betont hatte. Bei einem Verkauf bräuchte es einen nicht-sanktionierten Käufer und die Zustimmung des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Apropos Putin. Die Raiffeisen Bank fürchtet eine dritte Option: Der Russland-Zweig der RBI könnte jederzeit enteignet und unter staatliche Kontrolle gestellt werden.
Ein Blick auf die veröffentlichte Halbjahresbilanz für das 2023 zeigt, dass der Rubel weiterhin gnadenlos rollt - trotz rückläufigen Kreditgeschäfts. Der Zinsüberschuss in Russland stieg um 13,5 Prozent auf 698 Millionen Euro. Das entspricht bereits etwa 50 Prozent des Gesamtergebnisses der RBI-Gruppe.
Grund dafür seien niedrigere Zinsaufwendungen wegen geringerer Zinssätze für Kundeneinlagen gewesen, heißt es im Halbjahresbericht der Bank. Das Provisionsergebnis erhöhte sich ebenfalls um 13,5 Prozent auf 760 Millionen Euro.
700 neue Mitarbeiter in Russland
Die Russland-Tochter der Raiffeisenbank nutzte den Millionenregen offenbar für die Besetzung offener und neuer Posten. Die russische Tochterbank habe rund 700 Mitarbeiter eingestellt und zähle nun 9897 Beschäftigte, geht aus der Unternehmenspräsentation hervor.
Ein Banksprecher erklärte auf Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters, dass der Großteil der neu eingestellten Mitarbeiter auf den IT-Bereich entfalle, um einen möglichen Verkauf oder eine Abspaltung abwickeln zu können. Westliche IT-Dienstleister hätten sich aus Russland zurückgezogen.
Folgende Grafik zeigt das Konzernergebnis der gesamten RBI-Gruppe:
Die Raiffeisenbank steht seit geraumer Zeit wegen ihrer engen Verstrickung nach Russland unter Druck von Investoren, Bankenaufsicht und US-Sanktionswächtern. Zu der laufenden Untersuchung der US-Sanktionsbehörde Office of Foreign Assets Control (OFAC) sagte Stobl, dass die RBI alle Informationen geliefert hätte.
Feststeckende Milliarden und Ärger mit den USA
Er sei zuversichtlich, dass die OFAC mit den zur Verfügung gestellten Informationen zufrieden sein werde. Einen Zeitplan, wann die Untersuchung beendet sein könnte, konnte er nicht geben. Im Jänner hatte die Bank ein Schreiben von den US-Amerikanern erhalten - mit Fragen rund um das Zahlungsverkehrsgeschäft in Bezug auf Russland und die Ukraine. Die Fragen seien aber „allgemeiner Natur“ gewesen, sagte die RBI damals.
Eine Reuters-Recherche legte jüngst nahe, dass die Verantwortlichen in Russland auf Zeit spielen. Kritiker werfen der österreichischen Großbank vor, dass sie einen Ausstieg nicht ernsthaft verfolge, sondern darauf hoffe, dass der Krieg bald endet. Einer der Hintergründe: Wegen der Sanktionen kann die Bank ihre Gewinne nicht aus Russland abschöpfen.
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